Panorama

16.09.2021

Zehn Tage auf Schlaglochstrecken im Balkan unterwegs


Daniela und Jürgen Ernst waren zehn Tage in den Balkanländern unterwegs

Daniela und Jürgen Ernst haben im August am „Pothole Rodeo“ teilgenommen

...von Herma Niemann

„Von einfach war nie die Rede“ und „Rechne mit allem, außer Urlaub“. So lauten zwei der vielen Slogans des „BackRoadClub“, der seit 2014 abenteuerliche Rallyes auf unterschiedlichen Touren für Auto und Motorrad in verschiedenen Ländern anbietet. Und diese Mottos können Daniela und Jürgen Ernst aus Nienstedt auf humorvolle Weise bestätigen, denn das Ehepaar war im August beim „Pothole Rodeo“ dabei und ist begeistert. „Das war kein Urlaub, das war Abenteuer pur“, schwärmen die beiden. Mit der Anreise über Österreich haben die zwei 7250 Kilometer Strecke zurückgelegt.

Das „Pothole Rodeo“ (Pothole heißt auf Deutsch Schlagloch) führt in zehn Tagen durch elf Länder des Balkans, währenddessen müssen drei Höhenzüge und 4.000 Kilometer Strecke bewältigt werden. Eine Bedingung unter anderem war, dass das Auto mindestens 20 Jahre alt sein muss und unter 500 Euro in der Anschaffung gekostet hat. Das traf auf den Fiat Scudo der beiden zu. Ihr „Hobel“ war ein weißer Kastenwagen Baujahr 1998, 230.000 Kilometer auf dem Tacho, nur ein Airbag, die Fenster noch zum kurbeln und dazu noch eine schöne Patina aus Rost. Der Wagen habe eigentlich gut durchgehalten, und wie Jürgen Ernst sagt, sei er sogar erstaunt gewesen, dass der Scudo nur sechs Liter auf 100 Kilometer verbraucht habe. Leider konnten sie sich auf die Tankanzeige nicht hundertprozentig verlassen und haben immer nach Gefühl und Kilometern getankt. Einen Reservekanister hatten die beiden nicht dabei. Den, wie auch andere wichtige Werkzeuge und sogar den Proviant für den ersten Anreisetag hatten sie am frühen Morgen nämlich zuhause vergessen. „Wir hatten alles gut geplant, aber als es losging dann eben doch vieles vergessen“. Darum mussten sich die beiden aber keine Sorgen machen, denn die Gastfreundschaft in den jeweiligen Ländern sei sehr groß gewesen, wie auch die Hilfsbereitschaft unter den Teilnehmern. Über eine Whatsapp-Gruppe stand man in Kontakt, und regelmäßig wurde abgefragt, ob jemand Hilfe oder zum Beispiel einen Keilriemen oder Radlager benötigen würde. Das geschah auch bei den morgendlichen Treffs, wo es vom „BackRoadClub“ Kaffee und Obst gab. Ein paar Mal habe der Motor allerdings nicht richtig anspringen wollen, was Jürgen als KFZ-Mechaniker aber wieder hinbekommen habe. Kurios sei jedoch eine Situation gewesen, als Jürgen beim Fahren bemerkte, dass etwas in den Fahrerraum gefallen sein muss und Daniela dann einen Autoschlüssel hochhob. Das war der Zündschlüssel des Scudo, der kurzfristig auch ohne Schlüssel munter weiterfuhr. Besonders beeindruckt haben die beiden die atemberaubenden Landschaften, mit schroffen Bergwelten, rasanten Straßenführungen, Seen, Wasserfällen und Flüssen. Manchmal begegneten ihnen einzelne Kühe auf Wanderschaft, aber auch Bären. Aber nicht alle Eindrücke waren schön, so Daniela. Denn manchmal prallten regelrecht Welten aufeinander: auf der einen Seite bettelnde Menschen am Straßenrand, und auf der anderen Seite jede Menge Luxuskarossen. Besonders schlimm sei für sie in den ärmeren Ländern auch der Anblick vieler toter Tiere am Straßenrand gewesen und die Tatsache, dass die Menschen die Umwelt derart mit Plastikmüll verunreinigen.

Vom Organisator hatten die Teilnehmer ein Roadbook erhalten. Darin waren die Touren, die jeweiligen Treffpunkte und Übernachtungsmöglichkeiten, aber auch schöne Ausflugsziele in den Ländern zu Denkmälern und sogenannten Lost Places aufgeführt. Als sehr beeindruckend schildern die beiden unter anderem den Besuch des Monument Petrova Gora. Das Denkmal des Aufstandes der Einwohner von Kordun und Banja ist eine Gedenkstätte des jugoslawischen Widerstandes im Zweiten Weltkrieg. Es befindet sich auf dem höchsten Gipfel Veliki Petrovac des zentralkroatischen Gebirges Petrova Gora. Ebenso sehenswert: die Staue des Decebalus in Rumänien. Die Statue des Dakerkönigs Decebalus ist eine 55 Meter hohe Statue und zugleich die höchste Felsskulptur in Europa. Sie befindet sich an einer Felsformation des Almăj-Gebirges am Donauufer bei der Ortschaft Dubova, südwestlich der Stadt Orșova, im Naturpark Eisernes Tor. Zehn Jahre haben zwölf Bildhauer an dem Monument gearbeitet.

An einem Tag stand auch der Besuch der Missionsstation in Fushe-Arrez in Albanien auf dem Programm, eins von mehreren Charity-Projekten des „BackRosdClub“. Von den Teilnehmern gingen dorthin diverse Sachspenden. Gecampt hätten die beiden im Übrigen nur einmal, und das nur aus der Zeitnot heraus. Ansonsten waren sie entweder privat oder in Hotels untergekommen. Eigentlich hatten Daniela und Jürgen vorgehabt, die Navigation per Handy vorzunehmen. Leider machte ihnen aber in manchen Ländern das International Roaming einen Strich durch die Rechnung, sodass sie auf eine ganz normale Landkarte umstiegen. „Bei den Entfernungen, die wir pro Tag zurücklegen mussten, hätten wir gedacht, dass es stressiger wird“, so Daniela „so war es aber nicht, es war ganz entspannt“. Irgendwann sei man jedoch dazu übergegangen, nicht mehr in Kilometerangaben, sondern Zeitangaben miteinander zu kommunizieren. Für eine Strecke von 50 Kilometern brauchte man bei den dortigen Straßenverhältnissen etwa zwei Stunden. Beeindruckende und unterhaltsame Einblicke in die Tour gibt es unter www.backroadclub.com.


Abenteuerliche Straßen und Kurven galt es auf dem Pothole Rodeo durch die Balkanländer zu bewältigen

Der Fiat Scudo mit dem Baujahr 1998 hat gut durchgehalten

Die Staue des Decebalus in Rumänien

Das Monument Petrova Gora in Kroatien

Jeden Morgen gab es beim frühen Treffen nützliche Infos für die Teilnehmer

 

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