Kultur

10.12.2021

Utopisch und doch von dieser Welt


v.l.: Der Bürgermeister der Stadt Herzberg Christopher Wagner, Philipp Herwig und seine Frau Marlene bei der Ausstellungseröffnung

Philipp Herwig stellt seine surrealen Skulpturen und Collagen im Museum im Schloss Herzberg aus

...von Herma Niemann

Was kann man aus alten Blechen, kaputtem Rattangeflecht, Ästen, rostigen Sägeblättern, Dosen, Fahrradpedalen, einer Kohlenschütte und defekten Schreibtischlampen machen? Man kann diese Sachen zum Müll geben. Oder man haucht ihnen wieder neues Leben ein und lässt daraus beeindruckende Skulpturen und Collagen entstehen.

So wie der 39-jährige Philipp Herwig aus Katlenburg, dessen Kunstwerke ab sofort im Museum im Schloss Herzberg zu sehen sind. Die Vernissage anlässlich seiner Ausstellung „Wir fliegen hoch und fallen tief“ musste wegen der steigenden Infektionszahlen und den damit verbundenen Verordnungen leider ausfallen. Dennoch traf man sich vor Ort mit der Museumsleiterin, Petra Hoeft, und dem Bürgermeister der Stadt Herzberg, Christopher Wagner, in kleiner Runde, um die Ausstellung zu eröffnen.

Die Objekte von Herwig stammen aus der Mythologie, sind Fabelwesen oder Tiere, die wir kennen, nur in einer anderen Verpackung. Die Werke wirken surreal und zwiespältig: auf der einen Seite sind sie utopisch und muten an, nicht von dieser Welt zu sein. Aber auf der anderen Seite sind sie einem dennoch sehr vertraut und aus weltlichen Materialien. Und auch wenn sie manchmal einen düsteren Hauch haben, sorgen sie beim Betrachter doch für eine faszinierende Anziehungskraft.

Zu sehen ist zum Beispiel ein Schmetterling. In der realen Welt, ein sehr filigranes und empfindliches Lebewesen. Bei Philipp Herwig ist der Schmetterling zwar deutlich zu erkennen, aber er besteht aus Blechrohren und Scharnieren. Die Fühler sind aus zwei dicken Drähten gebaut. Von Anmut also keine Spur? Doch, aber in einer ganz eigenen Interpretation. Vielleicht hat der Schmetterling sich aber auch einfach nur der Natur angepasst und sich einen Schutzpanzer angelegt?

Sehr beeindruckend ist auch die Skulptur eines großen Skorpions. Er wirkt mächtig und robust, erscheint aber trotzdem gutartig. Dem Kunststoffrohr, aus dem der Skorpion zum großen Teil besteht, wollte Herwig anfangs ein bisschen mehr Patina verpassen, indem er mit dem Trecker drüber fuhr, leider sei es sofort gebrochen. Für Herwig aber kein Grund, aufzugeben. Ohne diesen Vorfall wäre daraus vielleicht nie dieser Skorpion entstanden. Ein weiteres interessantes Werk, dass leider wegen der Größe nicht den Weg in die Ausstellung finden konnte, ist der „Pegasus“, das geflügelte Pferd der griechischen Mythologie mit einem Stahlkörper, Holzflügel, einem Ofenrohr als Hals und mit Blechen geschützte Holzbeine.

Seine kreative und künstlerische Begabung habe er lange Zeit nicht wahrgenommen, erzählt der Katlenburger. „Aber irgendwann hat mich die Kunst gepackt“. Und das war ungefähr vor zehn Jahren. Das Material für seine Kunstwerke findet Philipp Herwig am Wegesrand, in alten Scheunen, auf Mülldeponien oder im Wald. Und seine Vorgehensweise beim Entstehen der Werke beschreibt der Künstler so: „Das Material entscheidet, was es werden will und ich führe das dann nur aus“. Es sei jedes Mal wieder ein experimentieren, ein wiederkehrendes Verfahren habe er nicht.

Die Werke entstehen in seinem Atelier in Katlenburg und wenn sie fertig sind, kommen sie in die eigene Kunsthalle. Herwig sagt, man könne die Stücke auch als „persönliche Jagdtrophäen“ bezeichnen. Anfangs habe er sich über Trophäen der Jäger schon etwas lustig gemacht. „Ich darf mich über Jäger lustig machen. Ich bin selbst einer“. Und das Welfenschloss sei früher ja auch Jagdschloss gewesen, erzählt er weiter, deshalb würden seine Werke vielleicht gerade gut hierher passen. Vor zwei Jahren, als er sich um die Ausstellung bei der Stadt beworben hatte, habe Herwig noch den Herzberger Künstler, Dieter Utermöhlen, kennenlernen dürfen. Utermöhlen habe sich ihm gegenüber sehr väterlich verhalten, ihm geholfen und sich sehr für seine Kunst interessiert. „Er hat mir damals richtig Druck für die Bewerbung gemacht“, so Herwig.

„Wir freuen uns, dass wir diese Ausstellung im Haus haben“, so der Bürgermeister der Stadt Herzberg, Christopher Wagner „auch wenn die Eröffnung eigentlich anders geplant war. Es ist schön, dass wir mit den Räumlichkeiten einem Künstler aus der Region diese Möglichkeit bieten können“. Man sei gerade auf dem Weg das Museum um noch mehr Ausstellungsfläche zu erweitern und dadurch den Standort stärken. „Ich hoffe, dass die Ausstellung gut angenommen wird“, so Wagner.

Im April des vergangenen Jahres sollte Herwig eigentlich bei der Bundeskunstausstellung des BSW (Stiftung Bahn-Sozialwerk) in Karlsruhe dabei sein, wegen des damals ersten Lockdowns wurde die Ausstellung abgesagt. Im April des kommenden Jahres stellt der Künstler seine Werke in Steinhude in der Kunstscheune aus, sofern die Corona-Krise es zulasse. „Meine Kunstwerke interessieren sich übrigens nicht für Corona, sie freuen sich, einfach mal woanders zu stehen“, so Herwig augenzwinkernd.

Die Ausstellung von Philipp Herwig „Wir fliegen hoch und fallen tief“ ist im Museum im Schloss Herzberg unter den jeweils geltenden Corona-Regeln und zu den Öffnungszeiten noch bis zum 31. März 2022 zu bewundern. Weitere Informationen auf der Homepage www.philippherwig.de.


Sehr beeindruckend ist auch der Skorpion, bestehend aus Plastik-, Blech- und Ofenrohren sowie einer Kohlenschütte

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Eins von 26 Exponaten in der Ausstellung



Filigran und doch stabil: ein Schmetterling mit Schutzpanzer

 

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