Regionales / Stadt Bad Lauterberg / Bad Lauterberg

30.10.2020

Wissmann-Verehrung und unkritische Kolonialismus-Präsentation im Kurpark von Bad Lauterberg


Forderungen einer Bildungsurlaubsgruppe aus dem Internationalen Haus Sonnenberg 2020

Spurensuche Harzregion e.V.

Die ganze Welt diskutiert über die Verehrung falscher Helden, doch im vielbesuchten Kurpark von Bad Lauterberg steht seit 1908 eine Wissmann-Statue, unkommentiert und noch ganz im Stil der Kolonialromantik der Kaiserzeit. Denn in Bad Lauterberg sah man das Wirken des Kolonialkriegers und späteren Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika Hermann von Wissmann so positiv, dass man ihm drei Jahre nach seinem Tod ein Denkmal setzte und auch eine Straße nach ihm benannte.

Die mehr als drei Meter hohe monumentale Bronzefigur wirft mit ihrem Denkmalumfeld einen bezeichnenden Blick auf die damalige Motivation zur Errichtung dieser Gedenkstätte. Am Sockel kann man lesen: "Deutschlands großem Afrikaner Hermann von Wissmann. Geb. den 4. Sept. 1853. Gest. den 15. Juni 1905. Das dankbare Vaterland" sowie "Er kämpfte erfolgreich gegen den Sklavenhandel und für die Freiheit der Unterdrückten".

Gerade die zweite Formulierung ist ein Hohn, wenn man die gut erforschten grausamen Unterdrückungsfeldzüge von Wissmann bedenkt. Sein Lieblingsspruch „Ich finde oder ich mache mir einen Weg“ steht in Latein und Deutsch ebenfalls am Denkmal – ein zynischer Wahlspruch, denn Hermann von Wissmann überfiel im Zuge der Kolonialisierung Afrikas Dörfer, ließ sie plündern, die Häuser niederbrennen und Äcker zerstören. Wer sich ihm widersetzte, wurde erschossen. Er galt als grausamer Militärdiktator.

Die Gruppe traf sich vor Ort mit Fritz Vokuhl und anderen Aktiven der Seebrücke-Gruppe Harz, die diese unkritische Verehrung eines falschen Helden seit vielen Jahren kritisieren. Sie musste mit Erstaunen hören, dass der Bürgermeister der Stadt Bad Lauterberg schon vor etwa einem halben Jahr gegenüber der GZ ankündigte, dieser Ort solle zu einer Gedenkstätte umgestaltet werden. Seitdem ist jedoch vor Ort nichts geschehen! Das kritisierte die Gruppe einhellig.

Besonderes Unverständnis bestand darüber, dass auf einer Tafel die „Befreiung von der Sklaverei“ verherrlicht wird. Das ist eine Verdrehung der historischen Fakten! Die Berliner Historikerin Claudia Prinz schrieb schon 2010: So mancher Angriff entwickelte sich zum Massaker. Mehrere Hundert Tote auf Seiten der Bevölkerung bei nur wenigen Verlusten in der „Wissmann-Truppe“ waren ein Normalfall. Meist wurden die eroberten Städte geplündert, Teile zerstört. … die Brutalität erreichte eine neue Dimension während der Antisklaverei-Expeditionen 1892/93. Eines der schlimmsten Massaker beim Nyassa-See forderte mehrere Tausend Tote an einem Tag.

Die sogenannte Sklavenbefreiung war auch ein Machtkampf mit den arabischen Sklavenhaltern, den die Wissmann-Truppe gewinnen wollte. Die „befreiten“ Schwarzen wurden durch eine hohe Hüttensteuer anschließend wieder in Unfreiheit gebracht. Die Not endete in Aufständen, die die Deutschen erneut brutal bekämpften.

„Diese Tafel muss abgebaut und ins Museum überstellt werden, wo sie entsprechend historisch korrekt interpretiert wird“, so die Gruppe abschließend.



 

Anzeige