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02.06.2021

Glaubensfragen nochmal anders reflektieren


Susanne Bachmann-Günther arbeitet als Schulpastorin und Seelsorgerin

...KKHL - Mareike Spillner

Bereits letztes Jahr im August hat sie als Schulpastorin an der Berufsbildenden Schule 2 in Osterode begonnen: Susanne Bachmann-Günther. Seit Januar arbeitet sie nun auch als Seelsorgerin im Alloheim in Herzberg. Da wird es höchste Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen über ihren Dienst im Harzer Land. Zumal die Aufgaben doch sehr unterschiedlich sind.

Auf die Frage, was sie daran schätzt und wo die Herausforderungen liegen, antwortet Susanne Bachmann-Günther: „An der Arbeit in der Schule liebe ich den vielfältigen Kontakt mit den Schülern und Schülerinnen. Allerdings ist die Arbeit sehr von der Schulform abhängig. Ich unterrichte angehende Erzieher, Sozialassistenten, Pfleger und Heilerziehungspfleger.“ Sie liebe die Kombination von Theorie und Praxis. Einerseits mit den Schülern zu theologisieren, andererseits mit ihnen berufsbezogene Angebote für die Kita, die heilpädagogische Wohngruppe oder das Seniorenheim zu erarbeiten.

Für die Schüler:innen ein offenes Ohr zu haben, liege ihr besonders am Herzen. Die Schulpastorin ergänzt: „In der Berufsschule begegnen mir die unterschiedlichsten Menschen, auch solche, die kirchenfern sind oder gar nicht religiös sozialisiert. Mit ihnen ins Gespräch zu kommen, ist mir wichtig, da wir sie in unseren Kirchen oft kaum erreichen.“

Herausforderungen sieht die Seelsorgerin und Pastorin vor allen Dingen für die Zeit nach Corona auf uns zukommen. „Welche Schüler drohen uns verloren zu gehen, wie kann wieder Vertrauen wachsen angesichts der gemachten Erfahrungen?“, das seien Fragen, die noch länger beschäftigen werden. An der Seniorenarbeit liebe sie die Begegnung mit den alten Menschen, die Gemeinschaft mit ihnen. „Das gemeinsame Singen mag ich besonders und vermisse es aktuell sehr. Die Andachten vorzubereiten, macht mir viel Freude und bietet einen Kontrapunkt zur Unterrichtsvorbereitung. Hier kann ich ein Stück weit meine Spiritualität leben und Glaubensfragen nochmal anders reflektieren.
Zugleich kann ich hier die Praxis mit der Theorie gut verknüpfen, Schüler der Altenpflege in Projekte einbeziehen“, verdeutlicht Bachmann-Günther. 

Der Schulalltag habe sich durch die Pandemie natürlich zeitweise komplett verändert. „Seit Anfang Dezember saß ich gefühlt vier Monate am Schreibtisch. Der Unterricht erfolgte per Video. Der Stundenplan war wie im Präsenzunterricht, aber meine Welt wurde in einer gewissen Weise zweidimensional. Unterrichtsgespräche waren zwar möglich, aber erschwert. Beziehungen aufzubauen, wenn zwei Drittel der Kameras aus sind, ist schwer.“

Meist arbeiteten die Schüler in Onlinegruppen an Arbeitsaufträgen, die sie dann gemeinsam mit Susanne Bachmann-Günther besprachen. „Aber ich habe auch versucht, den Schülerinnen Aufgaben draußen zu geben, ein Symbol zu suchen, oder über einen Text draußen zu sinnieren, um sie zeitweise vom PC wegzuholen. Denn sie hatten meist acht Stunden online Unterricht und mussten dann noch Hausaufgaben machen“, so die Schulpastorin, die ergänzt: „Auch die Seelsorge war erschwert, über Chat ging ein bisschen was. Für Gespräche während eines Spaziergangs kannten mich die Schüler noch nicht gut genug. Die Beziehung muss erst noch wachsen.“

Schulpastorin an einer Fachschule für Gesundheit und Soziales war Susanne Bachmann-Günther schon über viele Jahre in Celle. „Das habe ich immer sehr gern gemacht.“ Sie habe bereits während ihres Theologiestudiums parallel Pädagogik studiert, ein FSJ in einer Kita absolviert und in einer diakonischen Einrichtung, die sowohl Jugend- als auch Altenhilfe umfasste, ein Volontariat gemacht.
Insofern brachte sie einiges an Praxiserfahrungen und theoretischem Wissen für ihre Tätigkeit an dieser Schulform mit. „Da ich neben einem gesunden Sohn eine schwer-mehrfach behinderte Tochter habe und alleinerziehend bin, konnte ich so zwei Dinge verbinden: Beruf und Familie vereinbaren und meine Interessen ausleben“, ergänzt Susanne Bachmann-Günther. Sie habe immer gerne mit Jugendlichen in allen Bereichen gearbeitet. In ihrem kirchlichen Drittel in Celle war sie im Kirchenkreisjugenddienst und in der Jugendarbeit einer Kirchengemeinde aktiv. Nachdem ihre Tochter 18 geworden war, stand ein Wechsel der Einrichtung an. Susanne Bachmann-Günther hatte gehofft, nun auch in die Gemeinde wechseln zu können und diesen Teil ihres Berufes leben zu können. Ein Angebot in Göttingen nahm sie gern an. Dort hat sie dann auch mit einem Stellenanteil in der Seniorenarbeit begonnen. Sie erklärt: „Nach der langen Zeit in der Jugendarbeit kam mir das sehr entgegen, denn mittlerweile bin ich auch schön älter. Die Arbeit hat mir sehr viel Freude gemacht, obwohl sie unter Coronabedingungen natürlich erschwert war. Doch sollte mich mein Weg wieder zurück an die Schule führen und da bin ich nun.“

Auf die Frage, was ihr gerade Hoffnung und Zuversicht schenke, antwortet Susanne Bachmann-Günther: „Hierzu habe ich zwei Gedanken: einerseits ganz stark die Hoffnung auf eine Rückkehr des Lebens durch den Impfstoff, ganz praktisch, ganz real. Zugleich aber auch die Überzeugung, dass das Leben mehr ist als körperliche Gesundheit. Natürlich wünsche ich mir diese für meine Familie, für die anderen, auch für mich. Aber ich vertraue darauf, dass hinter oder unter all unseren leidvollen Erfahrungen Gott da ist.“ Sich dieses immer wieder bewusst zu machen und es den eigenen Ängsten entgegenzustellen, sei ihr wichtig. „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht aus Angst vor dem Tod das Leben nehmen. Wie das gehen kann, weiß ich noch nicht, bin unsicher, tastend, fühle mich selbst manchmal traurig und zurückgeworfen. Ein Jahr habe ich meine Tochter nicht in den Arm nehmen können. Das tut weh. Aber ich weiß, dass sie da ist. Ich sehe sie, spreche mit ihr und gehe fest davon aus, dass es wieder anders wird“, ergänzt die Seelsorgerin. Hoffnung? Sie bestehe auch im immer wieder Aufstehen und Weitergehen mit dem Blick auf den, der sagt: „In der Welt habt ihr Angst, aber siehe, ich habe die Welt überwunden."

Und was wünscht sich Susanne Bachmann-Günther für den Kirchenkreis? „Ich bin so neu, das ist eine schwierige Frage. Vor allen Dingen wünsche ich mir, dass wir uns als eine Gemeinschaft verstehen, die zusammenhält und ihre Kraft aus dem zieht, der unsere Mitte ist: Jesus.“ Gerade angesichts der anstehenden Kürzungen sei dies besonders schwer. Bachmann-Günther sagt abschließend: „Verständnis von den Gemeinden wünsche ich mir, dass die Pastoren keine Übermenschen sind, die allen Erwartungen entsprechen. Ich möchte den Blick darauf richten wie die Arbeit gelingen kann: Was kann wie anders organisiert werden? Was kann wegfallen? Wo können wir im Pfarramt die Verwaltung reduzieren, um für Raum für Beziehungen und Seelsorge zu schaffen? Wo gibt es gelingende Modelle regionaler Zusammenarbeit und eignen die sich für unseren Kontext? Wie können Begabungen der Kolleginnen und Kollegen sinnvoll genutzt werden? Gibt es Synergieeffekte?“

 

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