Kultur / Rezensionen

10.12.2021

Großes Mysterium oder Verschwörungstheorie?


Hans-Joachim Wildner überrascht mit seinem Thriller „Tunguska – Irgendetwas war anders“

von Christian Dolle

Eine gigantische Explosion erschütterte vor mehr als 100 Jahren die Tunguska-Region in Sibirien. Eine unfassbare Druckwelle knickte sämtliche Bäume ab, noch in 500 Kilometern Entfernung war sie zu spüren und zudem ein heller Feuerschein zu sehen. Bis heute ist die Ursache nicht geklärt, gilt also als eines der großen Mysterien der Menschheitsgeschichte.

 Das Tunguska-Ereignis taucht immer mal wieder in Computerspielen, Filmen, Comics oder Romanen auf und ist ganz aktuell auch Aufhänger und titelgebend für Hans-Joachim Wildners Thriller „Tunguska – Irgendetwas war anders“.

Nun hat sich Hans-Joachim Wildner im Harz  inzwischen einen Namen gemacht. Das liegt vor allem an seinen so unterschiedlichen Veröffentlichungen, zu denen beispielsweise das deutsch-arabische Kinderbuch „Ali und die Schneeflocke“ mit Bildern des syrischen Künstlers Aiman Aldarwish zählt, ebenso wie sein Jugend-Fantasyroman „Der Schlüssel von Schielo“ oder Krimis wie „Anlage Z“ oder „Biker Day“. 

Eine gewaltige Explosion

„Tunguska“ ist ein Thriller, dessen Handlung 1908 beginnt als ein russischer Fallensteller hinaus in die Wildnis zieht und sich auf der Flucht vor einem Bären in einer Höhle versteckt, die ihn vor der gewaltigen Explosion bewahrt, die geradezu seine ganze Welt auszulöschen scheint. Auf dem Heimweg trifft er auf eine weitere Überlebende, eine Angehörige eines im Verborgen lebenden Stammes, die ihm ein seltsames Buch überreicht, in dem angeblich die Geschichte ihres Volkes aufgezeichnet ist. Jenes Buch oder vielmehr jener Datenträger mit einer zu jener Zeit völlig unbekannten Technologie gerät auf Umwegen in den Vatikan und soll dort für alle Ewigkeit unter Verschluss gehalten werden. 

Im Roman beginnt nun ein zweiter Handlungsstrang, der 1949 in der Wüste von Nevada beginnt, auf jenem militärischen Testgelände, das wir als Area 51 kennen. Hier gibt es zunächst ein Unglück, in dessen Folge Leichen auftauchen, die niemand zuordnen kann. Während draußen Gerüchte über Aliens aufkeimen, stellen Forscher fest, dass die Toten vom Salzsee viel älter zu sein scheinen als es den Anschein macht, aber andererseits über Technologien verfügten, die weltweit noch in den Kinderschuhen steckt. 
Die Journalistin Lauren und der Wissenschaftler Alan versuchen Licht ins Dunkel zu bringen, geraten dabei ins Visier der CIA, werden verfolgt und müssen ins Ausland fliehen.

Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Auf jeden Fall entspinnt sich auf Handlungsebene ein rasanter Thriller, der in einigen Beschreibungen durchaus an Hitchcocks „Der Unsichtbare Dritte“ oder ähnliche Filme aus jener Zeit erinnert, auf der anderen Seite wirft Wildner viele Fragen auf, die nicht in Richtung Aliens gehen oder andere aus der Literatur bekannten Erklärungsmöglichkeiten heranziehen, sondern sich mit der Entwicklung der Menschheit befassen und hinterfragen, ob wir mit dem, was wir über unsere früheste Vergangenheit zu wissen glauben, wirklich richtig liegen. 

Könnte es nicht doch so sein?

Es erklärt sich, warum Vatikan, CIA und auch andere Institutionen verhindern wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt, denn das, was Hans-Joachim Wildner hier erfindet, taugt auch zu einer großen Verschwörungstheorie, der bestimmt so mancher Glauben schenken würde. Das liegt vor allem an den vielen Fakten, die er mit bis heute unbewiesenen Theorien mischt, so dass alles absolut logisch aufeinander aufbaut. Wildner war Konstrukteur im Maschinenbau und genau das merkt man seinem Werk an, denn hier ist alles durchdacht, seine Fantasie untermauert er so, dass wirklich Zweifel aufkommen können oder eben die Frage: Könnte es nicht doch so sein?

Doch „Tunguska“ ist – wenn auch in einem kleinen, ursprünglich auf Fachbücher ausgelegten  Verlag erschienen – zum Glück kein dubioses Sachbuch mit letztlich unhaltbaren Behauptungen, sondern ein fiktiver Thriller. Und er hat ja auch literarische Qualitäten, die sich nicht verstecken müssen. So schafft Wildner es trotz der Zeitsprünge und über die ganze Welt verteilten Handlungsorte, seine Figuren so zu schildern, dass Leser mit ihnen mitfiebern können, beim Sprung von der Brücke um sie bangen oder in den Katakomben unter Paris mit ihnen den Horror spüren, der von dieser unterirdischen Welt ausgeht. 

Das gilt nicht nur für die Protagonisten Lauren und Alan, sondern auch für die Figuren in den anderen Zeitebenen, die alle recht plastisch beschrieben sind und zudem auch so miteinander verwoben, dass die persönlichen Schicksale nicht in den Hintergrund treten. Kurzum, dieser Roman könnte durchaus auch in einem großen Verlag erscheinen oder sogar als Netflix-Verfilmung, es wäre jedenfalls schade, wenn dieses Buch nur hier im Harz seine Leser findet. Es ist vielleicht eine der großen Überraschungen des Jahres und auf jeden Fall eine Empfehlung an alle, die gut recherchierte und plausibel konstruierte Mystery-Storys mögen. 

Diese Rezension gibt es auch zum Hören auf dem Youtubekanal "CrYzZ Storys":


 

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