Kultur / Rezensionen

27.02.2021

Auf der Spur des Totensenkers


Horror Escape Adventure durchgespielt

von Christian Dolle

Escape Rooms haben Hochkonjunktur. In der Realität, es gibt sie in Göttingen, in Schierke, in Wernigerode und an vielen anderen Orten, als Spiel, sogar mit Preisen ausgezeichnet und für viele längst Kult, und es gibt sie auch als Buch. Doch taugt das was? Dieser Frage bin ich im Selbsttest nachgegangen.

Ganz konkret geht es um „Von Voodoopuppen und Blutopfern“ aus der Reihe Escape Adventures Horror. Die Autoren Sebastian Frenzel und Simon Zimpfer sind Game Designer, die beide schon Escape Rooms entwickelt haben, Sebastian Frenzel sogar studierter Game Designer... ja das kann man studieren, wieder was dazugelernt. Meine Erwartung war es, eine Mischung aus Spiel und Buch zu bekommen, bei dem es eben nicht nur um Rätsel geht, sondern auch die Story einen nicht ganz unbedeutenden Part einnimmt. Letztlich irgendwie eine Art Textadventure, so jedenfalls mein Wunsch. 

In die Geschichte werde ich ziemlich abrupt hineingezogen, unter mir tut sich nämlich ein Abgrund auf, es wird dunkel um mich und wenig später befinde ich mich im oberen Stockwerk einer alten Kirche. Unten ist alles überschwemmt, hier bittet mich eine Frau, ihr zu helfen, oder wenigstens ihren beiden Kindern, die in einem Käfig gefangen sind. Am besten mit Voodoomagie. 

Das Buch wird zerstört

Obwohl ich die nicht beherrsche, lande ich kurz darauf in einem mysteriösen Laden für fleischfressende Pflanzen und nachdem ich denen entkommen bin, mache ich mich auf den Weg, mir genug Wissen über Voodoo anzueignen, um den Kindern und der Frau zu helfen. Mein Weg führt mich dabei zu einem Schlangenverleiher, in die Sümpfe und auf die Spur des Totensenkers, der Verstorbenen in einem seltsamen Ritual das letzte Geleit gibt. 

Anhand gelöster Rätsel hangele ich mich von einer Seite zur nächsten, muss mit Hilfe einer Codematrix neue Hinweise entschlüsseln, bekomme eine Karte, die ich mehr und mehr erkunden darf, sowie Helfer und Hilfsmittel. Dabei muss ich ins Buch schreiben, Dinge ausschneiden und einmal sogar einen Brustkorb aufschneiden, um in den Eingeweiden den nächsten Hinweis zu suchen, übrigens eine der coolsten Ideen wie ich finde. Auf jeden Fall aber ist das Abenteuer nur einmal spielbar, doch das ist bei Escape Games ja normal.

Die Rätsel dienen der Geschichte nur bedingt, es wird schnell klar, dass die Geschichte im Grunde um die Rätsel herum konstruiert wurde, dafür aber sind sie absolut abwechslungsreich und machen größtenteils echt Spaß. Nun mag es an mir liegen und daran, dass ich eben zum ersten Mal ein solches Buch durchspiele, aber immer wieder gab es auch Rätsel, bei denen die Aufgabenstellung nicht wirklich eindeutig war oder bei denen sich Lösungen ergaben, die so absurd und an den Haaren herbeigezogen waren, dass sie einfach nur frustrierten. 

Komplexe Herausforderungen

Zwischendurch konnten Nachbarn mich laut fluchen hören, mir fehlte die Logik oder der Zusammenhang zur Story und die Eindeutigkeit. Vielleicht mangelte es mir auch nur an Geduld bei sowas, aber ich wusste plötzlich wieder, warum ich eigentlich viel mehr der Typ für „Mensch ärgere dich nicht“ bin als für allzu komplexe Herausforderungen. 

Wenn auf einer Tarotkarte nach Antworten gesucht werden muss, die aber im Grunde gar keinen Sinn ergeben und erst recht nicht in den Kontext der Story passen, dann ist das absolut nicht mein Ding. Richtig sauer gemacht haben mich dann aber die Tipps, die es auch zu jedem Rätsel gibt, und zwar immer in zwei Stufen. Dabei hatte ich den Eindruck, dass die erste Tippstufe manchmal lediglich die Aufgabenstellung erklärt, also nur das ohnehin Offensichtliche verrät. 

Wenn aber der erste Tipp „Tarot“ lautet und der zweite dann „Tarotkarten besitzen manchmal wichtige Informationen“, dann habe ich ehrlich gesagt das Gefühl, jemand hält mich für einen völligen Vollidioten. Hier hätte ich mir auf jeden Fall etwas anderes gewünscht, im besten Fall vielleicht sogar einen Link, auf dem mir eine Lösung dann im Nachhinein plausibel erklärt wird. 

Nun gut, einige Rätsel habe ich also nur mit Hilfe der Tipps gelöst, um weiterzukommen. Lösen musste ich sie jedenfalls alle, denn letztlich ist die Geschichte doch ziemlich linear. Auch hier hätte ich mir ehrlich gesagt wenigstens ab und zu einen alternativen weg gewünscht, doch wenn es mal Entscheidungsmöglichkeiten gab, dann führten die schon einen Schritt später wieder auf den einen linearen Pfad. 

Spannendes Finale

Ab einem gewissen Punkt aber nimmt die Geschichte dann richtig Fahrt auf, auf einmal suche ich nicht mehr herum und hangle mich von einem notwendigen Baustein zum nächsten, sondern es beginnt genau das, was ich wollte. Ohne zu viel verraten zu wollen, kann ich, glaube ich, erzählen, dass ich in eine im Sumpf versunkene Stadt tauche und deren Geheimnisse nach und nach lüfte. Hier passen die Rätsel meiner Meinung nach viel besser zur Story und zur Atmosphäre, es kommt mir vor als soll jetzt nicht mehr gestreckt, sondern Spannung aufgebaut werden. 

Für mich hat das funktioniert, ich wollte ab diesem Punkt wissen, wie es weitergeht und fand alles sogar angenehm gruselig, vor allem aber gut konstruiert und – wie es in Spielen so schön heißt – durchaus immersiv. Es gab ein spannendes Finale, als Horrorstory also doch durchaus brauchbar, als Spiel hat es mich weniger überzeugt, weil da am Ende eigentlich nur wichtig war, wie viel Zeit ich gebraucht hatte, um es durchzuspielen. 

Insgesamt gibt es also einige Kritikpunkte, von denen ich nicht genau sagen kann, ob es an diesem Buch selbst liegt oder vielleicht doch eher an meinen Erwartungen. Zumindest aber fühlte ich mich unterm Stricht für eine ganze Weile (nein, ich habe die Zeit ehrlich gesagt nicht gestoppt) gut unterhalten und bin mir ziemlich sicher, dass ich irgendwann noch mindestens ein weiteres Escape-Room-Buch ausprobieren will. 

Die Rezension gibt es auch auf Youtube:

 

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