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01.02.2021

Die Geschichte des Lerbacher Schützenhauses


Das Schützenhaus sorgt für Unmut bei den Lerbacher Bürgern

von Petra Bordfeld

Die Geschichte des Schützenhauses in Lerbach beginnt im Jahr 1843 damit, dass in dem Gebäude die Gastwirtschaft „Zum Schützenhaus“ eröffnet wurde. 58 Jahre später brannte es ab, um später als Kurhotel die Türen zu öffnen. Doch schon 1905 tobte sich darin erneut der Feuerteufel aus. Zehn Jahre später stand das dritte „Schützenhaus“, auf dessen Vorplatz die Schützenfeste und großen Saal die Theater- und Kinovorstellungen stattgefunden hatten.

In diesem Jahr sollen die Planungen für den Abriss gemacht werden und im Jahr 2022 sind die Kosten für den Abriss des maroden Gebäudes von der Stadt eingeplant. Mit dem Abriss wird ein Stück Lerbacher Geschichte ausklingen.

In den 178 Jahren seit der Eröffnung des ersten Schützenhauses und den Erwerb des baufälligen Mauerwerkes seitens der Stadt Osterode hat sich viel Interessantes ereignet, was nicht verschwiegen werden sollte. 1963 kam das Aus für die Gaststätte. Im Vorfeld hatte die Schützengesellschaft noch auf eigene Kosten den Neubau des Kleinkaliberschießstandes auf dem Gesamtareal realisiert. Damit sollte der wirtschaftlich angeschlagenen Betreiber darin unterstützt werden, dass alle Feste und Bewirtungen ausschließlich durch ihn erfolgen konnten. Doch trotz Verträgen und grundbuchlicher Absicherungen kam es bereits 1966 zu den ersten Streitigkeiten mit dem Erwerberehepaar aus Hannover. Im Mittelpunkt stand die besondere, bauliche Situation, die bis heute für das Nachbarschaftsverhältnis prägend ist.

Während der große Saal gesperrt wurde, waren im Gastraum ein Friseur und eine Badestube zu finden. Ein weiterer Teil des Hauses diente als Unterkunft für Gastarbeiter – Griechenland und Türkei - . Dort wurden aber auch Flohmärkte und Kleidersammlungen durchgeführt. 1977 erfolgte dann die behördliche Sperrung des „Schützenhauses“. Die Eigentümer hatten das Interesse an der Immobilie verloren. Entsprechend kamen sie Ihren Verkehrssicherungspflichten nicht mehr nach. Herabfallende Dachziegel und der zusehende Verfall waren und sind für jeden sichtbar.

Auf Initiative des Ortsbürgermeisters Frank Koch hat die Verwaltung der Stadt Osterode mit der Schützengesellschaft, als direkter Nachbar, 2011 ein Gespräch stattgefunden, welche Möglichkeiten es gebe, diesem Schandfleck im Ortskern zu entfernen.

Konstruktiv wurden verschiedene Vorschläge diskutiert. Die Schützengesellschaft war bereit, ihre Grundstücksflächen aufzugeben und den Schießbetrieb an einem alternativen Standort fortzusetzen. Leider ließ sich ein Anbau hinter der Grundschule am Schwarzenberg nicht genehmigungstechnisch realisieren.

Dann sollte die Idee verfolgt werden, eine Schießsportanlage innerhalb des alten Baukörpers einzurichten. Dafür sollte ein Architekt wegen der Möglichkeit und der Kosten hinzugezogen werden. Trotz Fördermöglichkeiten wurden auch für diese Variante hohe behördliche Auflagen gesehen, dass die Kosten für die Schützengesellschaft nicht tragbar waren.

Anfang des Jahres 2013 erhielt die Schützengesellschaft Lerbach ein Schreiben der Stadt Osterode, in dem es unter anderem darum ging, dass ein Abriss unumgänglich sei, spätestens dann, wenn eine Gefahr vor dem Gebäude ausgehe. Bei der danach durchgeführten Ortsratssitzung fasste Ortsbürgermeister Frank Koch zusammen, dass es die Aufgabe des Ortsrates wäre, eine eindeutige Aussage zu weiteren Vorgehensweisen zu treffen.

Die Stadt legte dann im Mai 2014 Zahlen vor. Während sich die Abrisskosten damals zwischen 85.000 bis 95.000 € beliefen, wuchsen diese Summen im Oktober 2019 nicht nur um das doppelte. Denn mittlerweile sollten die Abrisskosten bis zu 250.000 € betragen. Die Neugestaltung einer Grünanlage mit Parkplätzen bei 200.000 €. Wenn der bei LEADER vorgesehene Antrag auf Erfolg stoßen sollte, müsste seitens der Stadt „nur“ 50.000 € dafür berechnet werden. Doch eben dieser Antrag konnte nicht mehr angenommen werden, weil die in LEADER vorgesehen Fördersummen Ende 2019 aufgebraucht waren.

Daneben gestalteten sich die Gespräche mit den Eigentümern schwierig, die weiterhin die Immobilie als Vermögenswert gesehen hatten, und bei einem Verkauf noch einen völlig überschätzten Kaufpreis erzielen wollten. Im Fortgang waren alsbald beide Eigentümer verstorben und über das Vermögen wurde ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet. Doch auch der Nachlassinsolvenzverwalter konnte keine verkehrssichernde Maßnahmen veranlassen. Nun wurde der Landkreis Göttingen tätig, und erließ eine Abrissverfügung.

Diese Verfügung bedeutete für die Schützengesellschaft ein Betretungsverbot für das gesamte Areal, da die Auswirkungen des Abrisses aus der gemeinsamen Grenzbebauung in Verbindung mit dem Höhenunterschied aus der Hanglage nicht abschätzbar waren. „Zum Glück ließ sich der Abriss realisieren, ohne das das Eigentum der Schützengesellschaft in Mitleidenschaft gezogen wurde. Damit konnte das Betretungsverbot aufgehoben werden“, so der zweite Vorsitzende der Schützengesellschaft Lerbach, Marco Gömann.
„Die grundsätzlichenn Probleme der baulichen Verflechtungen mit den gegenseitigen Grenzbebauungen wurden damit aber nicht gelöst“.

Inzwischen war die Immobilie dem Landesliegenschaftsfonds zugefallen, der diese vermarkten musste. Insoweit hat im Dezember 2020 die Stadt Osterode am Harz die Immobilie erworben und auch mit der Schützengesellschaft ein Einvernehmen hergestellt, dass mit dem Abriss der restlichen Gebäudeteile die grundbuchlichen Zusicherungen für die Schützengesellschaft entfallen.

Das hat zur Folge, dass die Existenz des ältesten Vereins in Lerbach stark gefährdet ist, der seinen Kleinkaliberschießsport aus Sicherungsgründen nicht fortführen kann. „Wir gehen davon aus, dass die Gespräche mit der Stadt als neue Eigentümerin, im Zusammenwirken mit dem Ortsrat, zu einem Ergebnis kommen, und dass Hilfestellungen gegebenen werden, um den Schießbetrieb und letztendlich die Existenz des Vereins fortzuführen“, so Marco Gömann.  

 

 

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