Kultur / Rezensionen

01.07.2017

Lyrischer Spaziergang


„Erlebtes, Erdachtes, Erwünschtes“ von Manfred Kleiner

von Christian Dolle

„Gedanken, die gemacht in Eile, sind oft wie Indianerpfeile, verletzen Mann, Frau oder Kind, weil pfeilschnell sie gesagt auch sind.“ Mit diesen Worten beginnt eines der Gedichte im Buch des Osteroders Manfred Kleiner. „Erlebtes, Erdachtes, Erwünschtes“, so betitelt er seine Lyrik, bei der er selbst einräumt, dass „Vieles die hohe Dichtkunst nicht erreicht“.

Was nun hohe Dichtkunst ist und was nicht, darüber lässt sich lange diskutieren. Eindeutig eine Stärke des Buches ist aber, dass der Autor diese Texte in Spaziergänge durch Osterode und Umgebung einordnet und damit den Lesern verdeutlicht, wie er auf bestimmte Gedanken kommt, welche Auslöser ihm zum Schreiben bringen und was vielleicht manchmal hinter den gereimten Zeilen steckt.

Damit wird das Buch zu einer sehr persönlichen Erfahrung über das Schreiben und macht Lust darauf, sich genauer mit den Gedichten auseinanderzusetzen. Diese Form der Verbindung von Lyrik und Prosa ist in der Literatur eher selten anzutreffen, schon gar nicht auf Wegen, denen der Leser im Geiste so detailliert folgen kann. Allein das macht Spaß und fordert möglicherweise auch die eigene Kreativität heraus.

Manfred Kleiner wurde 1930 bei Dresden geboren, war Eisenbahner in der DDR und später in der Bundesrepublik. Seit 1990 lebt er als Rentner in Osterode, schreibt Gedichte und trägt sie auch öffentlich vor. Vieles sind Beobachtungen beim Spazierengehen mit dem Hund, Gedanken über das Alter und Naturbeobachtungen, aber zum Teil auch treffende Spitzen zu lokalen Begebenheiten.

„Es faulen die Balken, es bröckelt der Putz, halb Osterode steht unter Denkmalschutz, doch durch den Denkmalschutz wird es kaum gelingen, den Verfall der Häuser zum Stillstand zu bringen“, heißt es in einem Gedicht. In einem anderen: „Kurz vor Ladenschluss brauchte Frau Meier noch dringend für's Abendessen Eier, sie parkte ihr Auto auf die Schnelle auf eine parkverbotenen Stelle. Da kam ein Mensch, der sah gleich Rot, das Auto steht im Halteverbot. Er, der von penibler Ordnung geprägt, hat gar nicht lange überlegt. Er machte ein Foto, schrieb alles nieder, beides sah man auf dem Amt dann wieder, denn er war nicht abgeneigt und hat Frau Meier angezeigt. Mir scheint, dass es derartige Denunzianten schon früher gab in deutschen Landen und dass durch Denunziantentum eine Menge Menschen kamen einst um.“

Durch solche Texte gelingt es Manfred Kleiner, mal zum Schmunzeln, mal zum Nachdenken anzuregen, ohne dass es aufgesetzt und gekünstelt wirkt. Das mag nicht immer hohe Dichtkunst sein, lesenswert ist sein Buch aber allemal.

Das Buch „Erlebtes, Erdachtes, Erwünschtes“ von Manfred Kleiner ist im Buchhandel erhältlich.

 

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