Regionales / LK/Stadt Göttingen

05.11.2021

Für alle, die Fragen haben und Antworten suchen


„Christliche Synagoge“ in den Gemeinden Gieboldehausen und Wollershausen

...KKHL - Mareike Spillner

Wenn die Kirche so bleibt, wie sie ist, bleibt sie nicht. Auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens ist Aufbruchstimmung angesagt, Neues wird ausprobiert und ein Perspektivprozess angeschoben. So auch in Gieboldehausen und Wollershausen – mit einem neuen kirchlichen Angebot:

Der „Christlichen Synagoge“. Pastor Johann-Hinrich Witzel erklärt: „Die Synagoge ist biblisch bezeugt ein Raum nicht nur für gottesdienstliche Feier, sondern auch für die Versammlung von Menschen, die Fragen haben und Antworten suchen und über die Wahrheit und Geltung von religiösen Überlieferungen und religiöser Praxis streiten.“ Dieses neue Gottesdienst-Format soll im wöchentlichen Wechsel stattfinden – es sei denn, ein besonderer Festtag wie Weihnachten verhindert dieses.

Auf einen „agendarischen Gottesdienst“ im jeweiligen Ort folgt demnach in der nächsten Woche eine „christliche Synagoge“. Premiere war am Reformationstag um 9 Uhr in Gieboldehausen, die Wollershäuser kommen am Sonntag, 7. November, um 10.30 Uhr in den Genuss dieser neuen Form der Gemeindeversammlung.

Es gab Orgelmusik und Gesang – und dann auch einen Bibeltext und ein Thema. Ausgangspunkt der Gespräche war diesmal eine Geschichte von Jesus in der Synagoge, Lk 4,16-24, dem gerade ein bestimmter Textausschnitt zum Verlesen zugeteilt wird. Im Anschluss erläuterte Pastor Johann-Hinrich Witzel das Prozedere der vier bunten „Meldekarten“: Zuhören, Beteiligen, Anmelden und Mitteilen. Damit kann sich jeder Gottesdienst-Besucher aussuchen, in welcher Form er sich an Gespräch und Diskussion beteiligen möchte.

Und der Auftakt verlief vielversprechend. Sofort kamen die ersten Wortmeldungen und man kam miteinander ins Gespräch, das der Pastor leitete. Er sah sich dabei als „Wächter des Textes“ und verdeutlichte, dass man es bei dem Textausschnitt mit zwei Ebenen zu tun habe: Mit der Bedeutung der Person und mit der Bedeutung des Textes. Und dann komme vielleicht noch der Heilige Geist ins Spiel. Witzel: „Die Entscheidung, ob der Heilige Geist aktiv ist, entscheidet jeder von Ihnen selbst, mit seinem Gewissen.“ Und zum Abschluss, vor dem gemeinsamen Lied „Lobe meinen Gott“, einem letzten Orgelstück und dem Segen, gab er mit auf den Weg: „Nehmen Sie Fragen aus dem Gespräch mit in die Woche.“ Und das werden die Besucher dieses neuen kirchlichen Angebotes sicher tun. Sie äußerten sich jedenfalls begeistert über dieses etwas andere Format, das gleich auf fünf verschiedene Arten gemeindlichen Raum bietet: einen Erinnerungsraum, einen Lernraum, Raum der Interpretation, Raum der Begegnung und einen Streitraum.

Die „christliche Synagoge“ hat mit einer gottesdienstlichen Feier die ersten vier Funktionen gemeinsam. Der Unterschied, der aber wesentlich sei, bestehe in der Funktion als Streitraum und damit für die Öffnung für Neues und Widersprüche und das gemeinsame Gespräch darüber. Der Pastor verdeutlicht: „Dass wir das für die Lebendigkeit unserer Kirche und des Gemeindelebens dringend brauchen, davon sind wir überzeugt. Das ist der Grund, warum wir das Experiment der christlichen Synagoge wagen!“





 

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