Kultur / Rezensionen

02.08.2024

Wenn die Meere zu Wüsten werden


Manuel Schmitt warnt in "Die invasive Art" vorm Sterben der Ozeane

von Christian Dolle

Es ist schon schwer, über dieses Buch zu sprechen, ohne zu viel zu spoilern. Weil es irgendwie ist wie ein Tauchgang. Zuerst knapp unter der Oberfläche, wo alles lichtdurchflutet und realitätsnah ist, dann aber geht es in Tiefen hinab, die den Geist, die Vorstellungskraft herausfordern.

Es geht um „Die invasive Art“ von Manuel Schmitt, ein Science-Fiction-Öko-Thriller, der ein Szenario in einigen Jahrzehnten entwirft, in dem die Lebensbedingungen an Land zwar stabilisiert wurden, dafür aber die Meere nahezu ausgestorben und somit zu Wüsten geworden sind. Den Umgang mit der Katastrophe und deren Erforschung beschreibt das Buch aus verschiedenen Perspektiven, wobei die Geologin Mayari, die Biologin Svea und der Ingenieur Matt die Hauptprotagonisten sind. 

Die drei arbeiten gemeinsam auf einer Unterwasser-Forschungsstation und beobachten einen Schwarm Quallen, der sich höchst seltsam und allem Wissen über die Tiere widersprechend verhält. Was letztlich dahintersteckt, sprengt ihr wissenschaftliches Weltbild und gibt einige Rätsel auf, mit denen sie alle unterschiedlich umgehen. 

Gründliche Recherche

Mehr kann und will ich hier gar nicht andeuten. Daher erst einmal zum Autor: Manuel Schmitt ist vielen als Sgt Rumpel durch Let’s Plays und zahlreiche Projekte bekannt. Mit „Alendia“ schuf er gemeinsam mit seiner Community eine eigene Fantasywelt, mit „Godmode“ schrieb er im vergangenen Jahr einen bemerkenswerten Roman in einer Parallelwelt, in der Videospiele nie erfunden wurden. 

Im Nachwort zu diesem Roman erzählt Manuel, der inzwischen auf Gran Canaria lebt, dass er sich schon immer für das Meer begeisterte und für Greenpeace, die dieses vor Überfischung, Plastikmüll etc. retten wollten. Für die Szenen, in denen im Buch beispielsweise ein Wal geborgen wird, recherchierte er viel, so sagt er, der Umweltschutzgedanke ist ihm wichtig, doch alles, was später im Buch passiert ist natürlich Fantasie.
Es ist eine herausfordernde Fantasie, ein sehr klug aufgebautes Gedankenexperiment, eine Idee einer Zukunft, die aber auch viel über die Gegenwart aussagt. Manches ist durchaus philosophischer Natur, manches im Sinne des Klimawandels und unseres Umgangs mit diesem Planeten warnend, doch alles eben sehr lesenswert verpackt. 

Philosophische Gedanken

Oft hatte ich das Gefühl, mich von diesem Buch einfach treiben zu lassen, von der Faszination für Unterwasserwelten angesteckt zu werden, um dann aber plötzlich in einen tiefen Strudel gerissen zu werden. Ja, es ist kein actionreiches Buch, eher langsam erzählt und manchmal vielleicht sogar detailverliebt. Dafür aber packt es schließlich umso mehr, stößt so viele Gedankengänge an, dass es mich auch nach dem Ende noch lange beschäftigt hat und immer noch beschäftigt. Ein wenig wie der sprichwörtliche Stein, der ins Wasser fällt und auf der Oberfläche immer größere Kreise zieht. 

Ja, ich finde es wirklich schwierig, etwas über dieses Buch zu sagen. Es sind eben die Gedankenexperimente, die mich mitreißen und meine eigene Vorstellungskraft auf vielfältige Weise herausfordern. Das eingebettet in die Geschichte eines Forschungsprojekts, zu dem Manuel offenbar sehr gründlich recherchiert hat, begeistert mich auch immer bei einem Marc Elsberg, an dessen „Cesius“ ich beim Lesen denken musste, oder zum Beispiel auch bei Risto Isomäkis „Die Schmelze“ oder sogar an manche Ideen von Stanislaw Lem, der für mich noch immer der größte Science Fiction-Autor aller Zeiten ist. Ja, ich weiß, das ist ziemlich hoch gehängt.

Die Natur des Menschen

Zum Teil sind es aber auch einzelne Sätze, an denen ich hängenbleibe, was ich bei guten Büchern immer sehr schätze. Gleich am Anfang schreibt Manuel zum Beispiel: „Es liegt wohl in der Natur des Menschen, eine Gefahr erst dann als solche zu erkennen, wenn sie unmittelbar in das eigene Leben eingreift. Solange es nur die anderen betrifft, muss sich selbst eine globale Bedrohung dem Alltag unterordnen, denn nichts kann so in Anspruch nehmen wie die Routine des täglichen Lebens.“ Ja, das ist leider ebenso zynisch wie wahr. Und es ist auch der Grund, warum ich Literatur so wichtig finde, denn sie hat die Kraft, unsere Alltagsroutine zu durchbrechen und uns auf fantastische und unterhaltsame Weise auf größere Themen aufmerksam zu machen. 

 

Die Rezension gibt es auch auf Youtube:

 

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