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03.05.2021

Ein überraschender Aufbruch ins digitale Zeitalter


Diskussion zum Thema „Kirche nach Corona“ mit Kerstin Griese, MdB

...KKHL  Christian Dolle

Zu einem Gespräch mit Kerstin Griese, Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin, hatten die Paulus-Kirchengemeinde in Bad Lauterberg und die Jugendkirche eingeladen. Natürlich online, weil es anders derzeit nicht geht, doch dadurch hatten aus Teilnehmer beispielsweise aus Osterode die Chance, sich zu beteiligen.

Um genau dieses Thema sollte es auch gehen, „Kirche nach Corona“ war es überschrieben. Pastor Andreas Schmidt und Jugendpastor Simon Burger begrüßten die Teilnehmer zu denen auch der stellvertretende Landrat Dr. Andreas Philippi und Bürgermeister Dr. Thomas Gans zählten, freuten sich über das Interesse und baten zuerst die Politikerin, aus ihrer Sicht in der Thema einzuführen. Kerstin Griese ist auch Sprecherin des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD und gehört dem Rat der EKD an.

Vor diesem Hintergrund ist das Thema Kirche nicht nur in Zeiten der Pandemie für sie ein ganz wichiges, machte sie deutlich. Die Politik bemühe sich derzeit, die sogenannte dritte Welle zu stoppen, während sich bei vielen Menschen das Wort „mütend“ als eine Mischung aus „müde“ und „wütend“ breit mache. „Das trifft es meiner Meinung nach sehr gut“, so Kerstin Griese.

Für die Kirche habe sich im vergangenen Jahr vieles geändert, Bestehendes musste abgebrochen werden, weil es nicht stattfinden darf, es gibt einen Umbruch ins Digitale, wie sich nicht zuletzt an eben dieser Veranstaltung zeigte, doch sie ist überzeugt, dass es auch ein Aufbruch sein kann. Nicht eben wenige Online-Ideen finden übers Netz ein großes Publikum, es wird sich gewünscht, einiges auch nach der Pandemie beizubehalten.

So referierte sie Zahlen der EKD, nach denen 81 Prozent der Gemeinden während der Corona-Krise digitale Gottesdienste oder Andachten angeboten haben. Die meisten davon (78 Prozent) erstmals und 72 Prozent wollen damit weitermachen. Auch in diesem Meeting gab beispielsweise Dr. Friedrich Seven an, erstmals an einer Zoom-Konferenz teilzunehmen, es tat nicht weh, technisch gab es keine Probleme und kam bei ihm gut an.

Etwas weniger, nämlich 39 Prozent der Gemeinde gaben an, Möglichkeiten zur Interaktion wie Mitbeten oder Live-Chats angeboten zu haben, mehr als die Hälfte (61 Prozent) lief über die sozialen Netzwerke Youtube, Facebook und Instagram, wodurch sich viel mehr Gemeindeglieder dort jetzt gut aufgehoben fühlen. Eine letzte Zahl besagte, dass Digitalisierung auf jeden Fall Teamarbeit ist, 65 Prozent erarbeiten ihre digitalen Angebote gemeinschaftlich, meist mit Menschen, die in diesem Bereich Erfahrung mitbringen.

Ist Kirche systemrelevant wird oft gefragt, so fuhr Griese weiter fort und antwortete darauf mit einem Zitat von Wolfgang Huber, der sagte, sie sei nicht system- sondern existenzrelevant. Genau darum sei es auch so wichtig, dass Kirche jetzt neue Wege beschritten hat, vielleicht für manche ein wenig überraschend und unfreiwillig schnell, doch für die Zukunft ohnehin notwendig.

Im Ministerium von Hubertus Heil diskutiere sie momentan viel über die Veränderung in der Arbeitswelt, die sich hin zu Online-Meetings und Homeoffice verlagert. Das lasse sich in Teilen durchaus auch auf Kirche übertragen, wenn sich jetzt natürlich auch alle erst einmal danach sehnen, sich wieder persönlich begegnen zu können.

In der anschließenden Diskussion betonte auch Dr. Andreas Philippi, dass er die Kirche für lebensrelevant halte. Gerade der Zuspruch für Online-Gottesdienste, die zum Teil besser besucht sind als die Kirchen, zeige ja, dass Menschen in dieser Zeit nach Halt suchen und ihn in der Kirche finden. Dem schloss sich auch Dr. Thomas Gans an und merkte an, wie sich durch Online-Angebote auch der Blick auf die eigene Kommune erweitern und neue Akteure einbeziehen kann, was im ländlichen Raum ein klarer Vorteil ist.

Pastorin Johanna Friedlein merkt ebenfalls, dass Gemeindegrenzen fließender werden, mahnte jedoch auch, die Älteren und die ganz Jungen nicht zu vergessen, die letztlich eben doch auf jeden Fall auch das persönliche Miteinander brauchen, im Grunde wie alle anderen aber auch. „Es gibt viele Dinge, die Kirche macht, die online nicht zu ersetzen sind“, sagte sie. So habe sie in Osterode beispielsweise die Erfahrung gemacht, dass viele Geflüchtete, die vorher gut in die Gemeinde eingebunden waren, online bei den meisten Dingen nicht dabei sind.

Es gebe auch Verlierer der Digitalisierung, räumte Kerstin Griese ein, die definitiv unterstützt werden müssen, „damit die digitale Spaltung keine soziale Spaltung wird.“ Technik, müsse immer dem Menschen dienen, nicht umgekehrt, sollte ein Grundsatz für alles Handeln sein. So gibt es sicher noch einiges zu tun, doch Krisen zeigen immer auch Chancen auf, so wurde an diesem Abend ganz deutlich.





 

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