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19.06.2020

Wulftener Kirche soll im Herbst in neuem Außenglanz erstrahlen


Der Zimmermann erläutert Architektin Sabine Quehl und Ines Goesmann (re.) die Arbeiten am Kirchenschiffdach

...von Petra Bordfeld

Die Frage, wann die St. Aegidien-Kirche mit Baugerüsten eingekleidet wurde, können die Wulftener nicht genau beantworten. Dass es aber vor dem Schützenfest 2019 war, wissen viele, da zur Kirchenparade das Gerüst bereits stand. Und nach dem Schützenfest wurde zum Setzen der Anker auch der Innenraum eingerüstet, so dass bis weit in den Herbst hinein kein Gottesdienst in der Kirche stattfinden konnte. Fest steht allerdings, dass das Gotteshaus im Herbst dieses Jahres in neuem Außenglanz erstrahlen soll.

Das gilt auch für den oberen Teil des Turmes. Er erstrahlt mittlerweile nicht „nur" mit einem neuen Dach, sondern auch mit einem neuen Zifferblatt, angeschafft aus Mitteln der Wulftener Kirchenstiftung. Die hat übrigens genau denselben Platz eingenommen, wie ihre Vorgängerin, die ebenfalls nicht mittig eingebaut wurde. Aufgefallen ist die „Linkslastigkeit“ aber erst jetzt durch die farbige Gestaltung, denn das schwarze Zifferblatt ist jetzt grün.

Übrigens ist zum Thema „Kirchenuhr“ in dem Buch „400 Jahre ev. Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien Wulften“ nachzulesen, dass die vermutlich aus dem Jahr 1669 stammende Uhr 1782 gründlich repariert wurde. Damals musste der Stundenmesser alle 24 Stunden aufgezogen werden. 1875 wurde eine neue Uhr angeschafft, die erst 1970 durch ein vollelektrisches Uhrwerk ausgetauscht wurde, das bis 2019 seine Dienste tat.

Architektin Sabine Quehl, Bauleiterin vom Ing. Büro Gröninger aus Melsungen und Ines Goesmann, Kirchenvorstandsvorsitzende und Vertreterin der Kirchgemeinde, die Bauherrin ist, schmunzelten beim Erzählen dieser Begebenheiten. Sie wussten aber noch zwei Daten: Zum einen wurde die Kirche ab dem 8. Mai 2019 eingerüstet, und am 17. Mai die Bekrönung, die Kugel auf der Kirchenspitze, die neu vergoldet wurde, mit Wetterfahne abgenommen.

Ernster wurden die beiden, als sie den baulichen Zustand der Kirche ansprachen, die vor 429 Jahren eingeweiht wurde und jetzt auch eine neue Glocke aus Bronze erhalten hat.

In der Glockengeschichte ist nachzulesen, dass das Feuer im Jahr 1598 auch den Turm erreicht hatte und eine der beiden großen Glocken bersten ließ. Erst 1728 konnte eine neue angeschafft werden, welche in der Größe der ersten entsprach. Doch schon im Ersten Weltkrieg wurde eine „Zur Sicherung des Kriegsbedarfs“ eingezogen. Die erst 1933 neu angeschaffte Glocke wurde bereits 1942 für den gleichen zweifelhaften Zweck abgeholt. 1951 wurde eine neue, aus Gussstahl bestehende Glocke geweiht. Jetzt hängt im Turm wieder eine Bronzeglocke, für deren Anschaffung sich laut Ines Goesmann die Kirchengemeinde „krumm gelegt“ hat. Außerdem kamen noch viele Spenden aus der Gemeinde sowie Geld aus der Wulftener Rogge-Stiftung und auch eine finanzielle mit Hilfe der Landeskirche hinzu. So konnten die knapp 30.000 Euro gestemmt werden.

Aber nicht nur eine neue Glocke ist im oberen Teil des Turmes zu sehen, auch die Holzelemente erstrahlen in neuem Glanze und ermöglichen den Aufstieg bis zur Turmspitze. „Das ist sehr schön“, so die Kirchenvorstandsvorsitzende.
Allerdings muss bei dem Mauerwerk des Turmes noch viel Geduld und Geschick aufgebracht werden - auch wenn das Dach, die Schiefereindeckung und die Schallluken bereits neu sind. Dieses „Geduldsspiel“ sei erst zum Vorschein gekommen, als der alte Putz vollends herunter geschlagen wurde.

Der Schwerpunkt der Voruntersuchungen am Turm lag bei den Holzkonstruktionen. Der Putz der Turmfassaden war offensichtlich schadhaft und bestand aus dem falschen Material, so die Architektin. Doch unter dem gesamten Putz verbargen sich Schäden, die vorher nicht gesehen werden konnten. Denn nach der Abnahme des Putzes musste festgestellt werden, dass große Flächen des ursprünglichen Sandsteinmauerwerks mit Ziegelsteinen ausgebessert wurden. Dabei wurde ein zementhaltiger Mörtel verwendet, der für das vorhandene Mauerwerk mit einem gipshaltigen Mörtel unverträglich ist. So konnte sich Feuchtigkeit hinter dem ebenfalls zementhaltigen Putz sammeln. Dadurch wurden die Sandsteine zum Teil zerstört, auch die hinter den Ziegelsteinausbesserungen, erläuterte Sabine Quehl. Hinzu kam, dass der Sandstein an sich in großen Teilen von geringer Qualität ist. Dieser Zustand sei mit Sicherheit schon mal festgestellt worden und deshalb wurden vermutlich vor einigen Jahren bereits Sandsteine durch die Ziegelsteine ersetzt. Um weitere Zerstörungen des vorhandenen Mauerwerks zu verhindern, mussten sowohl die Ziegelsteine als auch der Zementmörtel ausgebaut und durch passendes Material ersetzt werden.

Da der Mörtel der neuen Aufmauerungen aber nicht mehr bei Temperaturen unter 7 Grad Celsius verarbeitet werden kann, mussten die Bauarbeiten im Dezember 2019 vorerst eingestellt werden. Seit Ende März geht es wieder weiter. Schließlich sollen die Arbeiten im Herbst 2020 abgeschlossen sein. Dann wird ein neuer Putz aufgelegt sein. Denn, auch wenn viele Steine ausgetauscht sein werden, muss das geschehen, weil Gipsmörtel Schutz vor Feuchtigkeit braucht. „Außerdem ist der Stein, der geblieben ist, empfindlich in seiner Struktur“, so die Architektin.

Das Kirchenschiff, oder besser das Dach, sorgte für eine weitere, nicht eingeplante, unangenehme Überraschung. Denn die Dachkonstruktion im Bereich der Traufen, die von innen nicht zugänglich sind, zeigten bei der Aufnahme von Dachziegeln zuvor nicht festgestellte Schäden. Um die zu beheben, musste der Zimmermann die Ziegeldeckung der 90er Jahre zu einem Teil aufnehmen, um an das in Mitleidenschaft gezogene Gebälk zu kommen. Außerdem wurden vier acht Meter lange Stahlanker quer durch das Kirchenschiff eingezogen, um dessen Gemäuer mehr Halt zu geben.
Die Außenwände des Schiffs sind schon ausgebessert worden und erhalten einen neuen Anstrich, wenn dieser auch dem Turm zukommen wird.

Auf die Frage, was dieses Projekt so insgesamt kosten dürfte, war zu vernehmen, dass die Kosten in einem hohen sechsstelligen Betrag liegen werden. Das Programm zur Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum Niedersachsen/Bremen hat bereits einen Zuschuss in Höhe von 150 000 € bewilligt. Die Finanzierung der Gesamtsanierung wiederum übernimmt die evangelische Landeskirche Hannover.
Übrigens liegt Bauprojektleitung in den Händen des Amtes für Bau- und Kunstpflege Göttingen, welches die Denkmalstelle der Landeskirche Hannover ist.


An dieses Kirchenbild haben sich die Wulftener fast schon gewöhnt

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Der Klang dieser neuen Bronzeglocke ist schön länger zu vernehmen

Diese Stufen und Geländer erstrahlen in neuem Holz

Dieser Teil des Kirchturmes, auch das Ziffernblatt der Uhr, sind neu geworden

Diese Glocke hat jetzt im Wulftener Kirchturm „ausgedient“

 

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