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17.07.2017

Die Geheimnisse der Steinkirche


Einst Rastplatz für Rentierjäger, dann Kirche, doch einige Fragen bleiben offen

von Christian Dolle 

Viele Sagen ranken sich um die Steinkirche in Scharzfeld. Den einen gilt sie als heidnischer Kultplatz, den anderen als Opferstätte. Der Missionar Bonifatius soll sie allein aus dem Fels geschlagen haben, andererseits wird ein Bezug zur Himmelsscheibe von Nebra vermutet und sogar das Einhorn aus der nicht weit entfernt gelegenen Einhornhöhle spielt in den Legenden eine Rolle.

Als gesichert gilt, dass die Klufthöhle im Dolomitgestein in der Steinzeit Rentierjägern als Rastplatz diente. Zwischen 15000 und 8000 vor Christus soll das gewesen sein, belegen Klingen- und Knochenfunde einer Ausgrabung aus den Jahren 1925 bis 1928. Im frühen Mittelalter wurde die Höhle zu einer Kirche. Die aus dem Fels geschlagene Kanzel und die aus dem Stein gehauene Altarnische zeugen bis heute davon und machen die Steinkirche damit zum ältesten Gotteshaus im Harz.

Genaueres hierzu ist allerdings nicht bekannt, denn ab dem 16. Jahrhundert geriet die Steinkirche – bisher ebenso ungeklärt – in Vergessenheit und wurde urkundlich nicht mehr erwähnt. Vielleicht sollte sie an das Felsengrab Jesu vor den Toren Jerusalems erinnern, so eine Vermutung. Das würde auch den Fund von etwa 100 Gräbern auf dem Vorplatz erklären, die im Zuge der Ausgrabungen entdeckt wurden.

Graben und umwühlen

Verantwortlich dafür war Karl-Hermann Jacob-Friesen, der Begründer des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen, der als einer der bedeutendsten deutschen Archäologen gilt und sich auch intensiv mit der Erforschung der Einhornhöhle befasste. Allerdings brach er seine Ausgrabungen an der Steinkirche Ende der 20er Jahre ab und hoffte auf eine spätere Fortsetzung der Arbeiten mit besseren Untersuchungsmethoden.

Diese späteren Ausgrabungen gab es dann aber von den Nationalsozialisten, die sich die Steinkirche vornahmen, weil sie hofften, hier Belege für eine germanische Kultstätte zu finden, die so wunderbar in ihre Ideologie gepasst hätte. Ihr Vorgehen wird in der Literatur häufig nicht als Grabung, sondern als „Umwühlen“ beschrieben, wodurch viele Spuren verloren gingen. Sogar Reichshauptführer SS Heinrich Himmler besuchte die Steinkirche in dieser Zeit, doch der Beweis für ein altgermanisches Heiligtum blieb aus.

Während die archäologische Fundstelle für viele Wissenschaftler danach als zerstört galt, festigte sich für andere ihr Ruf als neuheidnischer oder leider auch rassistischer Kultort, der bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Damit ist sie auch ein Beispiel dafür, welch langfristige negative Folgen Wissenschaft unter ideologischen Gesichtspunkten haben kann. Ganz neutral betrachtet ist die Steinkirche allerdings ein außergewöhnliches Kulturdenkmal am Karstwanderweg, deren Besuch sich in jedem Falle lohnt.

Felsen und Fabelwesen

Die Höhle ist etwa 28 Meter lang und 6 bis 8 Meter breit und hoch. In ihrem Inneren findet sich neben den in den Stein geschlagenen Kanzel und Altar ein Spalt an der Höhlendecke, durch den schummriges Licht eindringt sowie am Boden die Öffnung eines sehr tiefen Schachts, der bis heute weitgehend unerforscht ist. Allein der Weg hinauf entlang der charakteristischen Felsen und hoch über der Bundesstraße 243 ist die kleine Wanderung wert.

Ein Einhorn galoppiert hier vermutlich nicht vorbei, auch wenn einige der toten Bäume am Wegrand die Vermutung nahelegen, dass sich hier durchaus Fabelwesen entdecken lassen. All ihre Geheimnisse wird die Steinkirche wohl niemals verraten.






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