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08.07.2017

Großer Architekt des 19. Jahrhunderts kam aus Windhausen


Das denkmalgeschützte Herrenhaus, Orths Geburtshaus, ist marode und aus Sicherheitsgründen nicht mehr betretbar. Eine Sanierung scheint aussichtslos, da enorme Kosten anfallen würden

August Orth war ein bekannter Berliner Architekt. Seine Windhausener Wurzeln hat er jedoch bis zu seinem Tod im Jahr 1901 nie vergessen.

...von Herma Niemann

Villen, Kirchen, Straßenüberführungen und Bahnhöfe. August Friedrich Wilhelm Orth war ein großer deutscher Architekt, den heute wohl nicht mehr viele kennen, und der seine Liebe zur Heimat nie aufgegeben hat. Geboren wurde Orth am 25. Juli 1828 in Windhausen, wo nach ihm ist ein Stichweg benannt und an seinem Geburtshaus an der Oberen Harzstraße, dem ehemaligen Herrenhaus des Ritterguts aus dem Jahr 1650, eine Erinnerungstafel befestigt ist.

In einem Gespräch mit unserer Zeitung berichtet der Ortschronist Manfred Keinert über den Berliner Architekten, dessen Arbeit vom Historismus geprägt war. Der Ausdruck Historismus bezeichnet in der Stilgeschichte ein im 19. Jahrhundert verbreitetes Phänomen, bei dem man vor allem in der Architektur auf ältere Stilrichtungen zurückgriff und diese teilweise kombinierte.

Sein Vater Otto Ulrich Orth aus Braunschweig war Landwirt und hatte das Rittergut gepachtet. In seiner Kindheit siedelte Orth mit seiner Familie nach Korbach im Fürstentum Waldeck, wo er später das Gymnasium besuchte. 1848 begann er das Studium der Architektur an der TH Braunschweig, parallel zum Besuch der Malerakademie. 1850 wechselte er an die Berliner Bauakademie.

Durch erfolgreiche Teilnahme an Wettbewerben versuchte er, sich als Architekt zu etablieren. 1858 legte er das Baumeisterexamen ab. Von seinen Arbeiten, wie Stationsbauten für die Bergisch Märkische Eisenbahn, Villen und Straßenüberführungen ist jedoch heute nicht viel geblieben, denn die meisten seiner Werke fielen dem 2. Weltkrieg zum Opfer. Mehr als 30 Kirchen entwarf Orth, davon sechs in Berlin und sogar eine in Bethlehem/Palistina. Zu seinen Arbeiten gehört auch der Entwurf zur Bebauung der Museumsinsel, der jedoch später von anderen auf seinen Grundlagen ausgeführt wurde. Heute zählt die Museumsinsel, die nördliche Spitze der Spreeinsel in der historischen Mitte von Berlin, zum UNESCO-Welterbe. Erwähnt werden müssen auch die städtebaulichen Konzepte Orths, wie der Bebauungsplan für Straßburg und sein Plan zur Anlage der Berliner Stadtbahn, auf deren Grundlage schlussendlich von anderen Bauherren das moderne Berlin entstand.

Auch wenn Orth im Alter von sechs Jahren Windhausen verließ, habe er seinen Geburtsort nie vergessen, so Keinert. Orth hat seine Erinnerungen in einer Niederschrift „Meine Jugend“ festgehalten. Darin schrieb er, dass er das alte, wenig veränderte Gutshaus sofort wiedererkannt habe als er im Jahr 1899 bei einem Besuch von Hahnenklee aus sein inzwischen verlassenes Geburtshaus aufsuchte. Beim Betreten der oberen Stockwerke, seien ihm zahlreiche Kindheitserinnerungen ins Gedächtnis gekommen, wie auch, dass die angehenden Landwirte, die sein Vater ausbildete, ihm das Windbüchsen-Schießen lehrten, wie er schreibt. Auch erinnerte sich Orth daran, dass er mit seinem ältesten Bruder im Jahr 1834, kurz vor dem Weggang aus Windhausen, im Hof mit den anderen Dorfkindern Ball gespielt habe. Drei Jahre später, beim ersten Besuch in der alten Heimat, hätten ehemalige Spielkameraden am Ostersonnabend Fackeln gebracht, mit denen man zum Osterfeuer auf den Berg gezogen sei, von wo man ringsum 20 Osterfeuer leuchten gesehen habe. Keinert meint, dass es sich bei dem Berg nur um den Windhausener Eschenberg handeln könnte.

Orth beschreibt, wie man um das Feuer getanzt und die Fackeln später im Bach Schlungwasser gelöscht habe. „Für uns Jungen war dabei das Hauptvergnügen, die Dorfschönheiten auf der Brücke nass gesplentert zu haben“, wie Orth es beschrieb. Was ihn bei seinem letzten Besuch in Windhausen kurz vor seinem Tod im Jahr 1901 besonders erfreute, war, dass nicht nur die Osterfeuer noch gefeiert sondern dass auch die Fackeln immer noch in gleicher Weise im Schlungwasser gelöscht würden. Besondere Würdigung erfährt der Architekt, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 189. Mal jährt, gerade in Halbe/Brandenburg. Dort hat sich der gebürtige Neuseeländer Peter Macky, der ein Faible für europäische Traditionsbauten hat, dazu entschlossen, das verlassene Bahnhofsgebäude, das Orth als prachtvolles Empfangsgebäude für die preußischen Könige und späteren Kaiser realisiert hatte und seit 1994 nicht mehr genutzt wird, zu restaurieren. „Ich habe den Kaiserbahnhof gekauft, weil ich es nicht sehen konnte, wie er verfällt“, so Macky „dieses von August Orth entworfene Gebäude mit Hohenzollern-Stammbaum muss unbedingt erhalten bleiben“.


Manfred Keinert begann in den 1990er Jahren mit der Recherche um den Architekten August Orth, der 1828 in Windhausen geboren wurde

August Orth war Sohn des Pächters des Ritterguts an der Oberen Harzstraße in Windhausen. Ein Schild weist auf den Berliner Architekten hin, der zahlreiche Kirchen, Villen und Bahnhöfe entworfen hat.

 

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