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24.02.2022

Ehemalige Bergarbeiterhäuser werden in diesem Jahr 70 Jahre alt


Alte Ansicht aus dem Sandweg im Jahr 1954

Im Sandweg wurden 1952 zwölf Reihenhäuser gebaut/In der Straße gab es aber schon vorher einige Besonderheiten

...von Herma Niemann

Der Sandweg in Gittelde, das ist eine kleine Dorfstraße mit vielen kleinen Geschichten. Eine davon ist der Bau von zwölf Bergarbeiterhäusern in Reihe, die im Jahr 1952 errichtet wurden. Die Bergarbeitersiedlung wird in diesem Jahr also 70 Jahre alt.

Gebaut wurden die Häuser ursprünglich sogar als Zweifamilienhäuser, wie der Heimatchronist Bodo Biegling weiß. Oft haben dort zwei Generationen unter einem Dach gewohnt, so wie es eben früher üblich war. Die Bauherren damals waren die Familien Heinz Kristen, Hans Weichler, Ernst Blut, Wilhelm Noß, Kurt Schirrmacher, Ernst Wilhelm, Hermann Bertram, Ernst Rosin, Ernst Ensfelder, Willi Geudert, Franz Neumann und Heinrich Fischer. Alle waren Bergleute, die im Bergwerk „Hilfe Gottes“ in Bad Grund arbeiteten und bei Wind und Wetter durch die Gittelder Feldmark zum Bergwerk gingen.

Teilweise wohnen noch heute Angehörige der ehemaligen Bauherren in diesen Häusern. Bauträger der Bergarbeitersiedlung war die Wohnungsbaugesellschaft Bad Gandersheim. Ein Haus soll damals rund 19.000 DM gekostet haben. Ungefähr zur Zeit des Baus muss auch die erste Siedlergemeinschaft entstanden sein, wie der Vorsitzende der Siedlergemeinschaft im Verband Wohneigentum, Helge Güttler, berichtet. Güttler wohnt seit 1974 mit Familie in einem Haus dieser Reihe.

Bis auf eine kurze Unterbrechung, in der Mitglieder von der Gemeinschaft in Windhausen mitbetreut wurden, könne die Siedlergemeinschaft ebenfalls ein Jubiläum feiern. Im Grunde auch das 70-Jährige, aber zumindest das 40-jährige Jubiläum. Denn im Jahr 1982 wurde die Siedlergemeinschaft von Helge Güttler, Norbert Kristen, Walter Schaper, Erwin Wilhelm und Hermann Bertram reaktiviert. Grund dafür sollen Unstimmigkeiten beim Straßenbau mit der Gemeinde gewesen sein, weswegen sich eine Initiative, bestehend aus diesen fünf Parteien, bildete. Momentan hat die Siedlergemeinschaft 52 Mitglieder, die nicht alle aus dem Sandweg stammen.

Wie Güttler berichtet, waren zu Hochzeiten an die hundert Mitglieder vorhanden. Über viele Jahre fanden in den 1980er Jahren auf dem Wendehammer auch große Siedlerfeste ab, zu denen manchmal bis zu 400 Gäste kamen. Es wurde gegrillt, eine Tombola durchgeführt und die Heimatgruppe trat oft auf. Zum Jubiläum der Siedlergemeinschaft ist im Oktober auch eine Feierstunde geplant. Geplant ist ein festlicher Abend, vielleicht als Weinfest, aber auf jeden Fall mit einem Essen.

Die Geschichte des Sandweges fing aber viel früher an. Nämlich um die Jahrhundertwende um 1900. Damals wurde der sogenannte „Tollesche Steinhof“ (heute Landwirt Andreas May/ehemals Gasthaus Kronprinz) aufgelöst, erklärt Biegling. In diesem Zusammenhang wurden die dazu gehörigen Ländereien südlich des Sandweges in Bauland umgewandelt. Und so begann vor und nach dem Ersten Weltkrieg der Bau von Ein- beziehungsweise Zweifamilienhäusern im Sandweg. Auf der nördlichen Straßenseite des Sandweges bis zum Grundweg befanden sich die Meyer-Gärten. Das war ein großes Garten-Flurstück, das der Kirchengemeinde gehörte und in kleinen Parzellen von den Gittelder Einwohnern als Gärten genutzt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Fläche von der politischen Gemeinde als Bauland erschlossen.

Und noch eine kleine Besonderheit: Zwischen den Grundstücken im Sandweg mit den Nummern 2 und 4 unterquert die Söse-Fernwasserleitung nach Bremen den Sandweg. Sie wurde 1932 gebaut. Fest verbunden mit der Geschichte des Sandweges ist auch der sogenannte Nord-Bahnhof. Der Sandweg endet mit einem Wendehammer vor dem Bahndamm, auf dem seit 1871 die Bahnlinie Seesen-Herzberg verkehrt. Bereits seit Eröffnung dieser Bahnlinien bemühten sich die Gittelder darum, eine Haltestelle in Ortsnähe zu erhalten, dies wurde jedoch stets von der damaligen Reichsbahn abgelehnt, so Biegling.

Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich aber der Gemeinderat hartnäckig, federführend unter dem Ratsherrn Albert Donhauser, um einen Haltepunkt oberhalb des Sandweges. Neben der bereits bestehenden regelmäßigen Straßenbusverbindung wurde 1953, anlässlich der 1000-Jahrfeier von Gittelde, der Haltepunkt Gittelde Nord eröffnet. Die ersten Fahrgäste wurden mit dem Gittelder Spielmannszug abgeholt und auf dem Sandweg hinab begleitet. Von den 17 Zugpaaren, die auf der Strecke Seesen-Herzberg verkehrten, hielten zehn Schienenbusse je Richtung in Gittelde Nord. 1956 wurde der Bahnsteig der Haltestelle erweitert, so dass auch längere Züge dort halten konnten. Die am Haltepunkt von der Gemeinde aufgestellte Wartehalle wurde aus den Baumaterialien der Umkleidegebäude des aufgegebenen Gittelder Schwimmbades (heute Harzklub-Freizeitgelände) erstellt.

Die bereits seit Anfang der 1990er Jahre gefährdete Bahnlinie Seesen-Herzberg-Nordhausen konnte durch die Grenzöffnung 1989 vor der Stilllegung noch einmal gerettet werden. Nicht jedoch der Haltepunkt Nord-Bahnhof. Dieser wurde mit Beginn des Sommerfahrplanes am 23. Mai 1998 aufgehoben und zurückgebaut, was viele Gittelder bedauern. In unmittelbarer Nähe des Wendehammers befindet sich auch ein Wasserdurchlass durch den Eisenbahndamm. Während des zweiten Weltkrieges (Herbst 1944) wurde unter anderem dieser Durchlass als Luftschutzbunker für die örtliche Bevölkerung umgebaut. In der Ortschronik von Otto Dörge wird er als „kleiner Luftschutzbunker“ bezeichnet, so Biegling.

Hilmar Wittenberg berichtete, dass er als kleiner Junge mit seinen Angehörigen während des Krieges in diesem Bunker gesessen hat, wenn Fliegeralarm gegeben wurde und Kriegsflugzeuge über Gittelde kreisten beziehungsweise große Fliegerverbände über Gittelde flogen. Der Bunker war mit Bänken ausgestattet, der Eingang war durch ein festes Holztor gesichert.

Im Sandweg gab es in der Zeit von 1955 bis 1990 einen kleinen Milch- und Lebensmittelladen. Auf dem ehemaligen Gartengrundstück zum Wohnhaus Thüringer Str.15 betrieb der Gärtnermeister Heinrich Härtel eine kleine Gärtnerei. Er war der kleine Mitbewerber zu der großen Gärtnerei Wilhelm Härtel. Im Haus Nr. 5 war die Gittelder Polizeistation untergebracht. Von hier aus sorgten die beiden Polizeimeister Marx und Voß viele Jahre für Ruhe und Ordnung im Ort. Es gab auch einen Flaschenbierhandel, wo das früher beliebte Feierabendbier von den Nachbarn geholt wurde.

In der Straße wohnte auch der langjährige Ortschronist Hermann Bader, der maßgeblich am Ausbau und der Ausgestaltung des Gittelder Heimatmuseums beteiligt war. Im Haus Nummer 16 wohnte Willi Zahn (1894 – 1979), Zimmermann und Hausschlachter. Als Bürgermeister war er in den schwierigen Nachkriegsjahren 1946 bis 1947 für die Belange des Dorfes zuständig. Auch Conny Loch, der erst vor einigen Wochen in Bad Grund verstorben ist, wohnte im Sandweg. Als begnadeter Fußballer und Torwart ist er in die Gittelder Fußballgeschichte eingegangen.


Der Sandweg heute. Bis auf eins sind alle Reihenhäuser aus dem Jahr 1952 bewohnt

Der kleine Luftschutzbunker: Auf dem Foto ist Hilmar Wittenberg im Jahr 1945 zu sehen

Der Bahnhof Gittelde-Nord auf Höhe des Sandweges wurde 1998 zurückgebaut

 

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