Kultur / Rezensionen

18.12.2021

Hipster, Batman und der Endgegner


Lesetipps zur Adventszeit: Christopher Schlicht und Maximilian Bode – Kirchenrebellen

...KKHL  Christian Dolle

Für die Adventszeit haben wir uns in diesem Jahr vorgenommen, vier Bücher vorzustellen, die mehr oder weniger mit Kirche, Glauben und Gott zu tun haben. Sozusagen für jede Kerze auf dem Adventskranz eines, vielleicht ja auch Geschenktipps für Weihnachten, vielleicht einfach als Inspiration. Heute folgt der vierte Titel der Serie: „Kirchenrebellen“ von Christopher Schlicht und Maximilian Bode.

„Wir lassen dieses große, schwarze Batman-Kleid weg, weil wir als Pastoren genauso lieb und so schräg sein wollen wie alle anderen“, antworteten Chris Schlicht und Max Bode kürzlich in der NDR Talkshow auf die Frage, warum sie im Gottesdienst keinen Talar tragen. Doch die Klamotten und das Skateboard, die ihnen den Titel „Hipster-Pastoren“ einbrachten, sind nicht das einzige, was die beiden anders machen als viele Kollegen.

Kirche müsse sich verändern, um auch morgen noch Menschen zu erreichen, so ihr Credo, außerdem möchten sie eine Kirche, die sie selbst auch cool finden. Was das bedeutet und vor allem wie sie zu ihrer gemeinsamen Stelle kamen, in der sie vieles ausprobieren, erzählen sie in ihrem Buch „Kirchenrebellen“. Das allerdings ist kein gut gemeinter Ratgeber für Gemeinden, sondern in erster Linie die ganz persönliche und oft schnoddrig erzählte Geschichte der beiden Theologen. 

Diese Geschichte beginnt für Max im Raum Hildesheim, wo er in den Cliquen der Skater, Emos, Punks und Goths seinen Platz sucht und schließlich feststellt, dass er sich im bunten Haufen der kirchlichen Jugendgruppe ganz wohl fühlt. Er erlebt gemeinsame Kirchentage und Festivals, will nach dem Abi aber eigentlich Künstler werden, das Theologiestudium ist erst einmal nur seine zweite Wahl. „Als Künstler wäre ich nicht glücklich geworden“, schreibt er im Buch, „Denn um als Künstler zu überleben, hätte ich Auftragsarbeiten annehmen müssen. Und die müssen bekanntlich vor allem den Auftraggeber*innen gefallen. Den Vorstellungen anderer in einer bestimmten Form entsprechen zu müssen, ist nicht mein Ding.“

Chris wuchs in vielen Orten in Niedersachsen auf, unter anderem in Clausthal-Zellerfeld, wo er auf seinen ersten „Endgegner“ traf, einen Schulkameraden, von dem er gemobbt wurde, weil er angeblich kein richtiger Junge war. Auch in seiner Jugend ging es also darum, zwischen „Kellerclub“ und Wanderungen im Oberharz sich selbst zu finden, wobei die Fragen nach Gott und Glauben immer eine Rolle spielten, nicht zuletzt deshalb, weil eben auch sein Vater Theologe ist. 

Beiden gemeinsam ist, dass sie in Göttingen studierten, daher auch bis in ihre Vikariatszeit gemeinsam rumhängen und das ja im Grunde bis heute tun, da sie sich in Bremerhaven eine Pastorenstelle teilen. Verbunden hat sie von Anfang an, dass sie mit einigen Traditionen der Kirche wenig anfangen können, dass sie Gott auf ihre eigene Weise finden und schon immer den Wunsch hatten, vieles anders zu machen, um auch andere Menschen zu erreichen, für die genau diese Traditionen eine Hürde darstellen, weil sie Kirche und Gottesdienste dadurch als unnahbar empfinden, sozusagen als einen Club, bei dem sie sich nicht am Türsteher vorbei trauen.
 
„Wenn die Kirche jeden Sonntag denselben Gottesdienst anbietet, braucht sich niemand zu wundern, warum nur ein bestimmter Typ Mensch kommt und der Rest der Gemeinde weitgehend außen vor bleibt“, schreiben sie im Buch. Zum Glück ist das ja inzwischen auch in ländlicheren Kirchenkreisen nicht mehr so und die Vielfalt der Gottesdienste nimmt stetig zu, dennoch ist es natürlich ein wichtiger Aspekt, den sie ansprechen. 

„Das Leben soll in der Kirche stattfinden“, sagten Chris und Max in der NDR Talkshow, „es soll kein Museum sein, eigentlich viel mehr ein Zuhause.“ Genau darum gestalten sie ihre Gottesdienste eben so, wie auch sie selbst sich wohlfühlen und stellen immer wieder fest, dass genau das bei vielen Menschen ankommt. 

Diesen Mut zum Anderssein formulieren sie in ihrem Buch aber nicht als dogmatischen Leitfaden für eine bessere Kirche, sondern vielmehr als individuelle Erfahrung. Somit geben sie Impulse, erzählen aber vor allem sehr persönlich, wie Kirche auch sein kann. Genau das macht dieses Buch lesenswert, noch dazu haben beide einen ziemlich schrägen Humor und schreiben als würden sie neben dem Leser stehen und ihre Geschichte frei heraus plaudern, was alles sehr kurzweilig macht und auch Lust darauf, mal wieder einen unkonventionellen Gottesdienst zu besuchen.

 

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