Regionales / Gem. Bad Grund / Eisdorf

26.07.2021

Was ein Dorf zusammen hält


Harald Dietzmann, Nikolai Simon-Hallensleben, Andreas David Schmidt, Prof. Dr. Berthold Vogel, Petra Pinnecke und Maike Simmank nach dem Ortsrundgang durch Eisdorf (v.l.)

Das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen geht der Frage nach, was das Leben in ländlichen Regionen so charmant macht

...von Herma Niemann

Was hält ein Dorf zusammen und was macht es lebens- und liebenswert? Dieser Frage geht das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) momentan in Eisdorf nach. Warum ausgerechnet Eisdorf? Als eine sehr ländlich gelegene Gemeinde zeigt Bad Grund mit dem Ortsteil Eisdorf für das SOFI interessante Aspekte im sozialräumlichen Wandel.

Denn hier haben sich Menschen aufgemacht, die gute Lebenssituation zu erhalten und sogar zu verbessern. Denn trotz demographischer und struktureller Veränderungen, durch die sich viele ländliche Räume herausgefordert sehen, hatte Eisdorf in den vergangenen Jahren einen Einwohnerzuwachs zu verzeichnen. Insgesamt ist es ein aktiver Ort, der sich durch ein reges Vereinsleben und innovative Projekte auszeichnet. Zugleich sieht man vor Ort einen spürbaren Rückgang von Einrichtungen der Daseinsvorsorge und der lokalen Versorgungsstruktur wie im Bereich Lebensmittel und Handwerk.

Die Bewältigung dieser Ambivalenz zwischen Engagement und Strukturverlust in Eisdorf ermöglicht eine wichtige Erkenntnis über die Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume. Die Teilnahme am Regionalpanel des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) festigt die Kooperation mit dem SOFI, die bereits seit 2017 im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Dorfmoderation in Südniedersachsen besteht. Das SOFI ist einer von elf Standorten des neuen FGZ, ein vom Bundesministerium finanzierter Forschungsverbund mit etwa 150 Wissenschaftlern. Ziel des Instituts sind Forschungen zu Stärke und Gefährdung gesellschaftlichen Zusammenhalts unter dem Eindruck erheblicher sozialer Herausforderungen.

Das Regionalpanel ist ein wichtiges Projekt des FGZ. Hierfür haben sich die FGZ-Teilinstitute Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Leibniz Universität Hannover, die Universität Bielefeld und das soziologische Forschungsinstitut Göttingen zusammengetan. Es handelt sich um eine Einwohnerbefragung in insgesamt zwölf Städten und Dörfern in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Nordrhein-Westfalen zu mehreren Zeitpunkten. Das SOFI ist für die Durchführung der Befragungen in Eisdorf und Einbeck verantwortlich. Mit den erhobenen Daten sollen Zusammenhänge zwischen lokalem Wandel und gesellschaftlichem Zusammenhalt erforscht werden. Das SOPFI richtet sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf Aspekte regionaler Daseinsvorsorge.

Die erste Befragung hat von März bis Mai 2021 stattgefunden, eine zweite Befragungswelle ist für Mitte 2022 geplant. „Wir schauen in die Dörfer und welche Strukturen vorhanden und nötig sind“, sagt der Geschäftsführer des SOFI, Prof. Dr. Berthold Vogel, bei einem Treffen in Eisdorf. Man habe zur Erforschung nach einem ländlichen Dorf gesucht, in dem eine aktive Dorfgemeinschaft vorhanden sei. „Eisdorf hat sofort seien Bereitschaft erklärt. Es ist ein Ort, der sehr gut in die Studie passt“, ergänzt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Simmank. „Gerade solche Termine vor Ort sind ein Höhepunkt“, so Vogel „man kann mit den Menschen in Kontakt kommen. Sicher, es gibt massenhaft Literatur, aber direkt vor Ort unterhält man sich anders und erfährt viel mehr“. Bei dem Lokaltermin waren neben Vogel und Simmank auch der wissenschaftliche Mitarbeiter, Andreas David Schmidt sowie die Ortsbürgermeisterin, Petra Pinnecke, der Projektmanager Innenentwicklung, Nikolai Simon-Hallensleben, und der Bürgermeister der Gemeinde Bad Grund, Harald Dietzmann, dabei.

Die Gruppe nutzte die Gelegenheit, sich den Festplatz, das Kultur- und Sportzentrum, den Kindergarten, die Grundschule, den Jugendraum, die Scheune des Vereins DoLeWo und den sanierten Mühlenbeu anzusehen. „Wir sind froh darüber, dass Eisdorf dabei sein darf“, betonte Dietzmann „das Projekt bietet Möglichkeiten und Chancen, durch Reflektion der Ist-Situation und im Vergleich mit anderen Dörfern“. Maike Simmank erklärte, dass es sich bei der Befragung um eine Vollerhebung handele für Einwohner ab 16 Jahren. Von rund 1200 Personen haben bei der ersten Befragung 370 Menschen (online und schriftlich) teilgenommen, was eine gute Rücklaufquote von 34 Prozent sei. „Die höchsten Rücklaufquoten kamen bisher aus Einbeck und Eisdorf“, so Simmank. Dieses sehr gute Ergebnis deute auf ein großes Interesse der Bewohner an der Gestaltung und Auseinandersetzung mit ihrem Wohnort hin. Aus dem vorläufigen Ergebnis (ohne Auswertung der schriftlichen Ergebnisse) zeigt sich unter anderem, dass nur zwei Prozent ihren Arbeitsplatz mit dem Öffentlichen Personennahverkehr erreichen.

Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt. Die zweite Befragungswelle soll im kommenden Jahr erfolgen. Diese Untersuchung könnte auch ein Appell an die Politik sein, die Kommunen fiskalisch besser auszustatten, so Vogel. Auch die Metropolregionen könnten aus der Studie lernen und initiativ werden, wenn sie sehen würden, was die Menschen im ländlichen Raum zusammenhält. „Die Studie kann vielleicht auch das Leben im ländlichen Raum wieder positiver darstellen“, so Dietzmann.

 

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