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13.04.2021

Camino ist ein Weg für Kinder und deren Eltern


Tanja Seewald, Mitarbeiterin des Camino

von Petra Bordfeld

Wer schon mal von „Camino“ im Landkreis Göttingen gehört hat, der darf sich sicher sein, dass es sich dabei bestimmt nicht das 733 Einwohner zählende italienische Dorf oder gar den Jacobsweg handelt, sondern um einen Pfad (spanisch: el Camino), welchen die AWO Göttingen (Arbeiter Wohlfahrt) im Interesse für psychisch belastete Eltern und deren Kinder auch in Osterode beschreiten wird. 

„Camino ist das erste spezialisierte Beratungsangebot, welches vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben wurde, und Betroffenen eine ganzheitliche Unterstützung anbietet“, so Tanja Seewald, Mitarbeiterin des Projektes, das nach einer Bedarfsanalyse des Sozialpsychiatrischen Verbundes und des Netzwerks „Frühe Hilfen“ sowie des Kinderschutz Stadt und Landkreis Göttingen entstanden ist. 

„Camino“ bietet eine soziale Dienstleistung und erhält durch die Antragsstellung beim Land Niedersachsen EU-Fördermittel aus dem Bereich „Soziale Innovation/ Regionale Entwicklung“. Außerdem wird es durch die Ko-Finanzierung des Landkreises Göttingen in Trägerschaft des AWO Kreisverbandes  Göttingen e.V. für ein weiteres Jahre finanziert. Anzutreffen ist „Camino“ übrigens bereits seit 2019 im Familienzentrum Bad Sachsa und seit 2020 im Familienzentrum Herzberg. Jetzt laufen die ersten Gespräche mit dem Familienzentrum Osterode/Bad Grund.

Warum dieser Weg gewählt wurde,  liege an der Tatsache, dass nach aktuellen Schätzungen etwa jedes siebente Kind mit einem psychisch erkrankten Elternteil aufwächst. Und es dürfe nicht übersehen werden, dass  Kinder seelische Belastungen von Vater oder Mutter besser verstehen und verkraften könnten, wenn ihre Bedürfnisse gesehen werden und sie Unterstützung sowie Aufklärung erhalten. Nur so könne der aus Verunsicherung bestehende Teufelskreis durchbrochen und zur Stabilisierung der ganzen Familie beigetragen werden.

Wird die benötigte Hilfe zu spät erkannt,  könne es zu einer unbeabsichtigten, oft unbewussten und nicht selten auch ungewollten Weitergabe psychischer Erkrankungen führen. „Psychische Belastungen wirken sich schließlich auf den Alltag der Familien und  das familiäre System aus“, so Tanja Seewald.  

„Das Ziel unseres Projektes ist es, der Weitergabe psychischer Belastungen und der Verfestigung von Problemlagen ein passgenaues Angebot im Sozialraum der Familien entgegenzusetzten“.  Schließlich wolle „Camino“ erreichen, dass Familien Hilfsangebote schon vor der Schwelle staatlicher Eingriffe bekommen, wenn ein Elternteil psychisch belastet oder erkrankt ist. „Wir informieren und beraten rund um das Thema Elternschaft und psychische Belastungen. Wir  installieren und koordinieren so die unterschiedlichen Hilfen“. Zudem böte das Projekt eine Präventionsgruppe für Kinder und Jugendliche an, um diese auf ihren Weg aus den traumatischen Ereignissen und Schicksalsschlägen zu begleiten.  

Es dürfe schließlich nicht geschehen, dass Eltern ihre Kinder bitten, nicht darüber zu sprechen, dass es Mama oder Papa schlecht geht. Denn für den Nachwuchs sei es sehr schwer, das Schweigegebot einzuhalten, weil es geschehen könne, dass der Sohn oder die Tochter sich immer mehr zurückziehen. Vielmehr gelte es, den Kindern und deren Eltern zu helfen, damit sie gemeinsam das sinkende Schiff auf festen Boden verlassen können. „Camino übernimmt dabei eine wichtige Lotsenfunktion“.

Aus dem Grund gibt es Kooperationen mit Kitas, Schulen und dem Jobcenter OHA (KiBiZ) des Landkreises.  Die ersten Gespräche seien bereits mit dem Familienzentrum Osterode/Bad Grund geführt worden. Denn die  AWO möchte letztendlich auch in dieser Einrichtung Sprechstunden anbieten und darüber  informieren, wie alltagsentsprechend mit Kindern und Jugendlichen über die Erkrankung gesprochen werden kann und welche Hilfen die Erkrankten und ihre Angehörigen in Anspruch nehmen können. „Denn psychische Erkrankungen bestimmen oft die Atmosphäre in den Familien und führen zu sozialer Isolation“. Dieses kostenlose Angebot, welches der Schweigepflicht unterliegt,  sei selbstredend offen für Eltern mit psychischen Belastungen, deren Partner und Angehörige. „Darüber zu reden tut auch ihrer Seele, welche das wichtigste Körperorgan ist,  gut.“

Der Zugang zu „Camino“  ist ohne vorherige Antragstellung und Diagnostik zur psychiatrischen Erkrankung möglich. „Denn das frühzeitige Erreichen der Familien könne sich positiv auf die  Entwicklung der Familien auswirken“, so Tanja Seewald abschließend. 

So wie konkrete Termine in Osterode feststehen, werden die rechtzeitig bekannt gegeben. Weiteren Fragen steht Tanja Seewald gerne zur Verfügung. (Telefon:   0176/22917307, E-Mail-Adresse: t.seewald@awo-goettingen.de. Informationen hält aber auch die Homepage bereit. Die Adresse lautet: www.awo-goettingen.de

Wer ist Tanja Seewald?
Die Heilpraktikerin für Psychotherapie kann auf eine vielseitige Berufserfahrung zurückblicken. Denn sie hat über 20 Jahre in unterschiedlichen Fachbereichen einer psychiatrischen Fachklinik als Krankenschwester gearbeitet. Zudem hat sie eine DGCC (Deutsche Gesellschaft für Care und Case-Management) Zertifizierte Weiterbildung zur Case Managerin und befindet sich in der Weiterbildung zur Systemischen Beraterin. Das Projekt „Camino“ ist für sie ein wichtiges Stück an Pionierarbeit, was ihr allein die Tatsache zeigte, dass sie im ersten Jahr 60 Familien beraten und unterstützt hat.

 

 

 

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