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11.06.2022

Was bedeutete Corona für die Schausteller in Förste


Schausteller Conny, Schützenmeister Henning Töllner, Schützenschreiber Andreas 'Pingel' Weitemeyer, Platzmeister Guido und Schaffer Felix Schmidt sahen der Eröffnung des Jahrmarktes in Förste sehr positiv entgegen

...von Petra Bordfeld

Die einen haben schier unzählige Hofflohmärkte gemacht, die anderen festgestellt, wie groß ihr Grundstück ist und wie das Haus von außen aussieht.  Wieder andere stellten wirklich erstaunt fest, dass die Allee-Bäume tatsächlich Blätter haben. Die Rede ist von einigen Schaustellern, die nach Corona erstmals wieder den Festplatz in Förste zu einem Jahrmarkt verwandelte hatten, der viele Besucher angezogen hat.

Guido, der das Amt des Platzmeisters aus den Händen seines Vaters übernommen hat, durfte sogar eine ungewöhnliche Premiere feiern. Denn er hatte 2019 in ein neues Kinderkarussell investiert, das nach einem kurzen Gastspiel auf einem Weihnachtsmarkt für zwei Jahre eingemottet werden musste. Hier in Förste war im Prinzip die Premiere des Karussells.

Connys „Berg- und Talbahn“ ist im Prinzip der Dauerbrenner - und das nicht nur in Förste. Doch auch er musste bei ihr die Standbremse aktivieren. Doch sie alle, die bereits seit mindestens 20 Jahren einmal im Jahr in Förste Halt auf dem Platz zu machen, der sich bereits seit 45 Jahren zum Rummel verwandelt, sahen in diesem Berufsverbot nicht einen Grund dafür, die Schaustellerflinte ins Korn zu werfen. „Wenn man nicht faul ist und bisschen was im Kopf hat, kann man Geld verdienen“, darin waren sie sich einig.

So legten sie nicht die Füße hoch und schimpften auf diesen Virus, der die ganze Welt in Atem hielt und noch immer nicht weiter gezogen ist. Vielmehr haben sie sich Arbeiten zugewandt, die sie sonst nicht schaffen. „Schlimm“ war für sie das zu Hause bleiben, auch wenn es den überraschen Vorteil von Baumplanzungen und das in die Erde bringen von Blumen und sogar das Unkraut jäten mit sich brachte.

Markus, der weder ein Berufsangler noch ein Hobbyist ist, sondern ein Fachmann im Bereich „Fischköstlichkeiten“, traf Corona nicht minder hart. „Denn auf uns Schausteller haben sie auf den Wochenmärkten sicherlich nicht gewartet“. Also machte er sich mit Frau und Kindern für insgesamt zwölf Monate den Weg, um Schmalzbrote und Crêpes zu verkaufen.

Alexa und Vater Hansi Ahrend, die aus Münchehof unter anderem mit dem „Entenangeln“-Spiel gekommen waren, hoben einen Flohmarkt aus der Taufe, der an Wochenenden öffnete. Die Nachbarn bekamen Wind davor und sorgten mittels Mund zu Mund Propaganda dafür, dass auch Interessenten aus Förste und Nienstedt gekommen sind. Weihnachtsmärkte auf dem Hof luden ebenso zum Verweilen ein.

Conny mottete seine Bahn ein und schickte seine vier Arbeiter, die ihm seit zehn Jahren zuverlässig zur Seite standen, erst einmal nach Hause, ohne jedoch den Kontakt einschlafen zu lassen. Denn er wollte die vier ja auch wieder einstellen, was die beiden Deutschen und die beiden Rumänen beim neuen Start auch gerne gemacht haben. 

Er musste aber auch, bis auf ein Auto, alles aus Kostengründen abmelden. Um nicht nur zu Hause zu sein hat er sich auf den Weg gemacht, und an verschiedenen Plätzen gebrannte Mandeln verkauft und baute endlich eine Halle fertig, die schon etwas länger auf diese Fertigstellung gewartet hatte. Dabei fiel ihm ein, dass er noch den Führerschein der Klasse 1 hatte. Also musste ein Motorrad her. Als er sich mit seiner Frau auf diesen fahrbaren Untersatz auf den Weg durch den ganzen Harz machte, kam er nicht aus dem Staunen heraus. Während seiner gesamten Schaustellerzeit hat er nämlich nicht mitbekommen, wie schön diese Landschaft ist. „Die Fahrten von Jahrmarkt zu Jahrmarkt ließen einfach keine Zeit zum Landschaft genießen“. 

Auf E-Bikes stiegen Guido und Markus um, und haben dabei ebenso Ecken kennen gelernt, von denen sie gar nicht gewusst hatten, dass sie existierten. Der Zustand, kein Geld zu verdienen sollte keine Chance erhalten, zum Alptraum zu werden. 

Auch habe der Staat ihnen sehr geholfen, darin waren sich alle einig.  „Er wollte die Betriebe bestimmt nicht verhungern lassen“. So erhielten sie Überbrückungshilfen, die allerdings nicht als private Ausgaben genutzt werden durften. Da sie nun auch Geld zum Leben brauchten, konnten sie sich auf Hartz IV verlassen. Und die Krankenkasse hat der Staat ebenso bezahlt. 

Da die Schausteller aber immer mit vielen Menschen zusammen sind, sehnten sie sich nach einem Neustart. Nicht selten ist die eine oder andere Träne gerollt, wenn an die Zeit vor Corona gedacht wurde. Als dann im Sommer 2021 anscheinend wieder neu durchgestartet werden konnte, rollten auch Freudentränen, die allerdings nicht lange anhielten, sondern aufgrund des nächsten Lockdown vertrockneten. „Irgendwie wurden uns wieder die Beine unterm Arsch weggerissen“. 

Mit dem April des Jahres 2022 ging die Jahrmarktsonne langsam wieder los und bislang ist sie ja auch geblieben. Conny verriet aber, dass man Sorge hatte, dass sich die Besucher/innen über die Erhöhung der Preise aufregen könnten. Diese Sorge sei aber auch in Förste völlig unbegründet gewesen. Denn Pfingsten sind große Scharen gekommen, die sich endlich mal wieder gelassen vergnügen wollten. Alle hatten Verständnis dafür, weil ja nichts preiswerter geworden ist oder den Preis gehalten hat. 

Übrigens hat das Schütt'nhoff-Offizium und ein Planungsteam schon im Januar Kontakt mit Guido gesucht, um mit ihm den Jahrmarkt zu planen. Frei nach dem Motto „Die Hoffnung ist das letzte, was stirbt“ wurde alles geplant und sollte Pfingsten dann auch genauso über die Bühne gehen. Denn, je länger das Jahr voranging, umso ruhiger wurden alle. Letztendlich auch aus dem Grund, weil die Stadt und Ortsbürgermeister Harald Dix hinter ihnen standen.

Jetzt in Förste, was für alle Schausteller ein „Reha Zentrum“ ist, ging auch ein großer Wunsch in Erfüllung: endlich auf normalen Niveau Geld zu verdienen“. Nun sind sie alle längst mit dem Satz „Tschö in 2023 in Förste“ getrennt weitergezogen. Denn Pfingsten des kommenden Jahres wird sich die Schausteller-Familien wieder einfinden.

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Hans und seine Enten wurden nicht erst während des Jahrmarktes von Kindern erstürmt

Beim Aufbau der Berg- und Tal-Bahn muss viel Zeit und noch mehr Geschick eingesetzt werden


Auch bei der Kinderkarussell Premiere in Förste musste alles stimmen

Markus (re) und seine Familie freuen sich, dass der Fischwagen wieder rollen darf. Und die beiden Schaffer wollten gleich mal kosten

 

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