Kultur / Federkiel

22.12.2022

Böses Bärchen - Wen erwischt der Männerschnupfen?


von Christian Dolle

Als kleine weihnachtliche Überraschung gibt es heute eine neue Geschichte vom Bösen Bärchen. Sie ist vielleicht nicht feierlich, hat dafür aber mit einer lästigen Begleiterscheinung dieser Jahreszeit zu tun. Viel Spaß und allen Erkälteten gute Besserung!

 

 

Vor Weihnachten läuft die Zeit immer irgendwie schneller, finde ich. Es ist noch einmal besonders viel los, auch aus journalistischer Sicht. Daher hetzte auch ich mal wieder von Termin zu Termin, vieles davon draußen, weil alles mit Glühwein ja viel gemütlicher ist. Da ich ja aber immer noch fahren muss, machte ich meist meine Notizen, meine Fotos und fuhr dann ohne wärmenden Glühwein (den ich übrigens ebenso sehr mag wie Ananas auf Pizza) zum nächsten Termin.

So kam es, wie es kommen musste, kurz vor Weihnachten als der Stress endlich weniger und die Zeit wohl besinnlicher wurde, spürte ich erst ein Kratzen im Hals, dann eine verstopfte Nase und am nächsten Morgen kam ich kaum aus dem Bett, weil der Männerschnupfen mich fest in seinen eisigen Klauen hielt. Also verordnete ich mir selbst eine Zwangspause und Ruhe. So zumindest der Plan.

„Bist du noch gar nicht weg?“, fragte er verwundert als er mit einer Tüte Spekulatius und einer dampfenden Tasse Glühwein ins Wohnzimmer stapfte, wo ich auf dem Sofa lag und mir die Decke bis unter das Kinn gezogen hatte. In einem Anflug von Naivität dachte ich kurz, er wolle mir Frühstück ans Bett bringen, offenbar hatte ich wohl also auch Fieber. 

Natürlich wollte er die sturmfreie Bude nutzen und zocken, dass ich nun auf dem Computer Hörspiele auf Youtube hörte, passte ihm so gar nicht in den Kram. Dennoch sah ich nicht ein, wie sonst immer Zugeständnisse zu machen, so ein Männerschnupfen ist nun mal eine ernste Sache, damit darf man nicht spaßen. Also ging es mir diesmal ausnahmsweise mal um mich. 

„Willst du dich nicht lieber im Schlafzimmer ins Bett legen?“, fragte er mit plakativer Besorgnis in der Stimme, „Das ist doch auch viel gemütlicher für dich und da wirst du bestimmt viel schneller wieder gesund.“ Ja ja, die reine Sorge um mich, das pure Mitgefühl. „Doch, werd ich nachher“, gab ich zurück und fügte dann möglichst beiläufig hinzu: „Ich hatte nur noch keine Lust, den Computer hier ab- und da wieder aufzubauen.“ Das machte ihn tatsächlich sprachlos. 

Nachdem er mich etwa fünf Minuten in Ruhe gelassen hatte und ich nur ab und zu ein Klirren aus der Küche gehört hatte, stand er bald wieder vor mir. Nein, er hatte mir keinen heißen Tee gemacht, damit hatte ich aber auch nicht gerechnet. „Mir ist langweilig“, verkündete er und sah mich erwartungsvoll und fordernd an. „Okay“, räumte ich ein, „dann hol dir von mir aus meinen Laptop, dann kannst du darauf zocken.“

Er murrte über die schlechtere Grafik und überhaupt schlechte Leistung des Gerätes, zog dann aber von dannen und ich hörte ihn im Schlafzimmer herumpoltern. Schranktüren wurden aufgerissen und wieder zugeknallt, Schubladen durchwühlt und irgendetwas fiel auf den Boden und zerbrach dort mit einem lauten Scheppern. „Der Laptop ist in der schwarzen Tasche neben der Tür!“, rief ich kraftlos. Das Poltern verstummte. 

Zwischendurch nickte ich immer wieder kurz weg, einmal wachte ich auf, wollte ein neues Hörspiel anschalten und stellte fest, dass mein Monitor weg war. Ich fand ihn im Schlafzimmer wieder, auf meinem Bett stehend, an den Laptop angeschlossen. „Darauf sieht man einfach mehr“, erklärte er, „und wenn du eh bloß Hörspiele hörst, brauchst du ja keinen Monitor.“ 

Dann wurde ich immer wieder wach, weil er ins Zimmer kam, sich lautstark bemerkbar machte und mich dann fragte, ob wir noch Kekse haben oder ob ich auf eines der Kissen verzichten könne, er säße drüben so unbequem oder wie lange der Glühwein kochen müsse, bevor er fertig war. Nachdem er mit Keksen und Kissen versorgt war und ich die Sauerei in der Küche aufgewischt hatte, schlief ich umgehend wieder ein. 

Das nächste Mal wurde ich wach, weil er vorm Sofa stand und sich räusperte. Einmal, zweimal, dreimal. „Oh du bist ja wach“, stellte er fest als ich endlich die Augen aufschlug. „Was willst du?“, fragte ich brummelnd und hätte am liebsten einfach ein Kissen nach ihm geworfen, wenn ich denn nicht nur noch eins gehabt hätte. „Kannst du mal rüberkommen?“, verlangte er fordernd. „Nein, kann ich nicht. Was ist denn los?“ 

Er druckste noch ein wenig herum, mir war ja längst klar, dass er irgendetwas angestellt hatte und ich überlegte lange, ob ich es wirklich wissen wollte, ob es mir das wert war, ob meiner Gesundheit überhaupt zuträglich. „Jemand hat Cola über die Tastatur vom Laptop gekippt!“, erklärte er schließlich vorwurfsvoll. Jemand. Na klar. 

Meinen Computer überließ ich ihm jedenfalls nicht, denn sonst würde ich, sobald ich wieder gesund war, eine weitere Zwangspause einlegen müssen, um mir einen neuen zusammenstellen zu lassen. Als Selbstständiger ist so ein Ausfall ja ohnehin schon blöd genug, wenn natürlich auch längst nicht so tragisch wie die Not, dass er nun nicht zocken konnte. Das jedenfalls machte er mir wortreich klar, doch ich drehte mich einfach auf die andere Seite. 

Eine Woche später war ich wieder gesund, hatte den Männerschnupfen wie durch ein Wunder knapp überlebt, dafür hustete und nieste er jetzt durch die Gegend. Und ich war dazu verdammt, ihm Tee mit viel Honig ans Bett zu bringen, seine Kissen fortwährend aufzuschütteln, ihm sein Kuscheltier zu holen oder wahlweise Taschentücher oder Hustenbonbons und ihm etwas vorzulesen. Ja, vorzulesen, denn der Laptop war immer noch kaputt und irgendwie hatte jemand es dann doch noch geschafft, auch die Tastatur des Computers mit Cola zu fluten. Jemand.

Die Geschichte gibt es auch zum Hören:

 

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