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06.05.2022

Mystische Burgen und ein Friedhof für Cholera-Tote


Der Hof der Burg Vienenburg

Der private „Wanderklub mit ohne Stempel“ war auf den Pfaden des ILE-Wanderweges unterwegs

von Herma Niemann

Gittelde/Goslar. ILE, diese Abkürzung steht nicht nur für Integrierte Ländliche Entwicklung und ist ein Förderinstrument der Bundesländer und der Europäischen Union. ILE, das steht aber auch für jede Menge Wanderspaß im Nördlichen Harzvorland. Und da der private „Wanderklub mit ohne Stempel“ (WK MOS) um den Gittelder Harald Hartje vom Wandern nicht genug bekommt, war die wanderfreudige Truppe im März auf den Pfaden dieses Freizeitstempel-Passes unterwegs.

Eine Tour führte über ungefähr acht Kilometer von Vienenburg nach Schladen-Werla. Für alle Teilnehmer sei dies erst einmal unbekanntes Terrain gewesen, so Hartje. Doch schon nach rund zehn Minuten habe man die erste Stempelstelle am Rosarium am Vienenburger See erreicht. Im Anschluss erreichte man die Burg Vienenburg. Die Burg war eine mittelalterliche Ringburg und wurde um 1300 als Borch op de Fiene errichtet. 1367 wurde sie an  Bischof Gerhard verkauft und 1523 kam sie an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Von 1643 bis 1802 gehörte sie zum Hochstift Hildesheim. Im gleichen Jahr wurde die Vienenburg in eine preußische Domäne umgewandelt. Seit 1963 ist die Vienenburg in Privatbesitz mit wechselnden Eigentümern und Nutzungen.

Die dritte Stempelstelle an dem Tag sollte dann eigentlich am Klostergut Wöltingerode sein. Jedoch sei an diesem Tag dort eine Veranstaltung durchgeführt worden. Auch wenn sich die Stempelstelle nur ein paar Meter vom Eingang befand, hätte die Wandergruppe doch tatsächlich den Eintrittspreis für die Veranstaltung zahlen müssen. Das haben sie jedoch unterlassen und stattdessen an einem anderen Tag die Stempel nachgeholt.

Beeindruckend sei an einem anderen Tag auch der Besuch der Stempelstelle 11, der Cholera-Friedhof in Salzgitter Ringelheim, gewesen. Denn, mystisch und unter einer alten Linde gelegen, sind dort Grabsteine zu sehen, die an die Cholera-Epidemie im Jahr 1855 erinnern. „Da bekommt man schon Respekt vor dieser Erkrankung“ so Hartje. Cholera ist eine Infektion des Darmes, die durch bakteriell verunreinigtes Wasser oder ebensolche Nahrung übertragen wird. Auslöser ist das Bakterium Vibrio cholerae. Der separate Bestattungsplatz wurde deshalb gewählt, weil der eigentliche Friedhof sich direkt an der Kirche befand und die Menschen Angst hatten, dass die infizierten Leichname das Brunnenwasser verseuchen könnten.

Der Friedhof wurde schon davor als „Betplatz am Niederholz“ eingetragen, weil er nach jenen Jahren in die Betstationen der Flurprozession bei der Hagelfeier einbezogen wurde. Der damalige Ringelheimer Schlossbesitzer, Graf Adolf von Decken, stellte den separaten Bestattungsplatz am Niederholze zwischen Ringelheim und der Darmpfuhlsmühle am Südufer der Innersten zur Verfügung.

Dass die Cholera-Epidemie in Ringelheim nicht so viele Todesopfer forderte wie befürchtet, verdankt der Ort auch dem schnellen Handeln des Bistums Hildesheim. Dies entsandte einige Vinzentinerinnen vom Orden der Barmherzigen Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul, die sich mit der Erkrankung auskannten und mit der Gabe von isotonischen Getränken die Sterberate deutlich verminderten. Damals sollen überwiegend Kinder, aber auch ältere Menschen an der Cholera gestorben sein. Vorhanden sind heute noch zwei Grabsteine und ein Schild, auf dem der Kanon „Dona Nobis Pacem“ (Gib uns Frieden) zu lesen ist. Die Station ist nämlich gleichzeitig auch ein teil des Liederwanderweges. Der Friedhof wurde über viele Jahre von der Kolpingfamilie gepflegt.

Als Fazit sagt Harald Hartje, dass die Stempelstellen teilweise nicht gut ausgeschildert gewesen seien. Dennoch seien es sehr schöne Wanderwege und vor allem auch kurze Wege, die man gut vorher planen könne. Vor allem aber seien es Pfade mit moderaten oder nur geringen Steigerungen. „Es gibt schon ein paar Steigungen, aber nicht so wie im Harz“, sagt Hartje. Und die Strecken seien mit Wald, Feldern und Wiesen auch sehr abwechslungsreich. Hilfreich sei auch, wenn man sich zum einen die kostenlose App „Nhavo“ herunterlädt und auch im Vorfeld sich vielleicht schon einen Ausdruck der geplanten Wege über Google-Maps mache.

Mit dem Freizeitstempel-Pass erreicht man 32 Stempelstellen des Nördlichen Harzvorlandes, darunter auch viele reizvolle Landschaften, aber auch kulturhistorisch bedeutsame Orte.  Der Freizeitstempel-Pass ist ein Gemeinschaftsprodukt mehrere Kommunen im Zeichen Integrierter Ländlicher Entwicklung (ILE). Dazu gehören die Samtgemeinden Elm-Asse, Baddeckenstedt, Oderwald, Lutter am Barenberge, die Gemeinden Schladen-Werla und Liebenburg und die ländlichen Bereiche der Städte Wolfenbüttel, Goslar mit dem Ortsteil Vienenburg und Salzgitter. Das Land Niedersachsen fördert dieses Kooperationsprojekt im Jahr 2013 mit Mitteln des Europäischen Landwirtschaftfonds (ELER). Für die Standorte und Stationen sind die oben genannten Kommunen verantwortlich. Inzwischen sind die überarbeiteten Stempelbücher mit allen neuen Stempelstellen erhältlich.  

Leider sind aber teilweise nicht nur die Stempelstellen schlecht zu finden, auch das Projekt an sich ist im Internet nur schwer aufzuspüren. Weitere Informationen unter www.noerdliches-harzvorland.com. Dort erfährt man auch, wo jeweils der Freizeitstempel-Pass erhältlich ist.

 

BU

Der Cholera-Friedhof in Salgitter-Ringelheim aus dem Jahr 1855.

Harald Hartje aus Gittelde plant die Wandertouren und hält die Routen übersichtlich in einem Ordner fest.

Fotos Herma Niemann

 

Der Hof der Burg Vienenburg. Foto Harald Hartje

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Der Cholera-Friedhof in Salgitter-Ringelheim aus dem Jahr 1855

Harald Hartje aus Gittelde plant die Wandertouren und hält die Routen übersichtlich in einem Ordner fest

 

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