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03.01.2021

Reisekameraden


von Johannes Nordmann

Es war ein Anruf vom örtlichen Verkehrs- und Reisebüro im Haus "Kaffeemühle" auf dem AB mit der Mitteilung, dass ich meine Reiseunterlagen abholen könne.
Da geht es einem Vagabunden doch gleich wieder besser, nur sitze ich hier heute Morgen tatenlos herum, denn die Kaffeemühle öffnet erst um 10 Uhr.
Zeit zum Dank den Mitarbeitern dieses Hauses, durch deren Unterstützung ich über die Jahrzehnte außerhalb Europas reichlich und allein über die Kontinente segeln konnte.

Das Reisen selbst hat sich in den letzten Jahren jedoch ein wenig verändert. Da darf es mit zunehmendem Alter schon ein wenig mehr Komfort geben, auch könnte ich mir mehr als vier Wochen am Stück nicht mehr so richtig vorstellen, auch wenn es noch so verlockend und abenteuerlich ist.

Mir schweben da schon so Gedanken wie die Mongolei und auch Südostasien im Kopf herum, die aber noch keine feste Konturen haben. Der mitfühlende Globetrotter weiß, dass diese Gedanken jedoch jetzt schon eine "berufsbedingte Gänsehaut erzeugen, obwohl ein anderes Ticket schon bereit liegt. Andererseits sind die Knochen meiner Mutter, die über die Jahrzehnte meiner Passion Hüter über Haus und Hof war, mit der Zeit auch schon etwas rostiger geworden.

Nun ist es unter anderem an mir, diese zu ölen, damit die letzte Ölung noch etwas hinausgeschoben werden kann Diese schöne Revanche wird auch durch die Hilfe meiner beiden Schwestern ermöglicht, die auch beim nächsten Trip bereitstehen.
Kurzum ist dies ein kleines Dankeschön für ihre Unterstützung an alle bereits nicht und noch Erwähnten bei dieser Überbrückung bis 10 Uhr.

Zu den noch zu Erwähnenden:
Da wäre als erstes mein Sport- und Reisekamerad Arne zu erwähnen, mit dem ich mich z.B. auf nur zwei Reisen über vier Kontinente herumgetrieben habe, unter anderem bis auf 5 300 Metern in den Anden und genau da habe ich gemerkt, dass uns nicht nur 21 Jahre, sondern auch die 21 Kilo trennen - dieser junge Hungerhaken! Musste mich ganz schön quälen, damit er mir nicht davon hüpfte, letztendlich hatte er aber doch Einsicht mit meinem biologischen Alter.

Wir passen auf Reisen sehr gut zusammen, sind aber auch auf Grund anderer Charaktereigenschaften ansonsten halt "nur" Sportfreunde. Das muss an mir liegen, denn in meinem Umfeld werde ich mit Adjektiven wie stur, unmöglich, bauerschlau und ähnlich positiven Nettigkeiten betitelt. Ich wurde mal gefragt, warum es auf Reisen so gut miteinander klappt und mir fiel nichts Besseres ein als: Ich schieße den Weg frei und er sagt mir dann, wie der Weg heißt und wie alt die Pflastersteine sind!

Ein gelernter Handwerker und ein Diplom Sozialwirt. Kann doch klappen, warum nicht?
Ich hoffte, das wir bald mal wieder in so eine Situation kommen, so in Südostasien - Vietnam, Kambodscha, Laos...

...verdammt; träume nicht dein Leben, lebe deine Träume !
Dass der eine im fast 50 Grad heißen Death Valley, dem Tal des Todes in Kalifornien gejoggt ist und der andere bei knapp -30 Grad den Siberican Ice Marathon (21 km) bestritten hat, kann die verschiedenen Charaktere nicht besser ausdrücken.

Diese Abenteuerlust, der Hunger nach Erlebnissen zeigt aber andererseits die Verbundenheit. Als Arne im indischen Ozean an der westaustralischen Küste durch die Wellen schwamm, wurde mein Interesse am Schwimmen trotz der Haigefahr geweckt.
So wurden ein Läufer zum Schwimmer und umgekehrt, beide zu Thriatleten, denn Rad fahren kann selbstredend fast jeder.

So bestritten wir nur wenige Jahre später einen Ausdauer Schwimmwettbewerb. Arne wurde mit 33 Kilometern Kraulen Erster, mir reichten die 12 Kilometer Brustschwimmen zum 2. Platz.
Meine mit der Zeit sportlich gewordene "Reisekameradin" - siehe unten - wurde 4. bei den Frauen.
Kraulen bzw. Freistil lernte ich erst mit 60 Jahren, da das Brustschwimmen nach einer Krebsoperation aus medizinischer Sicht nicht ratsam war.

20 Jahre nach unseren Reisen ist Arne inzwischen verheiratet mit Kind und verzogen. Große und zufällige Wiedersehensfreude bei einem Laufevent nahe seines neuen Wohnort im letzten Jahr


Auch in mein Leben trat eine "Reisekameradin".
Wir haben im Laufe der Zeit reichlich Skandinavien und 20 andere europäische Länder er"fahren". Sie mühte sich dabei ebenfalls nach kurzer Trainingsphase auch beim Triathlon und weiteren Ausdauer-Wettbewerben.

Da wir im Albert Einstein Jahr (2005) leben erst einmal ein Zitat von dem als "lustigen Finken" bekanntem Nobelpreisträger, was diese Art des Reisens bestens beschreibt:
"Wenn sich die Frauen in ihrer Wohnung befinden, so sind sie an ihre Möbel fixiert. Sie laufen den ganzen Tag um sie herum und arbeiten etwas an ihnen. Wenn ich mich aber mit meiner Frau auf einer Reise befinde, so bin ich ihr einziges Möbel, das sie mitgenommen und zu ihrer Verfügung hat und sie kann sich nicht enthalten, den ganzen Tag um mich zu kreisen und an mir etwas zu verbessern.

Das ist bei uns nicht anders, denn auf Grund meiner von der Allgemeinheit oft erwähnten vorzüglichen Charaktereigenschaften versucht sie auch ohne Reise ständig um mich herum zu kreisen und diesen Charakter zu verbiegen. Dennoch reise ich gern mit ihr, denn nur auf Reisen empfinde ich eine Art Ruhe. Die in dieser Zweisamkeit nur von kurzer Dauer ist und hier unterstützt mich Albert Einstein, sagte er doch zum einen:
"Wenn man zwei Stunden mit einem netten Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man aber eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden."
Besser jedoch zum Thema passend ein anderer Ausdruck seiner Relativitätstheorien:
"Eine Reise ist der Ehe vergleichbar: Man läuft mit Sicherheit falsch, wenn man davon ausgeht, sie kontrollieren zu können."



 

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