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15.05.2020

Kirchliches Leben in Corona-Zeiten gestalten bleibt herausfordernd


In einem Interview schildern Geistliche ihre bislang gemachten Erfahrungen.

von Ralf Gießler

Auch wenn dieser Tage die Gotteshäuser wieder öffnen dürfen - die aktuelle Situation während der Pandemie stellt Verantwortliche in den Gemeinden vor neue große Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Drei Pastoren aus dem Verbundenen Pfarramt "Dorste, Schwiegershausen und Wulften" sowie Osterode und eine Prädikantin gaben einen Einblick, wie sie die jetzige Situation empfinden und meistern.

Rosita Bohnert, Prädikantin aus Dorste, und ihr Ehemann Michael, Pastor der St. Jacobi-Kirche in Osterode, dachten, dass nach den deutlichen Corona-Einschränkungen Mitte März eine Entschleunigung für jeden beginnen würde: "Es wurde jedoch schnell deutlich, dass es zu Anfang schwer zu vermitteln war, dass kirchliche Amtshandlungen sowie Gottesdienste zur Zeit nicht im gewohnten Rahmen stattfinden können. Ganz, ganz viele Telefongespräche, Mails und starke Nerven waren gefordert, um alles zu handhaben. Wir nutzen die Zeit u.a. auch, um Dinge zu ordnen. Zudem gehen wir in unserer wunderschönen Feldmark spazieren oder fahren diese mit unseren alten Fahrrädern ab. Alles ist jedoch mühsamer und umständlicher geworden. Richtig schlimm finden wir es, unseren Enkelsohn nur noch von Weitem und viel seltener zu erleben. Das schmerzt uns richtig."

Stefan Schmidt, Pastor in Dorste und Schwiegershausen, freute sich über das ehrenamtliche Engagement in der Zeit, wo die Schwiegershäuser Kirche für Gottesdienste nicht zugänglich war: "Sechs Frauen hatten sich aus dem Dorf gefunden, um montags bis samstags jeweils von 17 Uhr bis 18 Uhr die Kirche zu öffnen und Aufsicht zu führen. Schwierig finde ich allerdings, dass Trauer und Abschied zur Zeit unter sehr belastenden Rahmenbedingungen stattfinden. Sonst gehen viele Menschen aus dem Dorf zu Trauerfeiern und zeigen ihre Anteilnahme. Auch ist es eigentlich üblich, dass man sich bei einem Trauerfall in der Nachbarschaft und im Freundeskreis besucht. Auch das geht im Augenblick nicht wie gewohnt. Überhaupt geht vieles, was Menschen in ihrer Trauer unterstützt und bestärkt, im Moment nicht. Aber Trauer und Abschied lassen sich ja nicht auf die Zeit nach Corona verschieben!"

Klaus-Wilhelm Depker, Vakanzpastor in der Osteroder Marktkirche und auch in Dorste tätig, unterstrich die Ausführungen der Kollegen: "Wesentliches geht nicht: Berührung, Kontakt, Nähe müssen aus Rücksicht und Vorsicht unterbleiben, das Leben verlangsamt sich oder wird unwahrscheinlich verdichtet, und alles ist unklar. Viele neue Dinge entstehen auch, aber alle fahren "auf Sicht“. Gegen Unsicherheit und Angst helfen auch keine "ewigen Wahrheiten“, aber vielleicht ein wenig die Gewissheit, dass wir begleitet oder getragen werden. Vieles – zum Beispiel Videokonferenzen - ist anstrengend. Andererseits ist es spannend, in diese Situation hinein etwas von dieser heimlichen Gegenwart Gottes in unserem "Nebel“ unter diesen seltsamen Bedingungen zu vermitteln. Und es bleibt die Dankbarkeit, dass es uns so relativ gut geht, genauso wie die Sorge um diejenigen, die nicht soviel Möglichkeit haben und die auch sonst immer übersehen werden. Und meine zweite Sorge: Hilft uns manche Erkenntnis dieser Krisenzeit, dass wir hinterher einige Dinge wirklich besser, liebevoller und würdevoller machen – weltweit. Auch dann muss ich mir selbst zusprechen was ich versuche weiterzugeben: ob Licht, Nebel oder Finsternis – wir sind durch alles hindurch begleitet und getragen."

 

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