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27.11.2021

Ein Licht für verschleppte Yezidinnen entzündet


Aktivistinnen und Aktivisten der Gesellschaft für bedrohte Völker bei ihrer Mahnwache

Die Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hatte zur Mahnwache eingeladen.

von Ralf Gießler

Am 25. November fand der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen statt. Es ist ein jährlich abgehaltener Gedenk- und Aktionstag zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeglicher Art gegenüber Frauen und Mädchen. In Göttingen fanden in der Innenstadt gleich zwei verschiedene Veranstaltungen statt.

Zum einem hatte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am frühen Abend zu einer Mahnwache in der Nähe des Kornmarktes eingeladen. 

Um auf das Schicksal von Yezidinnen im Irak aufmerksam zu machen, nutzte die GfbV einen yezidischen Brauch, bei dem ein kleiner Baum mit bunten Bändern geschmückt wird. Diese sollen gute Wünsche repräsentieren. Wer mochte war herzlich eingeladen, ein eigenes Band an das Bäumchen zu hängen. "Viele Menschen haben uns bereits im Vorfeld ihre guten Wünsche geschickt, die wir in ihrem Namen an unseren Baum gebunden haben", berichtete ein Vertreter der Menschenrechtsorganisation.

Das Yezidentum lässt sich als Religion gesichert bis ins 11. Jahrhundert belegen, ist aber wahrscheinlich deutlich älter. Die meisten Yeziden sind Kurden und in gewisser Weise sowohl eine Religionsgemeinschaft als auch ein Volk. Zu ihrem Glauben kann man nicht konvertieren, man wird hineingeboren. In ihrer Heimatregion leiden die Yeziden seit jeher darunter, dass sie quasi eine doppelte Minderheit darstellen. Als Kurden sind sie eine ethnische Minderheit im Irak, in der Türkei, in Syrien und im Kaukasus. Innerhalb der sunnitisch geprägten muslimischen Kurden sind sie zusätzlich eine religiöse Minderheit. Sie werden dort unter anderem als vermeintliche "Teufelsanbeter" verfolgt.

Ein ganz besonders schlimmes Erlebnis fiel in den Sommer vor sieben Jahren. Im August 2014 überfiel der sogenannte Islamische Staat (IS) das Hauptsiedlungsgebiet der Yeziden im Norden Iraks und in Syrien. Der verübte Völkermord durch IS-Kämpfer kostete 5.000 Menschen das Leben, 7.000 wurden versklavt. Über 400.000 wurden aus ihrer Heimat vertrieben und mussten fliehen. Inzwischen leben nach eigenen Einschätzungen etwa 190.000 bis 200.000 Yeziden in Deutschland. Das bedeutet, dass sie nach Muslimen und Christen die drittgrößte Religionsgruppe unter den Asylbewerbern in Deutschland stellen.

Ziel des damaligen Angriffes war die vollkommene Auslöschung dieser Minderheit. Männer wurden getötet, Jungen zwangsrekrutiert. Besonders Frauen hatten sehr zu leiden, sie wurden verschleppt, verkauft und vergewaltigt, 3.000 werden weiterhin vermisst. Damit sie nicht in Vergessenheit geraten, wurden am Wunschbaum auch Lichter für verschleppte Yezidinnen entzündet. Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV, richtete einen Appell an die Bundesregierung: "Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, mehr für die Freilassung der vermissten Frauen zu tun sowie Frauen besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen."

Unabhängig von der Aktion der GfbV zog zum anderen ein Demonstrationszug durch die Innenstadt. Die überwiegend jungen Demonstrantinnen und Demonstranten sprachen sich lautstark gegen patriarchale Gewalt und Femizide aus.


Ein Licht für verschleppte Yezidinnen

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Dr. Kamal Sido, (links mit Megaphon), Nahostexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker, erinnerte an verschleppte Yezidinnen


Wer mochte, konnte Bändchen, die gute Wünsche repräsentieren sollen, an das kleine Bäumchen hängen

Unabhängig von der Mahnwache der GfbV gab es eine Demonstration gegen patriarchale Gewalt und Femizide

 

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