Politik / Wirtschaft / Bildung / Wirtschaft

16.12.2020

Nachhaltigkeit im Blick: Lithium aus dem Oberrheingraben für Batterien


Ein Blick ins Innenleben der Geothermie-Anlage Bruchsal

Forschungsprojekt mit Göttinger Beteiligung nutzt für Gewinnung des Rohstoffs Tiefengeothermie

(pug) Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Lithium vor allem für die E-Mobilität wird weltweit die Produktion von Lithium aus Anlagen der Tiefengeothermie diskutiert und vereinzelt bereits pilothaft umgesetzt – unter anderem im Oberrheingraben. Im neuen Verbundprojekt UnLimited wird die EnBW Energie Baden-Württemberg AG als Kooperationsführer gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Universität Göttingen sowie weiteren Partnern eine Pilotanlage im Geothermiekraftwerk in Bruchsal einrichten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Projekt vier Jahre lang.

Deutschland deckt seinen Bedarf an Lithium bislang vollständig über Importe, doch die Nachfrage steigt stetig, da Lithium-Ionen-Batterien auch für mobile und tragbare Anwendungen sehr gefragt sind. In Chile wird der Rohstoff für innovative Technologien zum Beispiel durch Bohrungen gefördert und in mehreren Evaporationsbecken nacheinander durch die Sonne konzentriert. Das Projekt UnLimited („Untersuchungen zur Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland“) setzt sich zum Ziel, die notwendigen technischen und wirtschaftlichen Grundlagen für eine Lithiumproduktion aus heißem Tiefenwasser in Deutschland zu entwickeln.

„Das in Bruchsal erbohrte Wasser ist mit rund 150 mg Lithium pro Liter Wasser relativ reich an Lithium“, so Jochen Kolb, Professor für Geochemie und Lagerstättenkunde am Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT. Es werde nicht die bundesweit benötigte Menge liefern, doch diese heimische Produktion eröffne Alternativen für Lieferketten und reduzierte Umwelteinwirkung. „Kurze Transportwege, Flexibilität gegenüber anderen Anbietern, Versorgungssicherheit und erweiterte Lieferketten“, so Kolb: „Wir nutzen den Rohstoff Geothermalwasser effizienter und das hat den Nebeneffekt, dass es auch einen ökonomischen Boost für die Geothermie geben könnte.“ Im Geothermiekraftwerk Bruchsal, das die EnBW gemeinsam mit den Stadtwerken Bruchsal seit 2010 betreibt, wird Thermalwasser für Wärme und Strom gefördert und nach der thermischen Nutzung wieder in das Reservoir zurückgeführt. Mit dem Thermalwasserdurchsatz werden dabei überschlägig pro Betriebsjahr rund 800 Tonnen Lithiumchlorid ungenutzt gefördert und reinjiziert.

„Für die Abschätzung der Lithium-Ressource im geologischen Untergrund ist es essenziell, die Freisetzungsprozesse für Lithium im Geothermalreservoir und die Größe des Reservoirs zu kennen“, sagt Prof. Dr. Martin Sauter von der Abteilung Angewandte Geologie der Universität Göttingen. Um festzustellen, wieviel Lithium vorhanden ist, setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Sauter Methoden ein, mit denen die hydrogeochemischen Vorgänge an der Grenze von Festgestein zu zirkulierendem Fluid untersucht werden. Dazu wird insbesondere die Verteilung der stabilen Isotope des Lithiums verwendet. Über Markierungsversuche wird die Reservoirgröße abgeschätzt. „Mathematische Modelle, die den reaktiven Stofftransportprozess im Reservoir nachbilden, lassen die zukünftige, langfristige Entwicklung der Reservoirproduktivität berechnen“, ergänzt Sauters Kollegin Dr. Bettina Wiegand von der Universität Göttingen.

„Die Laboruntersuchungen stimmen uns optimistisch. Wir haben belegen können, dass es technisch grundsätzlich machbar ist. Jetzt gilt es, in einem nächsten Schritt die technische Umsetzung unter Realverhältnissen zu prüfen und die Wirtschaftlichkeit auch im größeren Maßstab zu bestimmen“, betont Dr. Thomas Kölbel, Konzernexperte Geothermie bei der EnBW.

Ziel ist, am Ende des Verbundprojekts im Pilotmaßstab Lithium aus Geothermalwasser bei gleichzeitigem Kraftwerksbetrieb zu gewinnen. Rund 30 bis 70 Liter Wasser werden pro Sekunde in den Kraftwerken des Oberrheingrabens nach oben gebracht. „Da wäre in rund 40 Minuten die Menge Lithium zum Beispiel für eine Tesla-Batterie zusammen“, erläutert Kolb. „In etwa zwei Minuten die Menge für ein E-Bike.“ So könnte bei rund 8.000 Betriebsstunden jährlich in der Geothermieanlage in Bruchsal eine Lithiummenge gewonnen werden, die ausreichend ist für die Produktion von etwa 20.000 Batterien.


Prof. Dr. Martin Sauter

 

Anzeige