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08.10.2021

Wanderklub „WK MOS“ auf spanischen „Abwegen“


Der private „Wanderklub mit ohne Stempel“ war sechs Tage auf dem Jakobsweg Camino Santiago de Compostela unterwegs.

von Herma Niemann

Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist das Wandern bei den Menschen zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung geworden. Mehr als 37 Millionen Menschen in Deutschland wandern regelmäßig. Und das hat einen guten Grund, denn wer wandert, fühlt sich körperlich und seelisch entspannter. Man tut etwas für die Gesundheit und schüttelt den Alltagsstress ab.

In Deutschland gibt es fast 200.000 Kilometer an befestigten und abwechslungsreichen Wanderwegen. Auf einigen dieser Wege ist auch der private „Wanderklub mit ohne Stempel“ (WK MOS), rund um den Gittelder, Harald Hartje, regelmäßig unterwegs. Und das schon seit dem Jahr 2008, meistens auf den Wegen der Harzer Wandernadel. Die Harzer Wandernadel ist ein Wandersystem, mit dem man nicht einfach nur wandert, hier geht der Wanderer auf Stempeljagd. Und durch das Sammeln der Stempel kann man zum Wanderkaiser und zur Wanderkaiserin werden. Voraussetzung ist, die insgesamt 222 fest installierten Stempelstellen zu erreichen. Insgesamt hat man dann eine Strecke zwischen 1.000 und 1.150 Kilometern zurück gelegt.

„Mit ohne Stempel“, das ist ein Motto, das schon den Spaß und den Humor der Truppe andeutet, denn die Teilnehmer sind keine verbissenen Stempelfans, sie bewegen sich nur gerne an der Luft, auf Naturpfaden und weil sie Spaß daran haben. Zu der Gruppe gehört neben Harald Hartje, selbst dreifacher Wanderkaiser, und seiner Frau Heidi auch Manfred Weber, Tina Walde, Susanne Oppermann, Gaby und Marcial Fernandez-Ramirez, Petra und Frank Pinnecke, Claudia und Michael Pinnecke, Nicole Schneider, Hartmut Weber und natürlich seine Paula. Paula ist ein wanderfreudiger Border Collie-Huski-Mischling. Zwischen zwölf und 18 Wanderungen unternimmt die Gruppe im Jahr, überwiegend auf den Wegen der Wandernadel. Der Wanderklub probiert aber auch gerne andere Wandersysteme aus.

Im September konnte der „Wanderklub mit ohne Stempel“ eine ganz andere Laufkulisse genießen, nämlich auf dem Jakobsweg in Spanien, dem Camino (Weg) Santiago de Compostela. Erster Impuls bei vielen begeisterten Wanderern: „Ich möchte den Jakobsweg gehen“. Hat man sich dann erst einmal informiert, kann man feststellen, dass es gar nicht den einen Jakobsweg gibt, sondern es gibt viele Jakobswege und Routen. Der Jakobsweg oder auch Jakobusweg ist ein ganzes Wege-System. Es ist richtig, von den Jakobswegen in der Mehrzahl zu sprechen, sie erstrecken sich über ganz Europa.

In Spanien zum Beispiel münden die Jakobswege in den Camino Francés. Er führt von St.Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen nach Roncesvalles. Von dort führt der Weg bis nach Santiago de Compostela in Nordwestspanien und noch weiter bis ans Kap Finisterre am Atlantik. Der Begriff Jakobsweg bezieht sich auf den Apostel Jakobus den Älteren. Er war zusammen mit seinem Bruder Johannes einer der zwölf Apostel Jesu. Nach der Legende war er in Spanien als Missionar unterwegs. Noch heute dient das Symbol der Jakobsmuschel als Wegweiser in ganz Europa. Eine gelbe Muschel auf meist blauem Grund weist den Jakobspilgern den Weg und lässt außerdem erkennen, durch welche Städte und Ortschaften ein Jakobsweg führt. Oftmals sieht der Pilger aber auch nur einen gelben Pfeil oder Strich an Laternen, Mauern oder Masten. Da weiß auch sofort jeder, dass damit der Jakobsweg gemeint ist.

Innerhalb von sechs Tagen erwanderte jeder Teilnehmer des Wanderklubs stolze 137 Kilometer, entlang an malerischen Zitronen-, Clementinen- und Eukalyptus-Hainen. Nach einer Anreise von 35 Stunden über Frankreich wurde jedoch zuvor erst einmal in Mandras die Unterkunft bezogen. Dort übernachtete die Gruppe auch jeden Abend und startete von dort aus jeden Tag zu der nächsten Etappe. Die eigentliche erste Etappe startet in Allariz, dort war auch der erste von 27 Stempeln zu holen, die in den Pilgerpass kommen. Nach dem ersten Tag und zwölf Kilometern konnte man den dritten Stempel im Pass bewundern. Am zweiten Tag begegnete ihnen ein Bad Segeberger, mit dem sie sofort ins Gespräch kamen. Der „Pilger-Bruder“, wie Harald Hartje ihn humorvoll nennt, habe zu dem Zeitpunkt schon stolze 800 Kilometer Wanderung hinter sich gehabt. Sein Ziel sei ebenfalls Santiago de Compostela gewesen.

Insgesamt sei auf dem Camino aber sehr wenig los gewesen, so Hartje. Das sei aber nicht untypisch für September. Bis auf einen Tag mit leichtem Nieselregen, hätten sie mit dem Wetter Glück gehabt. An Tag vier rückte das Ziel Santiago de Compostela immer näher. Nur noch 50 Kilometer. Dennoch musste die Gruppe zwei „kniedefekte“ Mitglieder beklagen. Am nächsten Tag waren aber alle wieder fit. Die letzten Kilometer bis zum Ziel am sechsten Tag beschreibt Harald Hartje als anstrengend aber schön. „Unsere Susanne wollte vollkommen fertig in Santiago ankommen, und ich glaube, wir haben es auch ein wenig geschafft, ihr diesen Wunsch zu erfüllen“, sagt Hartje scherzhaft. Noch etwas anstrengender sei jedoch das Anstehen im Büro der Kathedrale gewesen, wo die begehrten Urkunden ausgestellt werden. Denn dort waren und warteten an dem Tag noch vor den Mitgliedern des Wanderklub rund 1.000 andere Jakobs-Pilger. Die Wartezeit betrug fast drei Stunden.

„Aber alle Anstrengungen sind es wert, wenn man am Ende sein Ziel erreicht hat“, sagt der Gittelder, der zudem die exzellente Beschilderung auf den Pilgerpfaden lobt. Eine kleine „Verewigung“ ließ der Wanderklub auch vor Ort, nämlich einen bemalten Stein auf einem Wegweiser des Camino. Als der Weg beendet war, genossen alle zusammen noch einige Tage die Auszeit vom Laufen. „Wanderstöcke und Schuhe kamen erst mal in die Ecke“, so Harald Hartje. Sie waren am Atlantik, besuchten die Alte Festung in Monte Real und fuhren zum Kap Finisterre. „Finisterre“ bedeutet das Ende der Erde, zumindest wurde das früher von den Menschen vermutet.

Anfangs, im Jahr 2008, waren es nur vier Klubmitglieder beim „WK MOS“, im Laufe der Jahre seien es immer mehr geworden, so Harald Hartje, der sich schon seit fast zehn Jahren ehrenamtlich um die Pflege der Stempelkästen der Harzer Wandernadel im WeltWald in Bad Grund, bei der Kaysereiche zwischen Bad Grund und Buntenbock und bis vor kurzem auch um den wandernden Stempelkasten an der bekannten Ruine Stauffenburg (Seesen) kümmert. Für den 62-Jährigen liegt der Reiz beim Wandern darin, dass man auf jeder Strecke eine andere schöne Landschaft entdecken und genießen kann und man auch immer nette Menschen kennen lernt. „Wanderer grüßen sich und sprechen miteinander“, schwärmt Harald Hartje. Und der gesundheitliche Aspekt sei auch nicht zu unterschätzen.


Das Logo des privaten Wanderklubs mit ohne Stempel

Die Wege auf dem Jakobsweg sind gut beschildert. Die Jakobsmuschel ist das Erkennungszeichen

137 Kilometer wanderte jedes Mitglied des Wanderklubs in sechs Tagen

Die Gruppe ist am Ziel, vor der Kathedrale in Santiago de Compostela

Sich verewigen muss sein

Am Kap Finisterra, sozusagen am Ende der Erde

Für einen vollen Wanderpass auf dem Jakobsweg gibt es eine Urkunde

 

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