Kultur / Rezensionen

31.10.2024

Digitale Lagerfeuergeschichten


Buchtipp zu Halloween: „Momente des Grauens“ von Christoph Schmuck

von Christian Dolle

Die Suche nach einem Vermissten in einem japanischen Nationalpark. Immer wieder müssen die Ranger dort in der Wildnis um einen Vulkan nach Verschollenen suchen. Umso besser, dass sie diesmal relativ schnell ein aus Ästen gelegtes SOS entdecken und den jungen Mann dann auch schnell in der Nähe finden. Doch irgendetwas stimmt nicht. Zumindest kann er sich nicht erinnern, das SOS gelegt zu haben.

Im Bereich des Horror ist es alles andere als leicht, immer noch neue Szenarien zu entwickeln, die für den nötigen Grusel sorgen. Generell wird es vielleicht immer schwerer, Lesern mit fiktiven Bedrohungen Angst zu machen. Doch Christoph Schmuck kennt sich mit Horror aus. Als CreepyPastaPunch ist er auf Youtube eine Instanz, geht auf seinem Kanal gruseligen Internetphänomenen auf die Spur, deckt düstere Mysterien auf und vertont eben auch Creepypastas. 

Atmosphäre und Urängste

Insofern sind die Kurzgeschichten in diesem Buch eben auch Creepypastas, also schaurige Storys, die am (digitalen) Lagerfeuer weitererzählt werden und die Zuhörer oder Leser am Ende mit einer Gänsehaut zurücklassen sollen. Es kommt also in erster Linie auf eine gute Atmosphäre für den Einstieg und ein möglichst überraschendes und die Fantasie und Urängste anregendes Ende an. 

Dieser Formel bleibt Christoph wie schon in seinem ersten Buch „Gesichter der Furcht“ treu. Es sind alles relativ schnörkellos erzählte Geschichten, bei denen es vor allem auf den Moment ankommt, wenn wir uns als Leser im dunklen Zimmer umschauen, ob auch wirklich alle Fenster geschlossen sind. 

Im Falle der eingangs geschilderten Story ist die japanische Wildnis erst einmal exotisch fremd und dadurch potenziell bedrohlich. Später baut sich das Geheimnis auf, warum denn der Vermisste so schnell gefunden werden konnte. Die Wahrheit hinter diesem Mysterium löst Grauen aus, Grusel, letztlich die Ungewissheit, was gerade in meiner Nähe lauern könnte. Es geht weniger um weitreichende Erklärungen, um Hintergründe oder Charakterentwicklungen der Figuren, weil die Wirkung der Story klar im Fokus steht. 

Gruseleffekt steht im Fokus

Das ist nun mal ein Charakteristikum von Creepypastas. Christoph hält sich durchgehend an diese Formel, wenn er auch seine Geschichten und Figuren individueller gestaltet als noch im ersten Buch. Im Fokus des Erzählens steht aber klar der Gruseleffekt und nicht literarische Ausgefeiltheit. Eine Geschichte gab es dann allerdings doch, die mich auch nach dem Ende noch eine ganze Weile beschäftigte. 

nd zwar erzählt Christoph von einer Endzeit-Sekte, die plötzlich in verschiedenen Großstädten auftaucht und davon predigt, dass schon bald die wahrhaft guten Menschen errettet werden, während alle anderen zusammen mit der gesamten Welt untergehen werden. Das ist zunächst einmal gar nicht so neu, wird aber ziemlich brisant, als es sich diesmal zu bewahrheiten scheint. Wenig später nämlich tauchen mysteriöse Lichtstrahlen vom Himmel auf, die etliche Menschen scheinbar schwerelos nach oben ziehen. 

Weltweit sorgen diese Erlebnisse für Aufregung, noch mehr sogar als den auf der Erde verbliebenen klar wird, dass es gar nicht die in ihren Augen guten Menschen waren, die da gen Himmel geflogen sind. Ganz im Gegenteil. Und wenn die bösen Menschen am Ende errettet werden... warum strenge ich mich denn dann überhaupt an? So bricht in der Folge das Chaos auf der Erde aus, vieles, was Verstand und Moral bisher verdeckten, bricht aus den Menschen hervor.

Zu schrecklichen Dingen fähig

„Hat der Mensch das Gefühl, betrogen worden zu sein, fühlt er sich hilflos und verloren, dann ist er zu schrecklichen Dingen fähig. Zu wissen, dass er sich stets Mühe gegeben hat und am Ende trotzdem leer ausgeht und mit schmerzendem Herzen zurückbleibt, kann einen dazu bringen, durchzudrehen“, schreibt Christoph. Es ist einer dieser Sätze, die ich mir in Büchern markiere, weil es immer wieder einmal Situationen gibt, in denen ich sie lese und sie mir etwas erklären. 

Das Schöne an einem Buch mit Kurzgeschichten ist ja, dass jede und jeder, der mit Horror etwas anfangen kann, für sich selbst eine solche Geschichte in diesem Buch findet. Eine, die erschreckt, erschüttert, berührt. Und eine, die er vielleicht irgendwann einmal als Creepypasta am Lagerfeuer oder im Internet weitererzählt.  

 

Die Rezension gibt es auch auf Youtube: 


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