Kultur / Rezensionen

25.07.2017

Düstere Zeiten


Alex Beer wird bei Mordsharz aus „Der zweite Reiter“ lesen

...von Christian Dolle

Der Krieg ist vorbei, doch spürbarer denn je. Düster ist es im Wien des Jahres 1919, Hunger und Elend beherrschen die Stadt, Schmuggler ziehen aus der Armut der Menschen Profit und viele träumen vom Auswandern in eine bessere Welt. Auch der Polizist August Emmerich schlägt sich durch, bemüht sich, seine Lebensgefährtin und ihre zwei Kinder zu ernähren, während ihm eine Kriegsverletzung im Bein immer größere Schmerzen bereitet. Zwei Tote, anscheinend Selbstmorde, wecken jedoch seinen kriminalistischen Instinkt und führen ihn auf die Spur eines selbst in dieser Zeit erschreckenden Verbrechens.

Gerade die Kulisse Wiens nach dem Ersten Weltkrieg ist es, auf die Alex Beer in ihrem Roman „Der zweite Reiter“ großen Wert legt und die die Stimmung des Buches ausmacht. Dank ihres stimmigen und unverblümten Schreibstils entsteht von Beginn an ein klares Bild der Stadt und der Nachkriegszeit, die große Teile der vorherigen Ordnung auf den Kopf stellt.

„Manchmal sind die Guten in Wirklichkeit die Bösen und umgekehrt“, lässt sie einen ihrer Protagonisten lakonisch feststellen und trifft damit die eindringliche Atmosphäre ihres Krimis. Der beschreibt nämlich Prostituierte, die sich genug Geld für eine Reise nach Südamerika verdienen wollen und Kriegsveteranen, die sich jetzt mit der Schuld, die sie als Soldaten auf sich geladen haben, konfrontiert sehen.

Vor allem aber entwirft die Autorin mit August Emmerich einen Ermittler, der ein genauer Spiegel seiner Zeit ist. Auch er muss sehen, wie er satt wird, seine Schmerzen bekommt er nur mit dem neuen Medikament Heroin in den Griff und dann taucht auch noch der totgeglaubte Ehemann seiner Lebensgefährtin auf, so dass er obdachlos wird. Gegen all seinen Stolz muss er sich von seinem Assistenten Winter, ein junger Mann aus der besseren Gesellschaft, beherbergen lassen.

All das reicht im Grunde schon aus, um die Seiten zwischen den Buchdeckeln zu füllen. Doch „Der zweite Reiter“ wartet auch mit einem spannenden Fall auf, der von den Vierteln der besseren Gesellschaft bis in zweifelhafte Etablissements, ins Obdachlosenasyl und sogar in die Kanalisation führt. Dabei stehen Emmerich und Winter bald ganz allein da und werden schließlich selbst zur Zielscheibe des Täters. All das wird ebenso rasant wie plausibel erzählt und fügt sich wunderbar in die geschaffene Atmosphäre ein.

Es geht um Kriegsverbrechen, persönliches Leid und um Lebensweisen, die Menschen in Zeiten der Not annehmen müssen, weil ihnen gar nichts anderes übrig bleibt. All das präsentiert Alex Beer in atemberaubendem Tempo und dennoch in Bildern, die im Gedächtnis haften bleiben. Noch dazu schafft sie es, all dies mit feinem Humor zu durchziehen, der das Lesen zum Vergnügen und den Schrecken umso schrecklicher macht.

Nun ist „Der zweite Reiter“ nicht ihr erstes Buch, sondern nur das erste unter diesem Pseudonym. Die österreichische Autorin studierte Archäologie, zig dann aber nach New York, um dort im Verlagswesen zu arbeiten. Inzwischen lebt sie wieder in Wien, wo sie seit 2008 Kriminalromane schreibt. Mit dem neusten ist ihr auf jeden Fall ein Roman gelungen, der sich von vielen anderen des Genres positiv abhebt und eindeutig neugierig auf weitere Fälle mit August Emmerich macht.

Ob die geplant sind, wird auf jeden Fall beim Mordsharz-Festival gefragt werden. Dort ist Alex Beer nämlich am Freitag, 15. September, ab 18 Uhr in der Remise in Wernigerode zu Gast und wird auch das Harzer Publikum ins Nachkriegswien entführen.

Der Ticketvorverkauf hat inzwischen begonnen, Karten sind erhältlich bei der Goslar Marketing GmbH, bei der Wernigerode Tourismus GmbH und bei der Buchhandlung Moller in Bad Lauterberg. In diesem Jahr gibt es auch ein Festivalticket für alle Lesungen.

Alles weitere zum Programm des diesjährigen Mordsharz-Festivals vom 13. bis 16. September in Wernigerode, Goslar und Bad Lauterberg ist auf www.mordsharz-festival.de zu finden.

 

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