Regionales / Harz

15.04.2022

Mein Glaube bedeutet für mich Freiheit


Interview mit Christiane Möhle, Seelsorgerin im Rehazentrum Oberharz

...von Mareike Spillner - KKHL

Über den Glauben an Gott, das Trauern mit den Trauernden und tröstliche Gedanken in schweren Momenten: Christiane Möhle wechselte zum 1. März als Seelsorgerin zum Rehazentrum Oberharz im Kirchenkreis Harzer Land – nach fünf Jahren als Krankenhausseelsorgerin an der Universitätsmedizin Göttingen, kurz UMG. Im Interview spricht sie über ihre Berufung.

Was bereitet Ihnen an Ihrer Arbeit/Berufung am meisten Freude?

Christiane Möhle: Ich bin sehr gerne Seelsorgerin. Das heißt, ich treffe gern auf Menschen, die ein Gespräch, eine Begleitung, eine Aufmunterung suchen und dafür empfänglich sind. Ich denke an die vielen Patienten und Patientinnen, die ich in der Universitätsmedizin Göttingen besucht habe. Ich habe gern die Menschen kennengelernt, habe ihnen zugehört, was sie mir über ihre Krankheit und ihr Leben erzählen wollten. Wenn sie länger im Krankenhaus waren, habe ich sie mehrmals besucht. Oft habe ich auch nach einem Gespräch gefragt, ob ich ein Gebet sprechen dürfe. Sehr oft haben die Patienten*innen dem zugestimmt. 

Vor der Coronapandemie traf ich oft Angehörige, die auf dem Flur der Intensivstation darauf warteten, ihre Angehörigen besuchen zu dürfen. Es reichte oft eine Frage, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Manche Angehörigen traf ich mehrere Male, wenn sie ihren Angehörigen wieder und wieder besuchten.
Ich hoffe sehr, dass ich im Rehazentrum Oberharz viele Einzelgespräche führen kann. Und dass die weiteren Impulse meinerseits wie Andachten, Gottesdienste, kleine Pilgerwege u.a. gut angenommen werden.

Welches sind besonders schwierige Momente?

Christiane Möhle: Besonders herausfordernd fand ich immer die Begleitung von Eltern mit schwerkranken Kindern und die Begleitung von jüngeren Menschen, die sehr krank waren. Ein besonders anrührender Moment war immer die Taufe auf der Intensivstation eines schwerkranken Säuglings. 
Manches Mal kam es dann zu der unausweichlichen Begegnung mit dem Sterben eines Menschen, mit seinem Tod. Da habe ich sehr oft mein eigenes Aufbegehren gegen Krankheit und Tod und meine eigene Trauer gespürt. 

Wenn um das Leben eines Säuglings gekämpft wurde auf der Kinderstation, aber irgendwann die Krankheit stärker war als das Leben. 
Oder ich war sehr berührt zum Beispiel angesichts des Sterbens eines 30-jährigen verheirateten Mannes mit einem eigenen Geschäft oder einer 42-jährigen Ehefrau und Mutter von zwei Jungen im Grundschul- und Kindergartenalter, die durch ihre Krankheit auch herausgerissen wurde aus einer befriedigenden Berufsarbeit.

«Weint mit den Weinenden», heißt es an einer Stelle im Neuen Testament (Römerbrief 12, 15b) und ich habe für mich ergänzt: «Und trauert mit den Trauernden». Das habe ich da oft als meine Aufgabe empfunden.

Worin finden Sie selbst Trost?

Christiane Möhle: Während meiner Zeit als Seelsorgerin an der UMG ist mir der Gedanke immer wichtiger geworden, dass Gott mir mein Leben geschenkt hat, dass es einen Sinn hat, dass ich lebe. Ich habe das Bild eines Lebenskreises vor Augen, der mich schützt und mir Geborgenheit schenkt. Der Lebenskreis umfasst die Stationen meiner Geburt, die Herausforderung, mein Leben zu gestalten und schließlich das Sterben und den Tod als das Tor, in Gottes ewiges Reich des Friedens und der Liebe zu gelangen. 
Dadurch, dass mir dieser Glaubensgedanke sehr nah und tröstlich wurde, konnte ich diesen Gedanken auch für manche Patienten mitglauben und mithoffen.

Warum haben Sie sich für den Stellenwechsel entschieden?

Christiane Möhle: Krankenhausseelsorgestellen gibt es ja nicht immer und überall. Als die Seelsorgestelle im Rehazentrum frei wurde, passte ein Stellenwechsel für mich nach einer Phase der Bedenkzeit. Ein Beweggrund war auch der, dass ich an der Rehaklinik jetzt auf einer halben Stelle arbeite.

Was bedeutet Ihnen Ihr Glaube?

Christiane Möhle: Mein Glaube bedeutet für mich Freiheit. 
In unserem Leben sind wir so vielen Meinungen und Einflüssen ausgesetzt. Durch den Krieg in der Ukraine wird uns deutlich, wie stark so ein Krieg auch ein Informationskrieg ist. Wie der Machthaber in Russland seit vielen Jahren darauf hingearbeitet hat, dass in seinem Land seine Meinung gilt. Mein Glaube gibt mir die Möglichkeit, nach der Wahrheit zu fragen und zu suchen. Das bedeutet die kritische Auseinandersetzung mit den Meinungen, die mir bereitgestellt werden. Und es bedeutet für mich auch immer wieder, mich in die Stille zu begeben, auf Gottes Wort zu hören und zu beten. Ich bin dankbar für meinen Glauben, dass ich dadurch Liebe, Frieden und Vertrauen als Lebenswerte kennengelernt habe. Mit meinem Leben und meiner Arbeit setze ich mich dafür ein, dass diese Werte sich weiter und weiter ausbreiten in meinem Lebensumfeld und weltweit.

Info:
Nach ihrem Studium der evangelischen Theologie in Bethel, Heidelberg und Tübingen hat Pastorin Christiane Möhle ihr Gemeindevikariat an der Michaeliskirche in Hildesheim absolviert. Die nächsten Stationen als Pastorin führten sie nach Bremerhaven-Geestemünde, Nordhorn und zu einem Auslandsaufenthalt in Bern. 2012 ging es nach Südniedersachsen, genauer in den Kirchenkreis Leine-Solling, wo sie fünf Jahre Pastorin der Michaelis-Kirchengemeinde im Rhumetal war. Seit 2017 arbeitete sie als Krankenhausseelsorgerin an der UMG und nun als Seelsorgerin im Rehazentrum Oberharz in Clausthal-Zellerfeld.

 

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