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04.11.2021

Durch die Glaskugel: Max Schuller stellt seine Fotos aus


Besucher der Ausstellung können sich auf sechs kreative Foto-Collagen in den Räumen des Familienzentrums in Herzberg freuen

Der behinderte junge Osteroder ist Kommunikationsbotschafter und hat seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckt/Ausstellung am 6. November im Familienzentrum.

von Herma Niemann

Während der diversen Lockdowns unter der Corona-Pandemie und den dazugehörigen Kontakt- und Versammlungsverboten sowie ausgefallen Veranstaltungen, ist den Menschen besonders schmerzlich bewusst geworden, wie wichtig der Kontakt zu anderen und wie wichtig die Kommunikation ist.

Menschen kommunizieren mit den Augen, den Händen und auch mit dem Mund. Sie haben das Bedürfnis nach Kontakt, nach Austausch. Wer aber aufgrund von angeborenen oder erworbenen Schädigungen in seiner Kommunikation beeinträchtigt ist, für den ist es oftmals schwierig, mit anderen Menschen „ins Gespräch“ zu kommen. Doch dank unserer modernen Technik müssen Menschen mit einem Handicap heutzutage nicht mehr auf die für ein selbstbestimmtes Leben so wichtige Verständigung verzichten.

Das Problem: viele Menschen mit Beeinträchtigungen kennen diese Möglichkeiten gar nicht. Abhilfe kann die sogenannte Unterstützte Kommunikation schaffen, die es Menschen ermöglicht, eine erhebliche Verbesserung ihrer Verständigung zu erreichen. Das gilt auch für den 19-jährigen Max Schuller aus Osterode. Max besucht die Wartbergschule in Osterode und kann sich dank eines sogenannten „Talkers“ unterhalten.

Max erlitt bei seiner Geburt einen Sauerstoffmangel, wie seine Mutter Evelyn Schuller, in einem Gespräch mit unserer Zeitung berichtet. Dadurch hat Max mehrere Schwerstbehinderungen, kann nicht laufen und bis auf die Worte „Mama“ und „Papa“ auch nicht sprechen. Geistig sei Max fit, so seine Mutter, auch wenn seine Entwicklung insgesamt nicht altersgerecht sei. Dank seines „Talkers“, einem Sprachcomputer, kann Max sich aber nun verständigen. Dazu kann er entweder bereits vorgefertigte Bausteine verwenden oder aber auch eigene Sätze bilden. Max steuert den Sprachcomputer mit seiner Nase, andere wiederum benutzen die Augen. Das funktioniert nicht nur über einen Sprachcomputer sondern auch über verschiedene Apps.

Elektronische Kommunikationshilfen, auch bekannt als Talker oder Sprachcomputer, bieten die Möglichkeit, über Symbole oder Schriftsprache Mitteilungen einzugeben und diese über eine Sprachausgabe sprechen zu lassen. Das Spektrum reicht von einfachen Kommunikationsgeräten aus dem Bereich der Kommunikationsanbahnung / Kommunikationsförderung bis hin zu komplexen Kommunikationshilfen. Zur Ansteuerung dieser Systeme stehen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung.

Um auch anderen Menschen zu zeigen, dass es viele Möglichkeiten zur Unterstützung der Verständigung gibt, ist Max seit kurzem einer von vielen offiziellen Kommunikationsbotschaftern der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation in Köln. Max ist also Ansprechpartner und gleichzeitig auch ein gutes Vorbild für das, was trotz Behinderung möglich ist.

Die Gesellschaft für unterstützte Kommunikation ist eng verbunden ist mit einem großen Netzwerk. Wissenschaftler, Therapeuten, Lehrer, aber auch Betroffene und deren Angehörige und Freunde haben sich auf der ganzen Welt zu der International Society for Augmentative and Alternative Communication (ISAAC/der internationalen Gesellschaft für ergänzende und alternative Kommunikation) zusammengeschlossen . Die Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kommunikationsmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die sich nicht oder nicht zufriedenstellend über die Lautsprache mitteilen können, zu fördern.

Damit Max Kommunikationsbotschafter werden konnte, stand jedoch am Anfang zunächst eine Projektidee im Vordergrund. „Max hat sich schnell für das Fotografieren durch eine Glaskugel entschieden“, so seine Mutter. Wenn man durch eine Glaskugel fotografiert, steht alles auf dem Kopf. „Da habe ich zu Max gesagt, das passt zu Dir“. Eine Verbündete bei der Projektarbeit habe Max in Melanie Funke von der Werbeagentur Harzkind gefunden. Sie habe nicht nur Kleidung gesponsert sondern auch beim Erstellen der Collagen, Flyer und Postkarten geholfen. Die Fotos durch die Glaskugel hat Max mit einer sogenannten Blogger-Kamera gemacht, die mit einer Stange am Rollstuhl befestigt wird, und einer speziellen Foto-App. Entstanden sind daraus nun sechs großformatige Collagen mit Tier- und Naturmotiven sowie auch Freunden.

Der Projektkurs fand online statt, dabei unterstützte eine Mediengestalterin. Das letzte Treffen in Präsenz soll Ende Oktober in Hannover stattfinden, dann erhält Max auch sein Zertifikat. Als die Leiterin des Familienzentrums und des Familienentlastenden Dienst Herzberg, Iris Schmitz, auf die Fotos aufmerksam wurde, sei ihr sofort die Idee gekommen, die Bilder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bereichert werden die Collagen noch durch Sinnsprüche wie „Wer Dein Schweigen nicht versteht, versteht Deine Worte auch nicht“.

Die Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation ist institutionelles Mitglied in der International Society for Augmentative and Alternative Communication (ISAAC) und im Paritätischen Wohlfahrtsverband und arbeitet mit anderen Organisationen der Rehabilitation (zum Beispiel dem Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte und der Bundesvereinigung Lebenshilfe) eng zusammen.Weitere Informationen unter www.gesellschaft-uk.org oder bei Instagram Lifeof_Max.Schuller.

 

Die Ausstellung der Collagen von Max Schuller findet

am Samstag, 6. November, von 14 Uhr bis 17 Uhr

in den Räumen des Familienzentrums in Herzberg (Hindenburgstraße 27A) statt.

Der Eintritt ist frei.

Für das leibliche Wohl ist mit Kaffee und Kuchen gesorgt.


Max Schuller kann mit einem Sprachcomputer mit anderen Menschen kommunizieren


Banner für die Ausstellung der Fotos von Max Schuller

 

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