Kultur / Federkiel / Flugzeuggeschichten

01.01.2022

Sammlers Leidenschaft 


von Johannes Nordmann

In grauer Vorzeit, als der Planet Erde sich noch gen Osten drehte, war der Homo Sapiens noch Sammler und Jäger, konnte somit allen seinen Bedürfnissen nachgehen, ohne sich dabei mit Überflüssigem zu belasten. Heute jedoch, im Zeitalter von MC Donalds, AIDS und weiterer Pandemien, glauben wir als hochzivilisierte Menschen einem kulturellen Leben nachzugehen, welches weitaus angenehmer zu gestalten sei, als das der Urahnen von einst. 

Weit gefehlt, denn gerade heutzutage jagen wir Dingen nach, von denen der angehende Homo Sapiens von damals nicht nur zu träumen wagte, sondern von denen er eher Alpträume bekommen hätte. So jagen wir jetzt wie hinter fortgewehten Hüten Terminen nach, dem Glück hinterher oder den Partner aus der gemeinsamen Wohnung. Schürzenjäger jagen diese, während mache Jäger das Wort "Jagen" zwar schreiben und lesen können - Grundvoraussetzung für den Jagdschein - ansonsten nur in der Gegend herumballern, jedoch wirkliche Waidmänner unter dem Wort Jagd eher die Hege und Pflege der kostbaren Flora und Fauna sehen. 

Manches möchten wir zum Teufel jagen, denn Jagdflugzeuge, Panzer und ähnliche Produkte menschlichen Wahns haben dem Jagd-Überlebenstrieb aus der Urzeit eine Dimension angedeihen lassen, vor der sich nicht nur jedes Reh fürchtet. Nennen wir es einfach Atomzeitalter. Hier will ich aber unserer Jagdleidenschaft ein Ende setzen, denn die Jagd nach Macht und Ruhm geht in's Politische und Religiöse, also in's Paradoxe und die Diskussion ins Unendliche, dorthin wo demnächst die Raketen sich gegenseitig jagen. 

Schluss damit, widmen wir uns lieber den geduldigeren Sammlern. Doch hat sich auch hier wenig geändert, denn anstatt einfach Brombeeren zu pflücken, sammeln wir Geldstücke um Geldstücke, um sie in einen Automaten zu stecken, aus dem uns dann irgendeine Chemikalie mit Brombeergeschmack als Limonade im Plastikbecher vorgesetzt wird, wodurch wir wiederum den lästigen Gang in den Wald umgehen. Dadurch sparen wir viel Zeit, doch was machen wir? Wir lassen dem Urtrieb des Sammlers freien Lauf und in unserer Freizeit sammeln wir Briefmarken, Münzen, Bierdeckel, Partner, Streichholzschachteln, Messer und andere Waffen (Jagdsyndrom), Sportwagen, Pfandflaschen, Autogramme, Erfahrungen, Mineralien, Miniaturen, Miniröcke.

Als reichlich erwachsener, reifer Mensch von derzeit ca. 52 x 38  Wochen habe ich begriffen, dass sämtlicher irdischer Besitz einen nur vom wirklichen Leben abhält und nur Dinge sich zu sammeln lohnen, die im Hirn gespeichert werden können, denn selbiges braucht man nicht zu ordnen und zu säubern oder aufzuräumen, geschweige denn Staub zu wischen. 

Marianne aber, eine Freundin mit oftmals kalten Füßen, brachte mich letzthin auf eine neue Idee für Sammler. Im Zuge der wirklich ernstzunehmenden Krankheit AIDS und sind Kondome einfach Pflicht. Mit Marianne kuschelte ich nun einmal sehr gern, jedoch sind wir beide gegen die Verlockungen des Lebens nicht gefeit, gehen jedoch auf Nummer sicher. Kurzum, wir hätten uns fast gestritten, wer die Runde Schutz nun ausgibt. Es entwickelte sich ein spaßiger Streit, denn wir entdeckten eine neue Marktlücke, nämlich das Sammeln von Kondomen. Wir stellten uns folgendes Inserat in der Zeitung vor: "Tausche London sensibel extra gegen Blausiegel gefühlsecht!" Auch interessierte uns die Frage, wie wohl Sammelalben aussehen würden, oder ob Präservative, die über das Verfallsdatum hinaus sind, für den Sammler wertvoller seien oder nicht. Die Füße erwärmende Paarung blieb dabei erstmal aus.

Den ersten nationalen Meetings würden vielleicht internationale Kongresse folgen. Manche würden vielleicht nur die speziellen Marken sammeln, mit einem Krokodil z.B. oder vielleicht die Marke mit den drei Streifen. Es soll ja Menschen geben, die meinen, etwas mehr darzustellen, wenn sie für das gleiche Vergnügen das Vielfache zahlen.  Auch einen Namen für die Sammler hatten wir schon gefunden. Ähnlich wie bei den Briefmarkensammlern, statt Philatelisten hießen sie ganz einfach Präservatisten. 

Fazit: Anstatt nach situationsbedingtem Kennenlernen irgendeinen Schwachsinn von Briefmarken zu stammeln, wäre es doch viel einfacher, direkter, ehrlicher und vielsagender zu fragen:
"Möchtest Du Dir nicht einmal meine Kondomsammlung ansehen?"

 

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