Service / Leserbriefe
05.06.2021
Leserbrief bezüglich Artikel "Großes Bürgerinteresse bei Vorstellung der Stellungnahme des Gemeinderats zum RROP"
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Ihrem Artikel "Großes Bürgerinteresse bei Vorstellung der Stellungnahme des Gemeinderats zum RROP" vom 02.06.2021 wird mehrmals Herr Dr. Hartmut Webel zitiert. Auf die folgende Aussage möchte ich näher eingehen: "Dr. Webel sei davon überzeugt, dass sogar bei einem niedrigem Schalldruck gesundheitliche Probleme durch zum Beispiel einem Nachlassen der Qualität der Kraft des Herzmuskels entstehen können."
Aktuell wird häufiger ein Zusammenhang zwischen Schalldruck von Windkraftanlagen und einer Schädigung des Herzmuskels von Windkraftgegnern gezogen (allerdings berichten auch Medien wie unter anderem "Die Welt" über einen möglichen Zusammenhang). Grundlage ist meist eine Studie von Professor Christian-Friedrich Vahl, Herzchirurg an der Johannes Guttenberg-Universität Mainz.
In dieser Studie (die Stand Mai nur als Preprint verfügbar ist und noch nicht das peer-review-Verfahren durchlaufen hat) wurden Herzmuskelzellen durch einen Lautsprecher mit 100, 110 und 120 dbZ beschallt, wodurch die Leistungsfähigkeit dieser Zellen abnahm. Diese Studie steht aus verschiedenen Gründen in der Kritik:
- Der experimentelle Aufbau wird unter anderem kritisiert, weil die Zellen nicht nur dem Schalldruck, sondern auch (bedingt durch den Aufbau) massiven Vibrationen ausgesetzt werden. Diese Vibrationen werden allerdings nicht betrachtet.
- Professor Vahl selbst zieht den Zusammenhang zur Windkraft selbst und gibt hier einen Wert von 100 dB an. Dieser Wert ist häufiger zu lesen und entstammen einem Modell der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von 2009. Allerdings enthielt die Rechnung Fehler, weshalb der Schalldruckpegel zu hoch angegeben wurde. Aktuelle Berechnungen durch das BGR gehen von 64 dB aus, reale Messungen liefern Werte zwischen 60 und 80 dB. Hierbei ist zu beachten, dass die Skala für den Schalldruck logarithmisch und nicht linear ist.
Natürlich möchte ich nicht bestreiten, dass Lärm gesundheitliche Folgen hat (die TA Lärm oder die Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung existieren schließlich nicht ohne Grund), allerdings sollte Herr Dr. Webel, wenn er der Überzeugung ist, dass der Schalldruck von Windkraftanlagen zu gesundheitlichen Problemen führt zunächst Autos, Flugzeuge und Konzerte bekämpfen. Verkehrslärm ist für viele Menschen, die an stark befahrenen Straßen leben, ein tatsächliches Problem, während Windkraftanlagen einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu Wohnbebauungen haben (beziehungsweise der Rechenfehler der BGR teils sogar zu zu großen Sicherheitsabständen führt).
Nach Sachlage ist oben zitierte Aussage von Herrn Dr. Webel vor allem eins: Panikmache.
Mit freundlichen Grüßen
Kris Runge
PS. Für Interessierte hier ein Link zum Arbeitsbereich Infraschall der Universität Bayreuth, auf der sich Dr. Stefan Holzheu auch auch regelmäßig mit unwissenschaftlichen Aussagen von Windkraftgegnern oder der Fehlrechnung der BGR auseinandersetzt. Auch die Messungen zu verschiedenen Situationen sind interessant und halbwegs allgemeinverständlich aufbereitet: https://www.bayceer.uni-bayreuth.de