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03.04.2021

Politik zum eigenen Vorteil


Vorwürfe gegen den Bundestagsabgeordneten Dr. Roy Kühne

von Christian Dolle

Wer in dieser Woche auf Twitter unterwegs war, entdeckte unter #CDUkorrupt auch Tweets zum hiesigen Bundestagsabgeordneten Dr. Roy Kühne. Verlinkt war häufig ein Artikel der Süddeutschen Zeitung, der ihn als „Lobbyist in eigener Sache“ bezeichnete und ihm vorwarf, einen Rettungsschirm für Physiotherapeuten durchgedrückt zu haben, von dem er selbst direkt und damit im Konflikt zu seinem Amt profitiere.

In jenem Artikel wird erläutert, dass Kühne als Mitglied des Gesundheitsausschusses Hilfen für Physiotherapeuten auf den Weg brachte, denen der Bundesgesundheitsminister zunächst skeptisch gegenüberstand, sie dann aber doch befürwortete. Es ging um mehr als 800 Millionen Euro und Roy Kühne, dessen Praxis in Northeim davon auch profitierte, sei maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt gewesen. 

Unmittelbar selbst profitiert

„Kühne hat also in Berlin seinen Einfluss als Abgeordneter genutzt, um einen millionenschweren Rettungsschirm zu realisieren, von dem er unmittelbar selbst wirtschaftlich profitiert“, schreibt die Süddeutsche wörtlich und nennt es ein „Musterbeispiel für einen Interessenskonflikt“. Zudem habe es bereits im Jahr 2015 Irritationen gegeben als Roy Kühne sich innerhalb seiner Fraktion für bessere Bezahlung von Physiotherapeuten stark machte. 

Ein Interview mit dem Eseltreiber zu dieser Angelegenheit und einigen offenen Fragen lehnte sein Büro ab. In einer Pressemitteilung räumt Dr. Kühne allerdings ein, er habe sich für einen Rettungsschirm für Physiotherapeuten stark gemacht, denn das sei nötig, ebenso wie die Unterstützung für Krankenhäuser und Ärzte, da sonst Schließungen und eine Unterversorgung der Patienten gedroht hätte. Zudem hätten ja im Sommer 2020 auch „viele andere Leistungserbringer in Deutschland“ ähnliche Einmalzahlungen erhalten. 

Fachfremde politische Entscheidungen

Generell setze er sich für die Verbesserung der Vergütung von Therapeuten und Pflegekräften ein, weil es ihm einerseits eine Herzensangelegenheit sei, andererseits diese jahrelang politisch unterrepräsentiert gewesen seien, was ja erst zum Pflegenotstand geführt habe. Es ist also überhaupt die persönliche Erfahrung, die ihn dazu bewogen habe, sich politisch zu engagieren, sagt er. „Wir müssen uns als Gesellschaft dringend fragen, wer nun in der Politik wie über die Geschicke unseres Landes mitdiskutieren soll. Wollen wir, dass Menschen aus der Pflege an Pflegereformen arbeiten, Landwirte bei machbaren Wegen in Sachen Insektenschutz mitberaten und Physiotherapeuten wie ich, die Situation der Heilmittelerbringer nachhaltig diskutieren?“, so fragt er, „Oder möchten wir, dass vollkommen fachfremde Menschen politische Entscheidungen treffen müssen?“


Kommentar:

Auf den ersten Blick klingt es absolut einleuchtend, was Roy Kühne da fordert. Politik soll von jenen gemacht werden, die auch etwas von der Praxis verstehen. Klar. Doch wenn das unser politisches System wäre, dann bräuchten wir keine freien Wahlen, sondern müssten vielmehr ein Parlament zusammensetzen, in dem jede Berufsgruppe ungefähr nach ihren prozentualen Vorkommen in der Gesellschaft vertreten ist, Rentner, alleinerziehende Mütter etc. ebenso. 

Das wäre dann ein Parlament, in dem jede wie auch immer umrissene Gruppierung ihre Lobby bestimmt, die sich dann mit ihrem Fachwissen in Entscheidungsfindungen einbringt. Dort kämpft dann jeder für die eigenen Belange, einen Interessenkonflikt gibt es nicht mehr. Doch wäre das wirklich das bessere System?
Unser politisches System ist nun einmal darauf ausgelegt, dass politische Vertreter das Wohl aller im Blick haben sollen. Das ist in vielen Fällen äußerst schwierig, eben weil sich persönliche Erfahrungen und Prägungen nun einmal nicht verneinen lassen. Doch so ist es nun einmal und ein Bundestagsabgeordneter ist nicht als Vertreter der Physiotherapeuten in dieses Amt gewählt. Daher läuft es in den meisten kleineren Gremien ja oft so, dass diejenigen, um deren Belange es geht, zwar ihre Expertise einbringen, sich dann bei der Entscheidungsfindung heraushalten. Das wird von vielen schlicht als ethisch sauberer und moralischer erachtet und hat nicht den Beigeschmack, dass jemand sich Kraft seines Amtes persönlich bereichern will.


Dr, Roy Kühne, MdB

 

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