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24.03.2021

Polizeiliche Kriminalstatistik 2020 der Polizeiinspektion Göttingen:


v.l.: Inspektionsleiter Rainer Nolte, Leiter des Zentralen Kriminaldienstes Thomas Breyer

Straftatenaufkommen leicht gesunken, Aufklärungsquote in Stadt und Landkreis über dem Landesdurchschnitt

GÖTTINGEN (mh/jk) - Polizeidirektor Rainer Nolte, seit November 2020 Leiter der Polizeiinspektion (PI) Göttingen, zieht für das zurückliegende Jahr eine positive Bilanz:
"Wir blicken heute auf ein Jahr zurück, das ganz sicher mit keinem der vorherigen zu vergleichen ist. Das unvorhergesehene Ausmaß der Corona-Pandemie überschattete nicht nur das Leben der Bürger*innen in unserem Zuständigkeitsbereich. Auch der polizeiliche Alltag aller meiner Mitarbeiter*innen in Stadt und Landkreis Göttingen war durchweg geprägt von einer bislang so nicht vorstellbaren Gesamtsituation.

Die enorme Dynamik, mit der sich die Pandemie ausbreitete und immer mehr Macht über unser tägliches Leben erlangte, griff unmittelbar in unsere eingespielten innerdienstlichen Abläufe sowie das Einschreitverhalten bei polizeilichen Einsätzen jeglicher Art ein. In Anbetracht von zeitweise wöchentlich geänderten, neu erlassenen Hygienevorschriften, galt es als besondere Herausforderung, sich ebenso schnell neu zu orientieren und Arbeitsabläufe und Sicherheitsvorkehrungen anzupassen, um für die Sicherheit der Bürger*innen konstant 24/7 arbeitsfähig zu bleiben.

Dass wir trotz dieser ungünstigen Arbeitsbedingungen heute auf eine wirklich gute Gesamtbilanz blicken können, ist der Professionalität und auch ein Stück weit dem Durchhaltevermögen aller Bediensteten der PI Göttingen zu verdanken. Dafür spreche ich allen meinen Mitarbeiter*innen besonderen Respekt und Dank aus. Aber auch die Menschen in Stadt und Landkreis sind uns entgegengekommen und haben uns auf ihre Weise unterstützt. Indem sie unserer Bitte gefolgt sind, verstärkt das Mittel der Onlinewache für ihre Anliegen oder zur Anzeigeerstattung zu nutzen, haben auch sie dazu beigetragen, das Infektionsrisiko zu minimieren".

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Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2020 für Stadt und Landkreis Göttingen im Detail:

- Kriminalitätsaufkommen leicht unter Wert des Vorjahres
- Aufklärungsquote über dem Landesdurchschnitt und höchster Wert im 10-Jahres-Vergleich
- Rückgang bei den Wohnungseinbrüchen - Corona-Subventionsbetrug Besonderheit in 2020
- Kein markanter Anstieg bei Straftaten im Kontext Häuslicher Gewalt
- Anstieg der Fallzahlen bei Verbreitung pornografischer Schriften
- Hohe Zahl an Versuchstaten bei Straftaten zum Nachteil älterer Menschen
- Mehr Rauschgiftdelikte registriert

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Gesamtstraftaten

Das Kriminalitätsaufkommen im Bereich der PI Göttingen liegt für 2020 bei 20.320 Straften und damit leicht unter dem Wert des Vorjahres. Die Häufigkeitszahl (Taten pro 100.000 Einwohner) sinkt analog zum Landestrend auf 6.254 (2019: 6.349). Der Fallzahlenrückgang von 509 Delikten (minus 2,44 % zum Vorjahr) ist insbesondere auf eine Reduzierung der Wohnungseinbrüche (minus 92 Taten / minus 22 %) und einem geringeren Fallzahlenaufkommen von Fahrradentwendungen und Ladendiebstählen zurückzuführen, was mit den Besonderheiten dieses Corona-Jahres korrespondiert.

Aufklärungsquote

Die Aufklärungsquote liegt im Berichtsjahr 2020 bei 65,12 % und damit nochmals über dem Wert des Vorjahres (2019: 61,49 %). Zugleich stellt sie den höchsten Wert im 10-Jahres-Vergleich dar und steht damit über dem Landesdurchschnitt (64,28 %).

"Diese nochmalige Steigerung der Aufklärungsquote ist im Wesentlichen das Ergebnis einer engagierten und motivierten Arbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", so die Bewertung von Thomas Breyer, Leiter des Zentralen Kriminaldienstes. "Trotz der Pandemieauswirkungen und den damit verbundenen Einschränkungen gelang es uns, unsere Strafverfolgungsmaßnahmen erfolgreich umzusetzen. Wieder einmal konnten diverse Ermittlungsgruppen zielgerichtet Täterermittlungen im Betrugs- und Eigentumsbereich durchführen. Corona bedingte Deliktsverlagerungen sind für die Bereiche des Laden- und Fahrraddiebstahls hin zu Betrugsdelikten im Zusammenhang mit Internet-Verkaufsplattformen festzustellen", ergänzt der Göttinger Kripochef.

Dazu Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen ist die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr um 3,04 % gesunken, die Aufklärungsquote konnte gleichzeitig um 2,57 % auf 66,45 % gesteigert werden. Die Straftaten liegen damit auf dem niedrigsten, die Aufklärungsquote hingegen auf dem höchsten Stand seit Bestehen der Polizeidirektion Göttingen. Dieser Erfolg ist dem Engagement und der hohen Expertise aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken, die ihre Arbeit auch unter den besonderen Umständen der Corona-Pandemie unbeirrt weitergeführt haben. Dafür möchte ich allen Angehörigen der Polizeidirektion Göttingen meinen Dank aussprechen. Die Bürgerinnen und Bürger zwischen Hoya im Norden, Hann. Münden im Süden sowie zwischen Uchte im Westen und Walkenried im Osten leben dank dieses Engagements in einer der sichersten Regionen Niedersachsens."

Wohnungseinbrüche

"Unsere Prognosen zu Corona bedingten Auswirkungen auf das Straftatenaufkommen haben sich insgesamt bestätigt. Der Rückgang bei Wohnungseinbrüchen - 2020 hatten wir 314 Fälle zu verzeichnen (2019: 406) - ist auch das Ergebnis, dass unsere Bürgerinnen und Bürger verstärkt zu Hause waren und urlaubsbedingte Abwesenheiten stark reduziert wurden", führt Kriminaldirektor Breyer aus. Darüber hinaus wurden Straftatenserien sogenannter "reisender Täter" durch den Lockdown und die Reisebeschränkungen erschwert. Die Aufklärungsquote zu diesen Taten liegt mit 23,57 % etwa im Landesdurchschnitt (Land: 24,63 %). Im Bereich der Kellereinbrüche ergab sich jedoch ein deutlicher Anstieg der Ermittlungsverfahren auf insgesamt 428 Delikte (2019: 173 Delikte), welcher örtlichen Tätern zuzurechnen ist. Damit haben sich die Fallzahlen bei den Kellereinbrüchen mehr als verdoppelt. Erfolgreiche Ermittlungen hierzu werden sich in der PKS-Darstellung für 2021 abbilden.

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Polizeipräsidentin von der Osten: "Aufgrund der Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Zuge der Corona-Lockdowns sind im Bereich der Wohnungseinbrüche die Fallzahlen deutlich gesunken - der Rückgang betrug im vergangenen Jahr 10,38 % (-135 auf 1.166 Taten). Die Menschen sind in der Corona-Pandemie vielfach zuhause geblieben, dies könnte sich auch auf dieses Phänomen ausgewirkt haben. Aber auch unsere präventiven Anstrengungen tragen Früchte: Neben der Gesamtfallzahl ist auch die Zahl der vollendeten Wohnungseinbrüche im vergangenen Jahr um 12,44 % gesunken. Das zeigt: Die Menschen im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen wissen, wie sie sich vor Einbrechern schützen können. Nichts desto trotz werden wir auch weiterhin intensiv präventiv, aber auch repressiv tätig sein, um es Einbrechern in Zukunft noch schwerer zu machen, in den persönlichsten Lebensbereich der Bürgerinnen und Bürger einzudringen".

Corona-Subventionsbetrüge

Eine Besonderheit in 2020 stellen Straftaten im Zusammenhang mit Corona-Subventionen dar. Es wurden 30 Subventionsbetrüge ermittelt, während in den Vorjahren keinerlei derartigen Delikte zu verzeichnen waren. Der letzte, hier bekannte Subventionsbetrug wurde im Jahr 2014 registriert. "Das staatliche Ansinnen auf eine schnelle und unbürokratische Hilfe ist richtig gewesen, hat aber leider auch Kriminelle angelockt. Unsere Ermittlungen sollen es der Justiz ermöglichen, den Tätern mit empfindlichen Strafen einen verdienten Denkzettel zu verpassen und das ergaunerte Geld wieder wegzunehmen", so der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes Breyer. Etwa 90 Prozent der Tatverdächtigen sind schon vorher durch unterschiedliche Betrugs- oder Eigentumsdelikte in Erscheinung getreten.

Dazu Polizeipräsidentin von der Osten: "Subventionsbetrug hat in den vergangenen zehn Jahren im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen kaum eine Rolle gespielt. Im Jahr 2020 ist jedoch ein massiver Anstieg dieser Taten zu verzeichnen. Fast ausnahmslos handelt es sich bei den angezeigten Fällen um Betrug zur Erlangung der 'Corona-Soforthilfe'. Der Schaden beläuft sich dabei auf mehr als eine Million Euro. So hoch der Schaden auch ausfällt, so hoch ist aber auch die Aufklärungsquote, die bei erfreulichen 97 % liegt".

Falsche Atteste i. Z. m. der Covid-19-Pandemie

Im Zuständigkeitsbereich der PI Göttingen wurden 2020 neun (9) Fälle des Ausstellens und des Gebrauches falscher Gesundheitszeugnisse im Zusammenhang mit der Covid-19-Pamdemie registriert. Weitere Fälle sind aktuell noch in den Dienststellen der PI Göttingen in der Bearbeitung. Detaillierte Zahlen werden sich hierzu in der PKS 2021 wiederfinden. "Jedem Verdacht werden wir sehr genau nachgehen, es handelt sich hier nicht um Kavaliersdelikte", so Kriminaldirektor Breyer.

Polizeipräsidentin Gwendolin von der Osten: "Die Nutzung falscher Atteste, die im Zuge der Corona-Pandemie insbesondere auf Demonstrationen der sogenannten 'Querdenker' oder 'Corona-Kritiker' festgestellt wurde, ist weder ein Kavaliersdelikt noch Ausdruck zivilen Ungehorsams, sondern eine Straftat, die ebenso wie das Ausstellen eines falschen Gesundheitszeugnisses mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Die hohe Fallzahl im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen geht unter anderem auf eine Ärztin im Bereich der Polizeiinspektion Göttingen zurück, die mutmaßlich diese falschen Atteste ausgestellt hat. Sie wurden bundesweit bei Demonstrationen verwendet und sollten von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreien."

Häusliche Gewalt

Entgegen den Erwartungen und erster Prognosen hat sich im Gesamtbereich der PI Göttingen zu den Straftaten im Kontext "Häuslicher Gewalt" trotz der Corona-Lage kein markanter Anstieg ergeben. Seit Beginn der Pandemie bzw. den zwischenzeitlich verordneten Bewegungs- und Reiseeinschränkungen im März bzw. November 2020 unterliegt das Thema des Anstiegs von Konflikten innerhalb von Familien sowie die Ausübung von Gewalt insbesondere gegenüber Frauen und Kindern einer besonderen Betrachtung. Im Ergebnis kann ein Zusammenhang zwischen der Pandemie und Fällen "Häuslicher Gewalt" nicht zweifelsfrei belegt werden. Im Jahr 2020 wurden in der gesamten PI Göttingen insgesamt 961 Straftaten i. Z. m. "Häuslicher Gewalt" bearbeitet. 2019 waren es insgesamt 878 Taten.

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Bei mehr als die Hälfte aller Fälle waren die Opfer weiblich (59%) und wie in den Jahren zuvor spielte auch bei diesen Delikten die Alkoholbeeinflussung eine besondere Rolle (bei 20 % der Taten). Überwiegend handelte es sich um Körperverletzungsdelikte, leider waren aber auch in 2020 wieder Familiendramen bis hin zu versuchten Tötungsdelikten zu verzeichnen.

"Ergebnisse entsprechender Dunkelfeldstudien im Kontext Häuslicher Gewalt liegen diesbezüglich aktuell nicht vor. Dieses Deliktsfeld wird weiteren Analysen unterzogen. Ein Schwerpunkt wird weiterhin in der Präventionsarbeit und dazu insbesondere in der Fortsetzung der guten Zusammenarbeit mit den örtlichen Opferschutzeinrichtungen und der Kooperation mit dem 'Weißen Ring' liegen", so Kripochef Thomas Breyer.

Dazu Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Die Zahl der Straftaten im Bereich der häuslichen Gewalt steigt seit Jahren kontinuierlich und hat 2020 mit 3.346 Fällen den höchsten Wert im Zehn-Jahres-Vergleich erreicht. Ob die gestiegenen Fallzahlen auf die Corona-Pandemie und den damit verbundenen Rückzug ins Private zurückzuführen sind, lässt sich für den Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen nicht zweifelsfrei belegen. Dies bedarf einer intensiveren Befassung, wie sie gerade im Zuge einer Dunkelfeldstudie vorgenommen wird. Wie wichtig digitale Angebote auch bei uns als Polizei sind, zeigt die Bilanz der Online-Wache im Kontext der häuslichen Gewalt: Mehr als 100 Anzeigen sind im vergangenen Jahr online bei der Polizei eingegangen - 2019 waren es lediglich 24 Fälle. Vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen wird neben der konsequenten Strafverfolgung dieser Taten die Abwehr von Gefahren und der Schutz der Opfer auch in Zukunft weiterhin ein besonderer Schwerpunkt in unserer Arbeit sein."

Tötungsdelikte

Im Zuständigkeitsbereich der PI Göttingen wurden 2020 insgesamt 10 Tötungsdelikte, einschließlich der Versuchstaten registriert (2019: 11). "Lediglich in einem Fall mussten wir eine Mordkommission einrichten", erläutert Thomas Breyer. Es gelang den Ermittlern, alle Taten aufzuklären.

Im Detail waren dies: In drei Fällen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes (§ 211 StGB), in einem Fall wegen vollendeten und in zwei weiteren wegen versuchten Totschlags (§ 212 StGB) geführt. Bei den vier anderen Fällen handelte es sich um eine fahrlässige Tötung (§ 222 StGB), um Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), einen Sterbefall im Kontext eines Klinikaufenthaltes sowie eines weiteren Tötungsdeliktes aus dem Jahr 2018 aus dem Altkreis Osterode, welches durch die Zuständigkeitsänderungen sowie aus technischen Gründen lediglich als Fallüberhang aus der PI Northeim mit in die Jahresstatistik der PI Göttingen hineinzählt und aus den vorgenannten Gründen hier keine weitere nähere Berücksichtigung findet. Alle Taten sind polizeilich geklärt.

Bei den Mordfällen handelt es sich zum einen um einen Mordversuch im August 2019 im Kontext "Häuslicher Gewalt". Der zum Zeitpunkt der Tat 31 Jahre alte Täter besorgte sich eine Machete und suchte im Anschluss die Wohnanschrift seines 61jährigen Vaters auf, wo er diesem, mit der Absicht diesen zu töten, lebensgefährliche Verletzungen zufügte. Vermutlich stand der 31-Jährige bei Tatausführung unter dem Einfluss berauschender Mittel. Anmerkung justizieller Ausgang: Es erfolgte eine freiheitsentziehende Maßregel.

Bei dem zweiten Fall handelte es sich ebenfalls um eine Versuchstat, wieder mit Einsatz einer Stichwaffe. Im September 2019 belästigten zwei männliche Personen (20 und 22 Jahre alt) eine junge Frau in der Göttinger Innenstadt. Als der männliche Begleiter der Frau intervenierte, geriet dieser mit einem der Täter in eine körperliche Auseinandersetzung. Dabei wurde das spätere Opfer, ein 20jähriger Mann, durch den Täter unvorhersehbar mit einem Messer in dem Brustkorb gestochen. Während der Auseinandersetzung kam ein weiterer Täter hinzu, der auf die Frau einschlug und sie verletzte. Anmerkung justizieller Ausgang: Es erfolgte eine Verurteilung unter Anwendung des Jugendstrafrechts.

Im letzten Mordfall aus Oktober 2020 versuchte die 15-jährige Täterin gemeinsam mit ihren neuen 16-jährigen Freund ihren Ex-Freund (15 Jahre) heimtückisch mit einem Messer zu töten. Dieser erlitt mehrere Schnitt- und Stichwunden im Oberkörper-, Hals- und Kopfbereich, wovon einige potentiell lebensbedrohlich gewesen sind. Die beiden Täter ließen von dem Opfer nur ab, weil das Opfer lautstark um Hilfe schrie und sich Passanten dem Tatort näherten. Anmerkung justizieller Ausgang: Hier wurde Anklage vor der Jugendkammer erhoben.

Bei den Totschlagsdelikten handelt es sich zum einen um den Fall aus Dezember 2019, als ein 18-jähriger Heranwachsender vermutlich diverse Male mit einem Klappmesser auf dessen 53-jährigen Vater einstach und ihn dadurch lebensbedrohlich verletzte. Als die Mutter des Täters versuchte, die Situation zu deeskalieren, wurde auch sie durch das Messer an der Hand verletzt. Anmerkung justizieller Ausgang: Dieses Verfahren wurde eingestellt, da alle Seiten aufgrund ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zueinander sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben.

In einem weiteren Fall, geschehen im März 2020, war ein 81-jähriger Beschuldigter dringend verdächtig, ein Tötungsdelikt zum Nachteil seiner 75-jährigen Ehefrau durch Erschießen mit einer Langwaffe begangen zu haben. Nach der vollendeten Tat richtete der Senior die Waffe gegen sich selbst und verletzte sich schwerst. Er verstarb trotz Not-OP am Folgetag.

Beim letzten Totschlagsdelikt aus September 2020 gerieten zwei Personen vor ihrem Mehrfamilienhaus in verbale Streitigkeiten. Der 36 Jahre alte Täter beleidigte in der Folge dieser Streitigkeiten das spätere, 51-jährige Opfer. Der Täter begab sich im weiteren Verlauf in seine Wohnung und holte ein Küchenmesser. In der Folge stach er damit vor der Haustür unvermittelt und mehrmals zielgerichtet in Richtung des Brustkorbes des Opfers. Der Angegriffene wurde vom Messer getroffen und verletzt. Anmerkung justizieller Ausgang: Hier läuft seit dem 10.03.2021 das Hauptverfahren vor dem LG Göttingen.

Bei den nicht weiter angeführten Taten handelte es sich um einen Todesfall im Zusammenhang mit einem Klinikaufenthalt (möglicher ärztliche Behandlungsfehler), einen tödlichen Betriebsunfall ggf. nach fahrlässigem Fehlverhalten unter Missachtung der Unfallverhütungsvorschriften, des Verdachtes des Tötens auf Verlangen eines Ehepaares sowie den zu Anfang bereits erwähnten Fall aus dem Altkreis Osterode (Soko Husky). Anmerkung justizieller Ausgang: Der Täter wurde im Jahr 2019 zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt; der BGH lehnte im Februar 2020 die Revisionsverhandlung ab.

Phänomen Messerangriffe (Einsatz von Stichwaffen)

Im Jahr 2020 wurden 94 Fälle registriert, bei denen Stichwaffen im Rahmen der Tatbegehung mitgeführt und/oder eingesetzt wurden (2019: 98). Überwiegend handelte es sich um Fälle gefährlicher Körperverletzung oder Bedrohung/Nötigung. "Fünf Messereinsätze erfolgten im Zusammenhang mit den o.a. Tötungsdelikten, was uns leider wieder einmal die besondere Gefährlichkeit verdeutlicht. Unsere polizeilichen Kontrollen sind auch darauf ausgerichtet, das Mitführen von Messern festzustellen und Verstöße zu ahnden", sagt Kriminaldirektor Breyer.

Dazu Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Immer häufiger wird bei Straftaten ein Messer verwendet - sei es um andere Menschen zu bedrohen, aber auch bei Raubüberfällen, Körperverletzungen bis hin zu versuchten Tötungs- und Sexualdelikten. Der Anstieg ist nicht verwunderlich: Messer jedweder Art sind in jedem Haushalt verfügbar und weitgehend erlaubnisfrei zu kaufen."

Verbreitung pornografischer Schriften

Mit Abschluss des Jahres 2020 wurden 136 Fälle der Verbreitung pornografischer Schriften polizeilich registriert (2019: 68 Fälle), davon sind 108 Fälle dem Bereich der Kinderpornografie (KiPo) zuzuordnen (2019: 49 Fälle).

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Ursachen für den Anstieg der Fallzahlen sieht die Göttinger Polizei in einer deutlich verstärkten Anzeigebereitschaft und einer weltweit optimierten Internetauswertung. "Die bereits 2018 eingerichtete Ermittlungsgruppe KiPo hat sich mittlerweile als ständige Ermittlungsgruppe im Zentralen Kriminaldienst der PI Göttingen etabliert und stellt ein effizientes Mittel zur Bekämpfung derartiger Straftaten gerade in diesem schwierigen und belastenden Themenfeld dar. Diese Sonderkommission KiPo hat hervorragende Ermittlungsverfolge zu verzeichnen", führt Kriminaldirektor Breyer aus. "Ziel der KiPo-Experten ist es, schnellstmöglich aktuelle Missbrauchsfälle zu erkennen und die Täter zu ermitteln, um eine Tatfortsetzung sofort zu beenden. Sehr hilfreich ist uns hier die gute Zusammenarbeit mit der Justiz, dem BKA und LKA sowie unseren digitalen Forensikern und IT-Experten", verdeutlicht Breyer.

Straftaten zum Nachteil älterer Menschen (SÄM)

"Einen besonderen Fokus der polizeilichen Ermittlungs- und Präventionsarbeit sehen wir auch in 2021 im Bereich der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. Hier sind Deliktsbereiche von auftretenden 'falschen Polizeibeamten' und dem sogenannten 'Enkeltrick' besonders zu erwähnen. In 2020 waren 806 Fälle (davon 753 Versuchstaten) zu verzeichnen. Die hohe Zahl der Versuchstaten zeigt auf, dass unsere Präventionsmaßnahmen und Beratungsgespräche Wirkung erzielen. Dieses gilt es in 2021 fortzusetzen", so Kriminaldirektor Breyer und weiter: "Ein ausdrücklicher Dank gebührt an dieser Stelle den aufmerksamen Menschen, die durch ihr Handeln verhinderten, dass die Täter zum Ziel kamen, so u.a. durch aufmerksame Taxifahrer und Mitarbeitende von Geldinstituten".

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Dazu Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Straftaten zum Nachteil älterer Menschen sind besonders verwerflich, weil die Täterinnen und Täter Mitleid, Hilfsbereitschaft oder Respekt vor staatlicher Autorität ausnutzen. Dank intensiver Präventions- und Aufklärungsarbeit - sowohl bei älteren Menschen, als auch in deren Umfeld - bleibt es in vielen Fällen glücklicherweise nur beim Versuch. Dennoch gelingt es den Täterinnen und Tätern immer wieder, Seniorinnen und Senioren um ihr Hab und Gut zu bringen - im vergangenen Jahr im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen um 3,1 Millionen Euro. Allein 560.000 Euro davon entfallen auf die Masche des 'falschen Polizeibeamten'. Wie flexibel Betrügerinnen und Betrüger ihre Arbeitsweise an die Umstände anpassen können, hat sich in der Corona-Pandemie gezeigt, die sich die Straftäterinnen und -täter auf kriminell-kreative Weise mit neuen Maschen rund um das Virus zunutze gemacht haben. Es gilt also nach wie vor, wachsam zu bleiben."

Gewalt gegen Polizeibeamte

Für 2020 mussten im Phänomenbereich der Gewalt gegen Polizeibeamte 137 Fälle verzeichnet werden (2019: 149 Fälle). In den überwiegenden Fällen handelte es sich dabei um Widerstandsstraftaten und tätliche Angriffe. Bei 68 Fällen handelten die Tatverdächtigen unter dem Einfluss von Alkohol. "Auch wenn die Zahlen der PI Göttingen im Vorjahresvergleich leicht rückläufig sind, handelt es sich immer noch um eine erschreckend hohe Anzahl an Fällen in diesem Deliktsbereich, welche wir konsequent verfolgen werden", so Kripochef Thomas Breyer. Hervorzuheben sind hier die Ausschreitungen im Rahmen der polizeilichen Einsatzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch in dem Göttinger Hochhauskomplex in der Groner Landstr. 9. Durch eine eingerichtete Sonderkommission konnten 35 der 36 tatverdächtigen Personen identifiziert und entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.

Behördenleiterin Gwendolin von der Osten: "Die Zahl der Straftaten gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte ist 2020 erneut deutlich um 5 % auf 484 Fälle gestiegen und hat damit einen traurigen Höchststand im Zehn-Jahres-Vergleich erreicht. Ein trauriges Beispiel für diese besorgniserregende Entwicklung sind die Ausschreitungen in einem Wohnkomplex an der Groner Landstraße in Göttingen im Juni vergangenen Jahres gewesen. Elf Polizistinnen und Polizisten wurden dabei verletzt und waren zeitweise nicht mehr dienstfähig. Im Jahr 2020 waren 46 Kolleginnen und Kollegen an 610 Tagen nach Angriffen nicht dienstfähig - und standen damit nicht zum Schutz der Bevölkerung zur Verfügung. Das zeigt, wie sehr solche Angriffe der Gemeinschaft schaden. Solche Angriffe werden wir allein deswegen schon auch künftig nicht tolerieren, sondern konsequent zur Anzeige bringen. Darüber hinaus werden wir unsere Einsatzkräfte auch weiterhin schützen, unter anderem mit der Bodycam, die 2019 eingeführt wurde und allein im vergangenen Jahr in etwa 30 Fällen Angriffe auf Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte dokumentiert hat."

Kinder- und Jugendkriminalität

Die Gesamtzahl der Straftaten im Zusammenhang mit minderjährigen Tatverdächtigen hat sich gegenüber dem Vorjahr nur leicht auf 1.129 Fälle erhöht (2019: 1.098) und stellt im Vergleich der letzten 10 Jahre den zweitniedrigsten Wert dar. Während bei den tatverdächtigen Kindern insgesamt rückläufige Zahlen festzustellen sind (minus 64 Fälle) wurde bei den jugendlichen Tatverdächtigen ein leichter Anstieg verzeichnet (plus 95 Fälle), der sich im Wesentlichen in den Deliktsbereichen Besitz von Betäubungsmitteln (überwiegend Cannabisprodukte) und Besitz und Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie ergibt. "In diesem Kontext möchte wir die Erziehungsberechtigten bitten, die Nutzung digitaler Datenträger (Mobilfunktelefone, Computer) und Medien (WhatsApp-Gruppen, Chats) ihrer Kinder sehr aufmerksam zu beobachten und diesen Medienkonsum zu begleiten, um auch das Gefahrenbewusstsein ihrer Zöglinge zu stärken", führt Kripochef Thomas Breyer aus.

Die Aktivitäten junger Menschen haben sich in der Pandemie noch stärker in den digitalen Raum verlagert. Ein höherer und weniger kontrollierter Medienkonsum dürfte dazu geführt haben, dass Jugendliche aber auch Kinder mehr jugendgefährdende Inhalte konsumierten. Das starke Ansteigen der Zahlen in diesem Deliktsbereich resultiert mitunter aus Feststellungen in mitgliederstarken Messenger-Gruppen. Wenn darin Inhalte geteilt werden, kommen viele in den Besitz, also auch von problematischen/verbotenen Aufnahmen. Teils handelt es sich um selbsterstelltes Material, das sorglos oder auf Drängen Anderer versandt wird, zum anderen stammt das Material aus dem Internet und den Versendern ist oft nicht bewusst, dass es missbräuchlichen Handlungen entstammt und der Besitz und das Versenden strafbar ist.

Betäubungsmittelkriminalität

Inspektionsweit konnte 2020 ein Anstieg der Rauschgiftdelikte auf 1.654 Fälle verzeichnet werden (2019: 1.275). Dieser Zuwachs begründet sich hauptsächlich auf die registrierten Fälle im Bereich des Besitzes von illegalen Betäubungsmitteln. Der Besitz und Konsum von Cannabisprodukten ist dabei am stärksten belastet aber auch beim Handel mit Betäubungsmitteln konnte ein leichter Zuwachs verzeichnet werden. Die Zuwächse dürften auch auf das erhöhte Kontrollaufkommen im öffentlichen Raum zurück zu führen sein sowie durch den Einsatz von Ermittlungsgruppen.

 

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