Kultur / Rezensionen

18.12.2020

Was, wenn wir nicht allein sind?


Christoph Ditterts Science Fiction-Roman "Fallender Stern"

von Christian Dolle

Weit draußen im All wird ein Asteroid entdeckt. Den zehnjährigen Eric interessiert das herzlich wenig, während seine Zwillingsschwester Amy völlig fasziniert davon ist. In dreißig Jahren wird er den Erde relativ nahe sein, die Gefahr eine Kollision besteht jedoch nicht. Soweit also nicht ungewöhnlich. Doch die Mutter, die bei der NASA arbeitet, hat den Kindern noch mehr verraten. Von diesem Asteroiden nämlich geht ein Funkspruch aus und die Wissenschaftler sind sich einig, dass er intelligenten Ursprungs ist.

Mit den beiden Zwillingen, dieser außergewöhnlichen Nachricht und den Reaktionen darauf – natürlich lässt sich das nicht lange verheimlichen – beginnt der Roman „Fallender Stern“ von Christoph Dittert. Ja, es ist ein klassischer Science Fiction-Plot, der Erstkontakt oder vermeintliche Erstkontakt zu Aliens ist in diesem Genre sicher nicht neu.

Doch es ist Christoph Ditterts Art, seine Geschichte zu erzählen, die dieses Buch ausmacht, die es deutlich aus der Masse heraushebt. Zunächst einmal ist es die Perspektive der beiden Geschwister, die erfreulich glaubhaft, nachvollziehbar und eben kindlich erzählt wird. Sie werden von Anfang an zu sehr greifbaren Hautfiguren, Eric in seinem Desinteresse für das, was weit da draußen im Universum passiert und ebenso Amy mit ihrer grenzenlosen Faszination genau dafür. Seit dem Tag der Entdeckung wächst in ihr der Wunsch, Astronautin zu werden und zu jenem Team zu gehöre, das in dreißig Jahren zum Asteroiden fliegt und versucht, Kontakt aufzunehmen.

Die drei ??? und Perry Rhodan

Dazu muss ich sagen, dass ich den Autor Christoph Dittert vom Mordsharz-Festival kenne. Schon häufiger haben wir ihn eingeladen – und zwar ausschließlich für unser Kinderprogramm. Er schreibt nämlich auch für „Die drei ???“, hat somit ein Händchen für Kinder- und Jugendliteratur und das merkt man eben auch in „Fallender Stern“ ganz deutlich.

Außerdem schreibt er für die Reihe „Perry Rhodan“ und auch das merkt man in seinem neuen Buch. Immer wieder gibt es Anspielungen auf Science Fiction-Romane, -Filme oder -Comics, kleine Bemerkungen nur, die zwischendurch für ein Lächeln sorgen, ganz ohne aufgesetzt oder krampfhaft lustig zu wirken.

Ohne zu viel vorweg nehmen zu wollen, entwickelt sich die Geschichte natürlich weiter und der Autor begleitet Amy und Eric bis ins Erwachsenenalter und eben nicht nur sie, sondern auch die Menschheit, die sehr viel Zeit hat, sich auf den Stichtag vorzubereiten. Christoph Dittert entwickelt eine Geschichte, die später noch ausreichend Action und vor allem auch eine gute Portion Horror bereithält und lässt all das ebenso geschickt einfließen wie den Humor, wenn auch deutlich dominanter, also zum Ende hin auch durchaus dystopisch.

Kein Buch über Aliens, sondern über uns

Was mich an dieser Geschichte allerdings besonders gepackt hat, ist eben dieser Aufbau, mit dem er sich viel Zeit lässt. Es beginnt im Jahr 2033 (für Leser von Dystopien ja durchaus ein gutes Jahr) und die Menschheit hat eben dreißig Jahre Zeit, sich Gedanken über die Existenz von Außerirdischen zu machen. Wie unterschiedlich diese Gedanken sein, zeigt sich in den Hauptfiguren Amy und Eric, aber auch in zahlreichen anderen, so beispielsweise einem Mitschüler, der sehr gläubig ist und dessen Weltbild von einem Gott, der uns als seine Ebenbilder geschaffen hat, plötzlich ins Wanken gerät.

Christoph Dittert hat erkannt, dass Spannung nicht durch Geschwindigkeit und dauerhafte Action erzeugt wird, sondern vielmehr durch den Raum für Mutmaßungen und schlimme Befürchtungen. So lässt er all den philosophisch anmutenden Fragen Raum, verleiht seinen Figuren dadurch Tiefe und bewirkte bei mir als Leser eben nicht nur, dass ich immer unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht, sondern dass ich das Buch dennoch häufiger mal zur Seite legte und mich in meine Überlegungen vertiefte.

Letztlich ist „Fallender Stern“ kein Science Fiction-Roman über Außerirdische, auch keine Dystopie, sondern vor allem, durchaus ähnlich wie die Werke von Stanislaw Lem, ein Buch über uns Menschen. Es geht um zentrale Fragen, die die Zukunft betreffen, unser Reagieren auf das Unbekannte und eben auch um unser wahres Wesen, also darum, wie Amy es ausdrückt, wie wir wirklich sind.

Die Rezension als Video gibt es auch auf Youtube:

 

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