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15.10.2022

Zwischen Sanitätsdienst, Sport und viel Olympischen Flair


Harald Probst, Richard Ulbrich, Uwe Weiß, Karin Bock und Heiko de Vries erinnern sich an ihren Sanitätseinsatz bei den Olympischen Spielen in München vor 50 Jahren

Karin Bock, Harald Probst, Heiko de Vries, Uwe Weiß und Richard Ulbrich waren vor 50 Jahren im Sanitätsdienst bei den Olympischen Spielen dabei

...von Herma Niemann

Gittelde/Lasfelde Die aufgeschlossenen Menschen, das Kulturangebot und der ganz besondere Olympiaflair, diese Dinge sind Karin Bock (damals Sydekum), Harald Probst, Heiko de Vries, Uwe Weiß und Richard Ulbrich auch heute noch sehr gut in Erinnerung.

Die fünf (von der DLRG-Ortsgruppe Gittelde und vom DRK) waren vor 50 Jahren als Sanitätsbetreuung der Gruppen von „Jugend trainiert für Olympia“ bei den Olympischen Spielen in München dabei. Von der DLRG Ortsgruppe Walkenried waren ebenfalls Irene Hosang und Bernd Koch zur Sanitätsbetreuung vor Ort. Insgesamt waren 18 Sanitätsgruppen aus ganz Deutschland, aber auch zahlreiche ausländische in München.

Aufgrund der Initiative von Maria und Folkhardt Gladow (Gründer der DLRG Gruppe Gittelde im Jahr 1959) war es den Teilnehmern möglich, vier Wochen (vom 18. August bis 14. September) zu den Olympischen Spielen im Jahr 1972 und zuvor für zwei Wochen auf einen Vorbereitungslehrgang in Heisterberg (Hessen) von ihren Arbeitgebern freigestellt zu werden. Da alle damals Rettungsschwimmer waren, hatten sie auch einen Sanitätslehrgang in der Tasche. Durch Gladows Hilfe bei der Ausschreibung sei es auch überhaupt erst möglich geworden, diese begehrten Plätze zu bekommen. „Wir waren stolz, dass wir dabei sein durften“, sagt Uwe Weiß, denn immerhin sei man damals ja eine kleine Ortsgruppe und das erste Mal in einer großen Stadt gewesen.

Wie die Fünf, die damals im Alter zwischen 17 und 28 Jahren waren, in einem Gespräch mit unserer Zeitung berichten, waren sie in einer Schule in Sendling untergebracht, wo sie das Arztzimmer bezogen. Dort in der Schule waren ebenfalls die Gruppen von „Jugend trainiert für Olympia“ untergebracht. 50 Jahre sind eine lange Zeit, stellten die damaligen Teilnehmer im Gespräch fest. Aber beim Blättern durch die alten Fotoalben kamen die Erinnerungen schnell wieder. Jeder hatte Zwölf-Stunden-Dienste zu leisten. Und meistens seien es auch nicht ganz so schlimme Sportverletzungen und Wunden gewesen. Nur einmal habe man bei einer größeren Kopfwunde einen Rettungswagen rufen müssen, berichtet Karin Bock. Aber natürlich hatten sie auch Zeit zur freien Verfügung. Im Übrigen sagt Uwe Weiß noch, dass alle fünf damals vom Gittelder Rat ein für damalige Verhältnisse großzügiges Taschengeld für die Reise bekommen haben.

Vor Ort in München erhielt jeder nicht nur eine Freikarte über den gesamten Zeitraum für die U-Bahn, sondern auch ganz viele Eintrittskarten kostenlos, sodass man an den Trainings und den Wettkämpfen teilhaben konnte. Auch die vielen kulturellen Veranstaltungen, wie Theaterstücke, das Musical „Hair“ (das in München damals uraufgeführt wurde), die Konzerte und mit der Jugend aus der ganzen Welt gemeinsam zu feiern, haben die Fünf nicht vergessen. Als etwas ganz Besonderes beschrieben sie die extra aufgeschüttete Spielstraße mit Strand, wo es zahlreiche Stände und ganz viel Live-Musik gab. Hier und da sei man natürlich im Olympischen Dorf auch auf Autogramm-Jagd gewesen. Karin Bock konnte unter anderem ein Autogramm von dem Fußballspieler und -trainer Jupp Derwall und Heiko de Vries eins von der russischen Gewichtheber-Ikone Wassili Iwanowitsch Alexejew ergattern. „Damals waren die Sportler noch nicht so abgeschirmt wie heute“, erinnert sich Richard Ulbrich. Gesehen hätten sie aus der Ferne auch eine Hostess aus Schweden. Diese wurde dann die spätere Königin Silvia von Schweden.

Dennoch ist ihnen auch das Attentat vom 5. September in Erinnerung. Das Attentat war ein Anschlag der palästinensischen Terrororganisation „Schwarzer September“ auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen. Der Terrorakt begann am frühen Morgen mit dem Überfall auf das israelische Wohnquartier im Olympischen Dorf, bei dem zwei Sportler ermordet und neun weitere als Geiseln genommen wurden. Nach ergebnislosen Verhandlungen endete der Anschlag in der Nacht zum 6. September mit einem misslungenen Befreiungsversuch auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck. Dabei wurden alle neun israelischen Geiseln, ein Polizist sowie fünf der acht Geiselnehmer getötet. „Das hat uns alle sehr getroffen“, sagt Harald Probst „die Spiele waren ein freudiges Ereignis, es herrschte ein gutes Miteinander. Hinterher war nichts mehr, wie es vorher war“. Bei der Rückkehr am Nordbahnhof in Gittelde, sei ihnen dann sprichwörtlich „ein großer Bahnhof“ bereitet worden. Einwohner, Ratsmitglieder und der damalige Bürgermeister hätten sie herzlich willkommen geheißen.

Das Attentat vom 5. September 1972 wurde nie juristisch aufgearbeitet, da die drei überlebenden Terroristen schon wenige Wochen nach der Tat durch die Entführung des Lufthansa-Fluges 615 aus deutscher Haft freigepresst wurden. Als unmittelbare Reaktion auf das Versagen der bayerischen Polizei wurde die deutsche Antiterroreinheit GSG 9 gegründet. Als humanitäre Geste zahlte Deutschland 1972 und 2002 rund 4,6 Millionen Euro an die Familien der ermordeten Israelis. Im Jahr 2022 erkannte die Bundesrepublik offiziell ihre Verantwortung für den mangelhaften Schutz der Sportler und die schlecht geplante Befreiungsaktion an und sprach den Hinterbliebenen eine Entschädigungssumme in Höhe von 28 Mio. Euro zu. (Quelle Wikipedia)


Ein altes Bild der Truppe aus dem Jahr 1972

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Karin Bock hat noch viele alte Eintrittskarten in ihrem Fotoalbum aufgehoben

 

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