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16.06.2020
Heidschnucken und Kamerunschafe haben das Rasen mähen übernommen
Wolfram Bröhl lässt es sich nicht nehmen, auch mal dem Bock Dieter Schmuseeinheiten zukommen zu lassen
...von Petra Bordfeld
In Badenhausen gehören Heidschnucken bereits seit über 30 Jahren in dem Straßenzug Am Knickgraben und seit gut zwölf Jahren die Kamerunschafe in Oberhütte zum Alltagsbild. Die Heidschnucken mit ihren imposanten Hörnern sind bei Ingrid und Wolfram Bröhl zu Hause und die kurzhaarigen Hausschafe bei Willi Lange.
Die Bröhls wollten im Prinzip nie Schafe irgendeiner Rasse haben, denn das hügelige Grünland, welches fast bis an das Wohnhaus reicht, hielt der Besitzer, ein Landwirt, mit einer Sense kurz. Doch, als sie feststellten, dass der „Sensenmann“ in die Jahre gekommen war und die Flächenpflege für ihn immer schwerer wurde, sprachen sie mit ihm und offenbarten die Idee, Rasenmäher auf vier Beinen anzuschaffen.
Das Gespräch hatte zur Folge, dass sie das Land einzäunten und sich nach vielen Überlegungen für Heidschnucken entschieden. Sie taten es nicht wegen der Wolle. Vielmehr hatten sie vernommen, dass deren Fleisch sehr gut munden soll. Diese Annahme bestätigen übrigens Verwandte und Bekannte, die bereits in den Fleischgenuss der in Privathand gezogenen Heidschnucken kamen.
Seit Ende der 80er Jahre sind auf dem etwa drei Morgen großen Gelände ein Bock, drei bis vier Muttertiere und natürlich Nachwuchs zu sehen. In diesem Jahr sind es fünf an der Zahl. Allerdings wird der Bock immer rechtzeitig verkauft oder getauscht. „Wir wollen doch keine Inzucht“.
Dass es auch mal Flaschenkinder gibt, weil das Muttertier seinen Nachwuchs ablehnt, ist übrigens keine Seltenheit. Eine Einmaligkeit ist dahingehend eine Geschichte, bei deren Erzählung beide lächeln müssen.
Vor drei Jahren, es standen das Osterfest und die Taufe des damals drei Monate alten Enkelkindes auf dem Kalender. Just an dem Tag entschied sich eine Schnucke zu lammen. Wolfram Bröhl und sein Schwiegersohn Marc begaben sich in die Stallung. Die Geburt verlief mit Hilfe der Menschen reibungslos, doch die Mutter, die zum ersten Mal gelammt hatte, wollte ihren Nachwuchs nicht annehmen. „So etwas geschieht natürlich am Wochenende, wo keine Aufzuchtmilch für Schafe zu haben war“, so Wolfram Bröhl. Er hatte zusammen mit Marc immer wieder versucht, das Lamm anzulegen. „Denn die Erstmilch ist doch sehr wichtig“.
Seine Tochter, die ja auch Mutter war, hatte die Idee, die alle staunen ließ: „Ich habe doch Milch, also gebt dem Kleinen davon was“. Während Ingrid Bröhl noch einen Tierarzt anrief, der sehr erstaunt war, aber keine Einwände gegen diese Idee hatte, pumpte Kristina Milch ab, die sofort in eine Nuckelflaschen umgefüllt wurde. Und sie sollte Recht haben, dass Lamm trank so, als sei es das Himmelsgetränk. Den beiden Männer war es dann endlich auch gelungen, die erste Milch des Muttertieres einfühlsam abzupumpen, und es dem Lamm zu geben. Nach drei Tagen nahm die Schnucke ihr Kind an. Diese Geschichte wird wohl immer in Erinnerung bleiben.
Eine weitere Story die vor zwei Jahren bei der öden Trockenheit begonnen hat, hat aber noch kein Ende gefunden. Weil in der Zeit die Schafe kein frisches Weidegras zwischen die Zähne bekamen, blökten sie trotz Heu und Trockenfutter so lauthals, dass die Nachbarn aufmerksam wurden. Sie sammelten das gemähte Gras und abgesägte Hecken – beziehungsweise Baumäste, an denen Blätter hingen, und fragen nach, ob die Schafe das haben dürfen. Die beiden Bröhls strahlten, na klar durften die Heidschnucken das. „Diese außergewöhnliche Hilfsbereitschaft findet noch heute statt, es sind sogar Gemüseblätter und altes Brot dazu gekommen“, so Ingrid Bröhl. Sie und ihr Mann freuen sich sehr darüber, dass die Nachbarn an die Tiere denken und sagen Danke mittels Hühnereier, welches das eigene Federviecher legt, oder einer Flasche Wein.
Alle Jahre wieder kommt es zur Schur, denn im nicht zu frühen Frühjahr müssen die Heidschnucken von ihrem dicken Fell befreit werden. Eigens dafür kam die ersten Jahre ein Schafscherer in den Knickgraben. Wolfram Bröhl war stets dabei. Aus dem Grunde machen er und seine Frau diese Arbeit nach dem Tod des Fachmanns selbst. Mittlerweile steht ihnen übrigens Enkel Jonas tatkräftig zu Seite. Die Schurwolle selbst will niemand haben, also wird sie fachgerecht entsorgt. „Sie ist letztendlich Natur,“ so Ingrid Bröhl.
Willi Lange wiederum wollte das Grasland auf seiner rund 10 000 Quadratmeter umfassenden Fläche in Oberhütte, auf der auch sein Haus und sehr viel Bäume stehen, nicht mehr selbst mähen. Er überlegte sich, dass es noch nützlichere Rasenmäher geben müsste. Er hörte sich um und entschied sich auch erst für Heidschnucken. Weil die immer Frühjahr geschoren werden mussten, hörte er sich um und erfuhr von den kurzhaarigen Kamerunschafen, die ihren Fellwechsel selbst durchführen. „Denn sie haben keine dichten Locken“.
Mittlerweile hat er nicht nur die Pflege des Weidelandes und der kurzschwänzigen „Landschaftspfleger“ an seinen Nachbarn, Dirk Schrader, abgetreten, der ebenfalls ein großer Freund dieser Schafart ist. In der jetzigen Herde sind bloß noch zwei „alte Damen“, die Willi Lange gehören. Der hat übrigens eine reale Luchs-Geschichte zu erzählen. Diese Wildkatze hat nämlich vor etwa drei Jahren vier ausgewachsene Tiere gerissen und ein Lamm mitgenommen. Also wurden die Zäune erneuert. „Ich habe unter anderem weit mehr, als 200 neue Pfähle in die Erde gebracht“, so Dirk Schrader, der von seinem Sohn Pierre, seinem Neffen Pasquale und seiner siebenjährigen Nichte Alina unterstützt wird. Willi Lange ist auch gerne dabei, soweit es Zeit und Gesundheit zu lassen.
Dirk Schrader hat zurzeit übrigens einen Liebling in der Herde. Der ist ein halbes Jahr alt, noch pechschwarz, heißt „Tommy“ und ist – wie der Name schon sagt – ein Bock. Er lässt sich gerne von seinem Menschen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Arm nehmen. Da ist aber auch „Dina“ die wohl meint, ein Springpferd zu sein. Denn sie überwindet mittels eines galanten Sprungs die Zäune. Sie will aber nicht ausbüchsen, sondern einfach nur kosten, wie das Gras auf der anderen Seite des Zaunes schmeckt.
Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:
Dirk Schrader und sein Neffe Pasquale zusammen mit den Kamerunschafen
Dirk Schrader mit seinem „Tommy“