Kultur / Federkiel / Flugzeuggeschichten

11.07.2021

Rosskur 


...Johannes Nordmann

Auf dem Weg durch Arizona kam ich per Zufall zu einem Rodeo. Es wurde mir durch zwei Anhalter oder englischer Tramper, die ich kurz zuvor an der Straße aufgelesen hatte, schmackhaft gemacht. Ein wenig alkoholisch angesäuselt machten sie mir klar, dass das Pflicht sei bei einer solchen Veranstaltung und sie bestanden darauf, mich zum dem Rodeo einzuladen.

Ich erklärte ihnen, dass ich keine Ahnung vom Pferdesport hätte. Auf ihre erstaunte Frage, woran das läge, musste ich mit Bedauern erklären, dass es mir bisher noch nicht gelungen sei, mich mit einem Pferd darüber zu unterhalten. Die Wildwestler schienen mich nicht so richtig zu verstehen, was auch an den für mich schwierigen Sprachverhältnissen liegen konnte.

Am Eingang wollten sie mir unbedingt einen Cowboyhut kaufen, was ich jedoch dankend ablehnte. Für manche Menschen scheint es doch unheimlich wichtig zu sein, wenigstens etwas AUF dem Kopf zu haben. Es war allerhand los auf dem Rodeo Platz, wilde Ritte auf Pferden und sogar auf kräftigen Bullen konnte ich mir ansehen. Doch ich habe nun mal für das Sitzen auf Tieren, und sei es auch aus Unwissenheit, nichts übrig, und wollte eigentlich fortgehen. 

Schon als Kind fand ich es nämlich albern, auf den Knien von meist älteren Damen "Hoppe, hoppe Reiter" ertragen zu müssen. Die holden jüngeren Wesen, mit denen ich das lieber gespielt hätte, wendeten sich damals schon anderen, amüsanteren und interessanteren Dingen zu. Doch dafür hielten sie mich anscheinend noch für zu jung.

Meine zwei neuen Freunde ließen aber nicht locker, ich sollte es doch zumindest einmal auf einem zahmen Tier versuchen. Sie gaben sich wirklich Mühe, deshalb wollte ich auch nicht unhöflich sein. Als ich den kleinen Corral sah, war ich beruhigt. Kein Trubel so wie an der Haupttribüne. Man brachte mir das Pferd, es schien ja ein ganz ruhiges zu sein. Doch als ich so daneben stand und es mir vielsagend zublinzelte, wäre es mir doch lieber gewesen, sein Fell in meinem Wohnzimmer liegen zu haben. 

Ich bekam Sporen und Peitsche, was ich zuerst nicht wollte. Die Zwei meinten, es müsse wenigstens ein bisschen echt aussehen. Als ich auf dem Pferd saß und es sich langsam in Bewegung setzte, suchte ich als erstes die Bremsen. Genau die sollte ich dann auch in den nächsten Minuten sehr vermissen. 
In der Nähe knallte nämlich zu einem anderen Start ein Schuss, worauf sich mein Hottemax seiner Knallphobie besann und genau das tat, was ich bisher zu sehen bekommen hatte. Das Pferd hatte sich plötzlich in den Kopf gesetzt, mich loszuwerden. 

Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Irgendwie hatten sich jedoch die Sporen am Sattel oder Pferd verfangen. So blieben wir, wenn auch nicht in Eintracht, notgedrungen vereint. Die wilden Sprünge des Tieres bearbeiteten meinen Allerwertesten wie einen Dreschflegel und ließen auch delikatere Körperteile auf ihre Kosten kommen.

Hatte ich bisher eigentlich ein schönes, interessantes Leben gehabt, empfand ich es nun als doppelt schlimm, so elendig enden zu müssen. Hätte mich wohl auch irgendwie von den Stiefeln mit dem Pferd daran befreien können, aber wer will als angehender Cowboy schon barfuß sterben?
Obwohl mein Gehirn immer irgendwo gegen die Schädeldecke knallte, nahm ich noch wahr, das Tornado, so hieß dieses liebe Tierchen wohl, das Gatter durchbrach, und in Richtung Haupttribüne jagte, hopste, sprang und tanzte. 

Gut, dass ich den Hut nicht genommen hatte; er wäre jetzt unweigerlich verloren gewesen. Irgendwann, als alles in mir gebrochen zu sein schien, brach auch der Übermut meines vierbeinigen Begleiters zusammen. Das Publikum jubelte. Meine Haltungsnoten konnte ich leider nicht mehr so richtig wahrnehmen. Als man mich auf der Trage zur Siegerehrung brachte, wurde ich vom Stadionsprecher gefragt, wie ich das denn alles als Greenhorn geschafft hätte. Es hatte sich inzwischen herumgesprochen, was soeben vollbracht worden war.

Ich wollte mir keine Blöße geben und sagte mit einigermaßen fester Stimme ins Mikrofon: "Leicht war es nicht!" Mir selbst schwor ich noch, dem edlen Reitsport für immer zu entsagen.  
Dann verlor ich das Bewusstsein. 

 

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