Regionales / Gem. Bad Grund / Gittelde/Teichhütte

29.07.2017

Wer hat die Markau gestohlen?


Im 15. Jahrhundert wurde die Markau, die ursprünglich nach Münchehof floss, nach Gittelde umgeleitet, um den Betrieb für die Eisenverhüttung mit Wasserkraft zu versorgen

...von Herma Niemann

Wenn der Gittelder Bodo Biegling Bekannte in Münchehof besuche, werde er fast jedes Mal darauf scherzhaft angesprochen: „Ihr Gittelder habt uns ja damals die Markau gestohlen“, erzählt der Heimatchronist lachend. Auch nach über fünf Jahrhunderten scheint der Begriff der „gestohlenen Markau“ in den Köpfen der Menschen präsent zu sein.

Die Markau entspringt unterhalb des Winterberges bei Münchehof und bestimmt seit vielen Jahrhunderten das Ortsbild und das Geschehen von Gittelde. In Münchehof dagegen wird scherzhaft von der „gestohlenen Markau“ gesprochen, sagt Biegling, weil deren Verlauf in alten Zeiten durch Münchehof verlief und von den Gitteldern zwangsweise nach Gittelde umgeleitet wurde. 

Dazu gekommen ist es in der zweiten großen Bergbauzeit im Oberharz, die im 15. Jahrhundert begann. Zu der Zeit erlebte die Eisenverhüttung in Gittelde und Umgebung noch einmal eine große Blütezeit. Gefördert wurde dies insbesondere durch Herzogin Elisabeth mit Witwensitz auf der Stauffenburg und ihrem Großsohn Herzog Heinrich dem Jüngeren. Fremde Bergleute und Handwerker kamen aus anderen Bergbauregionen, außerdem wurden großzügige Bergfreiheiten erlassen. Man habe damals wirklich für heutige Begriffe den Harz als ein Steuerparadies bezeichnen können, so Biegling. Gittelde und Teichhütte waren mit das Zentrum der Harzer Eisenverhüttung und -vermarktung, hier hatten sich mehrere große und kleine Eisenhütten und Eisenschmieden niedergelassen. 

Zum Betrieb der Hochöfen, Maschinen, Wasserräder und Blasebälge wurde viel Wasserkraft mit einer aufwendigen Wasserbevorratung benötigt, die jedoch in Gittelde nicht ausreichend vorhanden war. Nach ihrem Ursprung im heutigen Weltwald, floss die Markau ursprünglich Richtung Münchehof, wo am Ziegenberg, oder Heinrichsberg, eine natürliche Wasserscheide zwischen Söse und Innerste war, die vor rund 500 Jahren durch einen rund 1200 Meter langen Graben überbrückt werden musste. Nur so konnte das gesamte Wasser der Markau Richtung Gittelde fließen.

An der Harzhochstrasse, zwischen dem Parkplatz Solligeshai und der Forststraße Solligeshai wurde die Fließrichtung der gesamten Markau nach Gittelde geändert. Gut sichtbar fließt deshalb die „neue Markau“ oberhalb des alten Bettes durch einen Erdwall geschützt bis zur Forststraße. Die Steigung entlang dieser Straße wird durch einen bis zu sechs Meter tiefen Graben überbrückt. Von hier fließt sie weiter unterhalb der Herren-Tannenwiesen, um an der Verbindungsstraße Gittelde- Münchehof in das alte Bachbett der ehemaligen Liese zu fließen, die in unmittelbarer Nähe ihre Quelle hat. Heute ist der Name Liese nur noch am Unterlauf der Markau zu finden, und zwar am Betriebsgelände der ehemaligen Firma Mende bis zur Einmündung in die Söse bei Eisdorf. 

Die erzwungene Umleitung der Markau durch Hacke und Spaten ist im Waldgebiet Solligeshai und der angrenzenden Feldmark noch gut sichtbar. Nicht mehr sichtbar dagegen ist das ursprüngliche Flußbett der alten Markau. Erst unterhalb des Ziegenberges entsteht ein neuer Bachlauf der alten Markau durch mehrere kleine Zuflüsse. In Münchehof nimmt sie den Griesebach und den Pandelbach auf. In der Nähe der Hammershäuser Mühle mündet sie in die Nette und später in die Innerste. 

In Gittelde speiste die neue Markau den seit 1456 bestehenden Herzoglichen Amtshüttenteich in einer Größe von 68 Morgen, der die Eisenhütte in Teichhütte ausreichend mit Wasser versorgen musste. Die großen Hüttenanlagen befanden sich auf dem Gelände der ehemaligen Firma Mende. Entlang der Markau siedelten sich in der Folgezeit weitere Betriebe, Mühlen und Sägewerke an, denen Wasserlegate oder Wasserrechte zugesprochen wurden, wie etwa die Klippmühle und Lohgerberei in Gittelde mit besonderen Privilegien.

Zur weiteren Nutzung des Teiches wurden außerdem Fischereirechte vergeben. Der Amtshüttenteich war zu der Zeit die größte Talsperre im Harz. Die Rechte an diesem Teich wurden dem Stauffenburger Burglehen zugeschlagen und gehörten später der Domäne Stauffenburg. Nach dem Niedergang der Hütten in Gittelde und Teichhütte wurde der Teich trockengelegt und von der Domäne Stauffenburg als Ackerland bewirtschaftet. Seit der Auflösung der Domäne bewirtschaften diese Flächen zwei Gittelder Landwirte. 

Der heutige Verlauf der Markau im Hütteteich zwischen Gittelde und Teichhütte ist künstlich und wird seitlich durch einen Damm gesichert. Über den ehemaligen Staudamm verläuft heute die Kreisstraße.

 


Der Verlauf der Markau in Gittelde in den 1930er Jahren

Die Baustelle der Markau-Verrohrung in Gittelde im Jahr 1972

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Am Parkplatz Solligeshai erfolgte im 15. Jahrhundert die Umleitung der Markau nach Gittelde

Der Durchbruch der Umleitung am Solligeshai-Weg

Über den ehemaligen Staudamm verläuft heute die Kreisstraße.

 

Anzeige