Kultur / Rezensionen

17.10.2024

Die drei ??? und der telepathische Oktopus


Buchtipp: Christian Montillon alias Christoph Dittert - Chimera

von Christian Dolle

Stell dir eine Art Oktopus vor, der sich an deinem Kopf festsaugt und telepathisch in dein Gehirn eindringt, deine Gedanken manipulieren kann. Eine der schlimmsten Horrorvorstellungen überhaupt, oder? Was aber, wenn dieses Wesen dir in einer ausweglos erscheinenden Situation helfen, dein Leben retten will? Würdest du ihm vertrauen?

Beim Mordsharz-Festival in Goslar war unter anderem Christoph Dittert zu Gast, der zusammen mit Geräuschemacherin Simone Nowicki einen Fall der Drei ??? vorstellte. Am Ende der Lesung bzw. des Live-Hörspiels hielt er kurz sein aktuelles Buch „Chimera“ hoch. Da auch viele Erwachsene dort waren, wollte er zumindest erwähnen, dass er auch Bücher schreibt, die nicht in erster Linie für Kinder sind, sagte er in aller Bescheidenheit.

So ist Christoph Dittert. Bescheiden. Dabei ist er einer der Hauptautoren der Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“, immerhin die längste fortlaufende Erzählung der Literatur. Außerdem veröffentlicht er auch eigene Bücher aus diesem Genre, sein neuester Roman ist zunächst in drei Teilen, inzwischen auch als Gesamtwerk in einem Band erschienen. 

Absturz

„Chimera“ beginnt mit einer Reise durchs All, bei der die Besatzung eines Raumschiffs pflanzliches und tierisches Leben suchen und sammeln soll, um es dann auf der Erde teuer zu verkaufen. Als sie auf dem Mond eines fremden Planeten Leben orten, steuern sie diesen an und stürzen dann aber ab, das Schiff erleidet einen Totalschaden, nur ein kleiner Teil der Besatzung überlebt die Katastrophe.

Zum Glück aber auch der Überlebensexperte Ares, der an Bord zunächst von allen belächelt wurde, da die Raumfahrt ja ach so sicher ist, auf den sich jetzt aber alle stürzen, weil er ihre einzige Hoffnung hier zu sein scheint. Blöd nur, dass Ares gar kein echter Überlebensexperte, sondern ein Hochstapler ist, der absolut keine Ahnung hat, was er jetzt hier auf diesem kargen Mond anfangen soll. 

Auch überlebt hat die stellvertretende Kapitänin des Raumschiffs, auf die Ares heimlich steht, so dass er seine Tarnung beibehält und im Brustton der Überzeugung ansagt, was zu tun ist. Zu seiner eigenen Überraschung funktioniert das sogar. Sie richten sich in dem Wrack, so gut es geht, ein, rationieren Wasser und Nahrungsvorräte und schicken immer wieder Erkundungstrupps in die scheinbare Wüste. 

Bald schon entdecken sie eine Art Oase voller seltsamer Pflanzen, die aber bei ihrer ersten Erkundung eine halluzinogene Wirkung auf sie haben. Später entdeckte Ares inmitten dieser Oase dann ein Wesen, das er niemals für möglich gehalten hätte: eine Art Oktopus, der sich an seinem Kopf festsaugt und telepathisch mit ihm kommuniziert. 

Survival

Es ist zum einen sowohl eine Survival-Geschichte im Weltall und eine für Science-Fiction typische Erstbegegnung mit einer fremden Art, zum anderen die durchaus philosophische Frage, was mit mir passieren kann, wenn ich nicht mehr der alleinige Herrscher über meine Gedanken bin. 

Die wahre Kunst besteht aber darin, diese Geschichte mit einer Leichtigkeit zu erzählen, die zum Teil durchaus an die Drei ??? erinnert, vielleicht auch, weil Ares in seinem manchmal unbeholfenen Tatendrang ein entfernter Nachfahre von Peter Shaw sein könnte. Zwar schrieb Christoph den Roman unter seinem Pseudonym Christian Montillon, das er auch für Perry Rhodan nutzt, dennoch meine ich, einen für ihn typischen, sehr direkten und authentischen Schreibstil herauslesen zu können. 

Es ist eine locker erzählte Geschichte, die aber immer wieder in tiefe Fragen über das Wesen des Menschen, den freien Willen, Gut und Böse etc. abtaucht und dabei unfassbar spannend ist, weil nie klar ist, was als nächstes passiert. Dabei verzichtet Christoph auf all das, was an Science-Fiction oft nervt, also auf allzu komplexe Herrschaftsverhältnisse und seitenlange Erläuterung ihrer Entstehung, auf technische Ausführungen, denen ohnehin niemand folgen kann, der kein Raketenwissenschaftler ist, und vor allem auf Belehrungen, wie der Leser den Text gefälligst zu verstehen hat. 

Es ist ein Buch, das sich zu lesen lohnt – nicht nur für Fans der Drei ??? oder von Perry Rhodan, sondern für jeden, der Gedankenexperimente und spannende Geschichten mag.



 

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