Kultur

03.12.2021

Harzer Autoren waren mit Gedichten und Geschichten nicht nur vom Fingerhut im Herzberger Schloss präsent


Sie alle freuten sich, dass viele Literaturfreunde den Weg in den Rittersaal gefunden hatten

...von Petra Bordfeld

Dass es durchaus möglich ist, mit einem Stadtplan den Wald kennen zu lernen, dass zwei Bäume eine harmonische Zweisamkeit darstellen, ein vermeintlich lachender Baum für ein kulturelle Chaos sorgt und der Wilde Westen nicht erst hinter Hamburg, sondern schon im Harz beginnt. Das und vieles mehr machten sechs Schriftsteller/innen während einer überaus gut besuchten Autorenlesung im Rittersaal des Herzberger Schlosses sehr deutlich.

Zu diesem Treffen hatte die Autorin Renate Maria Riehemann zusammen mit der Leiterin der Herzberger Stadtbücherei, Rosemarie Matwijow, geladen. Die vermittelte ihre Freude darüber, dass sie die ruhige Atmosphäre im gefüllten Rittersaal genießen könne und sich so den ganzen Literatur-Abend auch sehr wohl fühlen dürfe. Und die Gäste machten mit ihrem Beifall sehr deutlich, dass sie alle ihrer Meinung waren. Mit Applaus wurde im Verlauf des überaus unterhaltsamen Abends nicht gegeizt.

Renate Maria Riehemann, die Herausgeberin von „Ein Fingerhut voll Harz“, der Anthologie mit den besten Beiträgen zum 3. Literaturpreis Harz, begrüßte die Gäste mit einem Gedicht, welches sich hoffnungsvoll um die giftige Pflanze Digitalis Purpurea drehte. Danach führte Riehemann in gewohnt unterhaltsamer und lockerer Weise durch das Programm. 

Liselotte Degenhardt aus Bad Sachsa, die mehr als 15 Jahre auf dem Weg der Lyrik wandert, stellte sich mit den Gedichten „Manchmal“, „Freischwimmer“ und „Träume“ vor. In den lyrischen Texten wurde deutlich, dass die Phantasie für die Autorin ein wichtiges Lebenselixier ist.

Teresa Urban aus Herzberg stellte in ihrem Vortrag klar, wie die Orientierung im Leben mit einem Stadtplan bewältigt werden kann. Sie habe sich einen derartigen Plan von Paris im Internet ausdrucken wollen, sei aber irgendwo „falsch abgebogen“. Sie habe tausend Möglichkeiten gesehen und sich einfach auf den Weg gemacht, der sie schließlich durch den zauberhaften Harz führte. Die Geschichte endete mit dem Satz, dass die Erzählerin auch Paris wirklich einmal kennen lernen möchte, dafür werde sie sich dann eine Wanderkarte vom Harz ausdrucken.

Petra Horn, Ortschronistin aus Bad Grund, gewährte einfühlsam Einblicke in die Zweisamkeit zweier alter, krummer Bäume, die in Realität vor ihrem Fenster „kuscheln“. Ahorn und Buche gedeihen dort prächtig, sind miteinander verbunden, haben ihre Äste wie Arme umeinander geschlungen. Wenn der Wind durch die Äste streift, singen die Bäume ein Liebeslied. Sie sind unterschiedlich und doch miteinander verwachsen. Die einzige reale Sorge, welche Petra Horn hat, ist die, dass die verliebten Bäume, die ihre Augenweide und Traumwiese sind, eines Tages der Säge weichen müssten.

Rüdiger Aboreas aus Bad Grund erzählte eine ganz besondere Begebenheit, welche sich in der Bergstadt hätte ereignen können. Dafür lud er zu einem Spaziergang in den Weltwald ein und die Zuhörer/innen gingen gerne mit. Denn sie wollten alles über den lachenden Baum erfahren, den eine junge Nordic Walkerin entdeckt hatte und darüber leider nicht schweigen konnte. So war bald nicht nur in den Zeitungen darüber zu lesen, sondern auch Fernsehsender rückten an. Sogar die Politik stritt sich darum, wo der Baum neu gepflanzt werden sollte. Das dürfte dem lachenden Baum zu viel gewesen sein, denn er verstummte und ließ sich von niemanden, nicht einmal von König Hübich, dazu überreden, wieder zu lachen. „Die Erinnerungen verdunstete, wie das Wasser in der Sonne“, so der Autor.

Dalina Schmidt aus Eisdorf begab sich mittels gekonnter Wortspielereien auf weichen Waldboden, der sie sehr beruhigte. Schließlich streifte sie ein Gefühl von Freiheit und schärfte die Sinne. Energie und Frische saugte sie bei jedem Schritt auf. Sie war selbstredend im Harzer Wald unterwegs, wo ihr auch der Fingerhut begegnete, und sie konnte sich sicher sein, dass einige der Gäste bestimmt auch schon derartige genussvolle Erfahrungen gemacht hatten.

Olaf Urban-Rühmeier aus Herzberg wiederum beschrieb die Harz-Mountains, in denen es durchaus den Wilden Westen geben könnte. Festgestellt hatte er es an einem blassen Novembertag, als er mit seinem Freund über Corona und Whiskey sprach. Als dritter im Bunde tauchte ein 80jähriger Mann auf, der zwar John Wayne hätte sein können, doch er war nicht mit einem Pferd, sondern einem Pick-up unterwegs. Aber auch Kinder, mit Pfeil und Bogen auf Achse, trafen auf die Männer. Nach dem zweiten Pfeil, der bei den Erwachsenen landete, stand für sie fest, dass es den „Wilden Westen“ im Harz tatsächlich gibt.
Rosita Busch aus Clausthal-Zellerfeld brachte als letzte Vortragende verschiedene Gedichte zu Gehör, die den Zuhörenden gute Stimmung vermittelten. Denn die Autorin verstand es, ihre Liebe zum Harz sehr deutlich zu machen. „Du kannst dann in die Tiefe des Grüns eintauchen und über einen Nadelteppich laufen, ungeahnt neue Kraft nutzen und mit der Natur im Einklang schwingen“.

Renate Maria Riehemann dankte den Autoren und Autorinnen sowie den Gästen für den schönen gemeinsamen Abend. Als sich alle auf den Heimweg machten, hofften bestimmt nicht wenige, dass sich der historische Rittersaal bald wieder zu einem gemütlichen Hörsaal verwandeln wird. Vielleicht mit einer Autorenlesung zum nächsten Literaturpreises Harz.

 

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