Kultur / Rezensionen

27.09.2021

Hoffnungen, die mit dem Tod enden


Sebastian Fitzek, Frauke Buchholz, Andreas Gruber bei der Preisverleihung

Frauke Buchholz gewann den Harzer Hammer 2021 für „Frostmond“

von Christian Dolle

Eine Wasserleiche, Teil einer Mordserie an jungen Frauen indigener Herkunft entlang der Transcanada-Route. Dazu zwei Ermittler, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Während sie ihre Ermittlungen in einem Reservat der Cree beginnen, hat der eine mit seinen Vorurteilen den First Nations gegenüber zu kämpfen, der andere mit seinem Desinteresse für diesen Fall und überhaupt für seinen Job. 

Der Krimi „Frostmond“ von Frauke Buchholz ist eines dieser Bücher, die vermutlich geschrieben wurden, weil die Autorin auf ein bestimmtes Thema aufmerksam machen wollte. Hier sind es die vermissten jungen Frauen in Kanada und die Bedingungen, unter denen die First Nations, wie die indigenen Völker dort genannt werden, heute leben. Keine Aussicht auf Jobs, Alkohol, schwierige Familienverhältnisse, kaum verhohlener Rassismus seitens der Weißen. 

Frauke Buchholz promovierte über zeitgenössische indigene Literatur, lebte selbst einige Zeit in einem Cree-Reservat. Damit ist klar, dass das traurige Schicksal vieler Frauen wohl ihre Triebfeder fürs Schreiben war und sie zudem definitiv weiß, wovon sie erzählt. In den meisten Romanen geht sowas dennoch meistens gehörig schief, weil eine Geschichte um ein Thema herum konstruiert wird und leider oft kaum mehr als Träger für Fakten und Appelle ist. 

Diese Befürchtung räumt „Frostmond“ aber schon sehr früh mit der Einführung der beiden Protagonisten ein. Garner denkt konservativ und wenig empathisch, dabei aber sehr logisch und analytisch, was ihn zum Arschloch, aber auch zum brillanten Ermittler macht. LePoux hadert mit sich, mit seiner Schwäche, seiner Frau treu zu sein, mit seinem Job, hat dabei aber einen guten Spürsinn und gleicht instinktiv aus, was seinem Kollegen an Feingefühl fehlt. 

In der Kombination kommen beide nicht nur den Morden immer mehr auf die Schliche, sondern geben auch ein Duo ab, das packend durch die Story trägt und von dem man als Leser mehr haben möchte. Sie beide sind keine Helden, ganz im Gegenteil, gerade dadurch faszinieren sie aber und sorgen für zusätzliche Spannung. Vor allem, wenn es zwischen LeRoux' Ehefrau und Garner bei jeder ihrer Begegnungen deutlich knistert. 

Ebenso nimmt der Fall als solcher ziemlich schnell Fahrt auf. Es gibt gut recherchiert und glaubhaft wirkende Einblicke in das Sozialgefüge in und um ein Reservat. So ist da der beste Freund eines der ermordeten Mädchen, eine Vierzehnjährige, die von zu Hause weglief, in der Hoffnung, in der Großstadt ein besseres Leben zu finden. Jener beste Freund macht sich seinerseits auf die Suche nach der Geschichte ihrer letzten Wochen und nach dem Täter, da er der weißen Polizei nicht vertraut. Somit beginnt auch ein Wettlauf, der sich immer weiter zuspitzt und von Kapitel zu Kapitel mehr Böses erahnen lässt. 

Der Autorin gelingt es, beide Seiten der Wahrheitssuche durch unterschiedliche Schreibstile klar abzugrenzen, außerdem schafft sie es, die Spannung durchgehend hoch zu halten, ohne Emotionen und glaubhafte Charakterisierungen aller Figuren und sogar die indianische Mystik dabei zu vernachlässigen. Gerade für ein Erstlingswerk ist es ein bemerkenswerter Krimi, ebenso auch einer, der Lust auf eine Fortsetzung macht. 

Aus diesem Grund entschied sich die Jury des Mordsharz-Teams, Frauke Buchholz im Rahmen des diesjährigen Festivals den Harzer Hammer für ihr Erstlingswerk zu verleihen. Doch ob preisgekrönt oder nicht, dieser Krimi lohnt sich in jedem Fall zu lesen, wegen des viel zu wenig präsenten Themas, wegen des spannenden Plots und auch wegen des Schreibstils der Autorin, der definitiv Lust auf mehr macht. 



 

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