Kultur / Rezensionen

11.05.2022

Erzählerische Kraft in Musik verpackt


Auf „Invoke The Ghosts“ von Melanie Mau und Martin Schnella lohnt es, jedem Song zuzuhören

von Christian Dolle

Es gibt Musik zum Feiern, Musik für melancholische Stunden und es gibt Musik, bei der man unbedingt zuhören sollte. Zu letzterer gehört eindeutig das neue Album von Melanie Mau und Martin Schnella „Invoke The Ghosts“. Es sind zehn Songs, die Geschichten erzählen, Geschichten, die völlig unterschiedlich sind, teils auf deutsch, teils auf englisch.

„In der Nacht – Kind gib fein acht“, so beginnt der erste Titel, der vom Babadook erzählt und dementsprechend eigentlich eine Gruselgeschichte ist. Dazu passt dann der zweite Song „The Beast Is Lurking“, in dem es um die verschiedenen Stimmen in unserem Kopf geht, die uns auf die eine oder die andere Seite ziehen können. Gerade diese eher düsteren Stücke leben von Mellis klarer, heller Stimme, die für das Gruselgenre eigentlich untypisch ist. 

Ebenso erwarten viele bei Musik, die auch Soundtrack eines Horrorfilms sein könnte, vermutlich tief gestimmte Gitarren, Schlagzeug und womöglich noch unterlegte Sounds, die wie düstere Nebel durch die Musik wabern. Das gibt es bei einer Band, die sich der akustischen Musik verschrieben hat natürlich nicht. Sie machen ihren Sound noch von Hand und beweisen dabei aber eben auch ein gutes Händchen. 

Musikalisch vielschichtig 

Die von Martin geschriebene Musik ist wie gewohnt vielschichtig, verspielt manchmal, immer auf den Punkt, um das Gefühl zu erzeugen, das die Geschichte braucht, um die entsprechenden Emotionen zu wecken. Besonders fällt das im dritten Song „“Soulmate“ auf, wo die Atmosphäre komplett wechselt, alles gefühlt hell und sonnendurchflutet wird, beinahe an saftige irische Wiesen erinnert. Zu letzterem tragen auch die Pipes von Jens Kommnick bei, der die Stammbesetzung aus Melli, Martin, Mathias Ruck, Lars Lehmann und Simon Schröder erweitert, genau wie in einigen Songs auch Siobhan Kennedy und Steve Unruh. 

„Where's my name“ führt dann in den mittleren Osten, wo jungen Frauen mit ihrem Namen sozusagen auch ihre Persönlichkeit genommen wird. Definitiv einer der schwersten Songs des Albums, weil die Geschichte dahinter ebenso traurig wie eben auch auf wahren Begebenheiten basierend ist. Wie gesagt, es ist Musik, bei der es sich lohnt, zuzuhören und sich mit den Texten zu befassen. 
Bemerkenswert hier sind die orientalisch anmutenden Klänge, die wieder einmal etwas völlig Neues bieten, trotzdem typisch für Melli und Martin sind und dennoch klingen als hätten sie nie etwas anderes gespielt. Gleiches gilt auch für „Calypso“, das von „abandoned shipwrecks, chambers filled with gold“ und „untold legends 'bout sailors and lords“ erzählt oder später für „Das Goldene Königreich“, das am mittelalterlichen englischen Königshof mit all seinen Intrigen spielt. 

Acoustic Metal

Jeder einzelne Song widmet sich voll der Geschichte, die er erzählen will und untermalt sie mit Musik, die es vermag, vor dem inneren Auge Bilder zu malen, Gefühle zu verstärken und damit so viel tiefer gehen als allein die Worte. Dass alles musikalisch dennoch zusammen passt und wie aus einem Guss klingt, zeigt sich vor allem auf der Bonus-CD mit einigen Instrumental-Versionen, die ganz deutlich zeigen, dass Melli und Martin sich mit ihren Mitmusikern einen ganz eigenen und unverkennbaren Stil erarbeitet haben, den sie selbst mal als „Acoustic Metal“ beschrieben haben. 

Einige Songs von „Invoke The Ghosts“ wurden hier nun noch nicht erwähnt. Das liegt zum einen daran, dass es langweilig wäre, jeden einzelnen Titel durchzugehen und sozusagen abzuarbeiten, zum anderen ist es nun mal ein Album, das jeder Hörer für sich selbst entdecken muss. Jeden wird die eine Geschichte mehr ansprechen als die andere, manche entfalten ihre Erzählkraft auch erst bei mehrmaligem Hören. Bei mir, der ich nun mal aus der schreibenden Zunft komme, ist es definitiv so, dass ich die Musik nicht bis ins letzte Detail analysieren kann, sondern mich einfach nur gerne von ihr forttragen lasse. Die Texte hingegen verfangen bei mir umso mehr, wecken in einigen Fällen den Wunsch, mich hinzusetzen und die Geschichte fortzuschreiben, mich auf jeden Fall näher damit zu befassen. 

Die CD kann käuflich auf der Homepage der Band erworben werden.

Die digitale Version als Download gibt es bei Bandcamp.

In Osterode selbst bekommt man ist die CD auch in Musikhaus Funke.

Ein paar Hör- und Sehproben gibt es auf YouTube:



 

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