Kultur / Rezensionen

16.03.2023

Vom Algorithmus auserwählt


Rezension zu Marion Herzogs Dystopie „Algorytmica“

von Christian Dolle

In einer fernen Zukunft lebt die Menschheit in unterirdischen Bunkeranlagen, da die Erdoberfläche unbewohnbar ist. Als Ersatz für die Außenwelt gibt es zahlreiche virtuelle Welten, in denen alles möglich ist, während der analoge Körper jedoch in einem Tank am Leben erhalten wird. Soweit geht es den Menschen gut, nur ab und zu erinnern Stromausfälle sie an ihre Lebenswirklichkeit und daran, dass sie eben vollkommen von diesem System abhängig sind.

„Algorytmica“ von Marion Herzog könnte an Matrix oder an Metro 2033 erinnern, denn es gibt ja nun mal Elemente, die in Dystopien immer wieder vorkommen. Das stört dann nicht, wenn die Geschichte originell ist und auch die Welt, in der sie spielt, in sich schlüssig. Das ist bei Marion Herzog der Fall. Eine unterirdische Arche, so wird sie genannt, die das reale Leben durch ein digitalisiertes ersetzt, das ist so beschrieben, dass es durchaus Wirklichkeit werden könnte. 

Im Roman stellt sich vor allem die Frage, woher die Energie für all die virtuellen Welten und auch für die Arche kommt. Tatsächlich, die Ressourcen werden knapp, der Bunker ist überbevölkert, so dass die Regierung beschlossen hat, die Fortpflanzung ziemlich drastisch zu reglementieren. Nur einige vom System, also von Algorithmen Auserwählte dürfen in diesem Jahr Kinder bekommen, viele wollen natürlich dabei sein, diese Auswahl nach rein logischen Berechnungen wird als großes Medienereignis, ja fast als eine Art Castingshow inszeniert. 

Hauptfigur des Romans ist die Studentin Kaja, deren Vater als Programmierer im obersten Rat hohes Ansehen genießt, so dass sie von vielen als Favoritin für das Programm angesehen wird. Sie hingegen interessiert sich viel mehr für die Blackouts und beginnt, das System zu hinterfragen. Kann es etwa sein, dass diese Stromausfälle von Terroristen bewusst herbeigeführt werden?

Es entwickelt sich ein Thriller, zudem auch eine Liebesgeschichte, was einerseits spannend und mitreißend ist und andererseits eben die unterirdische Welt nach und nach immer mehr offenlegt. Dabei wird das Rad sicherlich nicht neu erfunden oder anders gesagt, so bahnbrechend neu und originell wie Metro oder Matrix kann das Buch natürlich nicht sein. Dennoch bleibt die Geschichte interessant und es gibt immer wieder Denkanstöße, die über die Fiktion hinausgehen und existenzielle Fragen in der Realität aufwerfen. 
Auf der einen Ebene ist es das Mitfiebern mit den Figuren, die wirklich ans Herz wachsen, und darüber hinaus immer wieder Überlegungen, was wir mit unserer Welt anstellen, was real passieren könnte, worauf es im Leben ankommt, was uns als Menschen ausmacht und und und. Das fesselt und ist eigentlich viel zu schnell vorbei. Zum Glück gibt es eine Fortsetzung, „Terra Nova“ heißt sie, die Geschichte geht also weiter. Gut so.

 

Diese Rezension gibt es auch zum Hören:

 

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