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05.05.2020

In die HS Neustädter Tor zog ein neuer Schulalltag ein


Wer von hinten das Schulgebäude betrat, passte auf, dass Stefanie Henkels „Hallo“ nicht mit Füßen trat

...von Petra Bordfeld

„Liebe Schüler/innen, herzlich willkommen zurück“ und „Schön, dass ihr da seid“, waren zwei herzliche, in Kreise aufgetragene Willkommensgrüße, die auf den Treppenstufen am Haupteingang der Hauptschule Neustädter Tor und auf dem Schulhof zu lesen waren, als die Neunt- und Zehntklässler ihre Schule betraten, um sich auf die anstehenden Prüfungen vorzubereiten.

Schulleiterin Stefanie Henkel war vor der Schulöffnung künstlerisch aktiv geworden, wobei sie den gesamten Schulhof als Malfläche nutzte. Denn sie zog dort, mit Erlaubnis des Landkreises Göttingen, nicht nur Abstandslinien, sondern eröffnete auch „Beratungsräume“, die genau vier Ecken haben. Auf diese Ecken darf sich jeweils ein Gesprächspartner stellen. Außerdem hat sie auf den Sitzgelegenheiten unübersehbar notiert, wer, wieviel und ob da jemand sitzen darf.
Als die Abgänger feststellten, dass auch in ihrer Schule wichtige Hinweise zu sehen waren, konnte sich kaum einer das Schmunzeln verkneifen, ohne die Regeln dabei zu ignorieren - im Gegenteil.

An dem Gespräch mit ihr, ihrem Kollegen und Konrektor Stephan Wegner sowie den Schülersprechern Aileen Knackstedt und Timo Henke nahm auch Schulsozialpädagogin Kristin Klügel teil. Sie hatte vor den Corona-Zwangsferien gerade erst angefangen und nur die Zeit gehabt, sich den einzelnen Klassen vorzustellen. Dann fiel die Tür bis jetzt ins Schloss. Sie ist nun dabei, die Schülerinnen und Schüler einzeln kennenzulernen. Die Kontaktaufnahme ist über den Schulmessenger und nach telefonischer Absprache möglich. Die Schulfamilie freut sich, dass sie nun, mit Schulsozialpädagogin, weiter gewachsen ist und das Arbeiten in multiprofessionellen Teams wieder möglich ist.

Aileen und Timo machten gleich anfangs klar, dass sie es gut finden, dass langsam wieder Bewegung in das Schulleben reinkommt und sie ihren Abschluss ganz korrekt erhalten werden. Insgesamt sind es 25 Schüler und Schülerinnen in der zehnten und insgesamt 33 in der neunten Klasse, die sich auf die Prüfung vorbereiten.
Allerdings sind sie alle in kleine Gruppen aufgeteilt, was rein raummäßig absolut kein Problem ist, weil noch nicht alle Klassen wieder unterrichtet werden. Die Aufteilung erfolgt nach dem ABC, was aus Sicht von Aileen und Timo nicht schlimm gewesen ist, denn letztendlich habe man sich auch als große Klasse gut verstanden.

Auch wenn sie über den Schulcloud Hausaufgaben und Informationen erhielten, wie sich der neue Schulalltag gestalten wird, waren alle doch ein wenig neugierig auf die ungewohnte Situation, und wie wohl alles funktionieren wird. Fest steht jedenfalls, dass es nicht nur die räumliche, sondern auch die zeitliche Trennung gibt, weil an jedem zweiten Tag der Unterricht erfolgt.

Im Vordergrund stehen zwar die Hauptfächer, dabei sollen aber GSW (Gesellschaftswissenschaften: Geschichte, Erdkunde, Politik)- und die Naturwissenschaften nicht ins Hintertreffen geraten. Außerdem stehen die Lehrer und Lehrerinnen nicht an der Tafel und erzählen etwas. Die eigenständigen Arbeiten mit persönlicher Betreuung durch Lehrkräfte sind gegeben, wobei natürlich der Abstand eingehalten wird.

Die Kollegen und Kolleginnen sind ebenso im Homeoffice aktiv. „Das Schöne ist, dass sie bereit sind, weiter zu gehen als sonst“, so Stephan Wegner. Mittels zusätzlicher Gespräche werde einfach alles gestemmt, weil man sich gegenseitig dabei unterstützt, um stets eine Lösung zu finden. So unterrichten zurzeit zwei Lehrer eine Gruppe und erfahren dabei Verstärkung von Förderschulkollegen.

Im Prinzip besteht der Unterricht in der Schule und zu Hause übers Homeschooling aus drei (Jahrgänge 5 bis 8) und vier (Abschlussjahrgänge) Zeitstunden. Die beiden Schülersprecher finden es gut, dass man zu Hause auch was machen kann. „Da können wir uns die sechs Unterrichtsstunden einteilen und müssen sie nicht auf einmal runterreißen“. Es werde beim Homeoffice bestimmt nicht mit einer Stempelkarte gearbeitet. „Das letzte, was wir wollen, ist Druck zu erzeugen- Den Schüler*innen und auch den Eltern nicht, die durch die Situation sowieso schon sehr belastet sind. Die Schüler*innen kommen in Eigenverantwortung und arbeiten genauso auch zu Hause“, so Stephan Wegner. Denn ihnen dürfte klar sein, dass sie das alles für sich selbst tun. „Am Ende zählen die Ergebnisse, wenn sie dann auch noch richtig sind, ist das besonders gut“.

„Wir wollen den bestmöglichen Weg finden und alle sind voller Optimismus, dass sie es schaffen werden, dass am Ende der schriftlichen und theoretischen Prüfungen das Abschlusszeugnis auf sie wartet. Genau das dürfte das Schönste an dieser ungewöhnlichen Aktion sein“, so Stefanie Henkel.

Bei all den Vorbereitungen werden allerdings auch nicht die unglaublich vielen Auflagen des niedersächsischen Kultusministeriums vergessen. Angst vor denen müsse keiner haben, so die Schulleiterin. Denn das Schulgebäude ist zwar alt, aber das habe nichts zu sagen. Die Liste die kam, war im Prinzip ein Blatt zum Abhaken, denn alle Forderungen konnten problemlos erfüllt werden.

Schließlich fehlen die vorgeschriebenen Waschbecken ebenso wenig wie das Wasser, die Seife und die Papiertücher. Ebenso gut bestückt seien die Reinigungskräfte mit der speziellen Reinigungsseife. „Die beiden sind übrigens auch froh, dass es weiter geht“.

Bei all dem vorgeschriebenen Abstand zwischen den Menschen, seien aber die Fürsorge und die Menschlichkeit nicht verloren gegangen, darin waren sich alle Gesprächspartner einig. „Gemeinsam sind wir dran und halten so viel Abstand wie nötig, versuchen aber auch so normal wie möglich den Alltag wieder Alltag werden zu lassen“, so Stefanie Henkel.

In jedem Falle sind alle Lehrkräfte von dem Zuspruch der Schüler und Schülerinnen begeistert und froh darüber, sie wieder zu sehen. „Es ist schön, dass das Gebäude wieder mit Lachen gefüllt ist, wie sonst auch- nur mit Abstand“.

Stephan Wegner hat sich übrigens von Anfang an um den digitalen Zweig gekümmert. So war schon früh die erste Videokonferenz mit dem gesamten Kollegium möglich. Auch wenn das alles nicht ganz so einfach gewesen wäre, hat es trotzdem geklappt. Denn das interne Netz, welches jetzt benutzt wird, besteht schon seit zwei Jahren. Trotzdem sei er erleichtert, dass die Schule wieder für die letzten Klassen offen ist. „Im persönlichen Kontakt können schließlich Ängste besser abgebaut werden, als über Computer“.

Die Schulleiterin verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass sie in dieser nicht gerade leichten Zeit auch immer den Kontakt zu den Eltern gesucht hat und gefunden.

Schulsozialpädagogin Kristin Klügel brachte ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass sie mit der ersten Schulöffnung jetzt alle erreichen könne, die sie brauchen und auf sie zukommen möchten. „Denn wir achten aufeinander“. Auf die von ihr geäußerte Sorgen, dass die anderen Klassen noch nicht da sind, erwiderte Stefanie Henkel voller Zuversicht: “Die Jüngeren kommen bestimmt auch bald wieder und wenn es noch nicht geht, wissen sie, wie sie uns erreichen können“.

Die Öffnungsvorschriften können sich durchaus ändern und damit Mitte Mai vielleicht der nächsten Schülergruppe die Schultüren öffnen, wenn Corona nicht wieder steigt. In jedem Fall werden die Prüflinge zusammen mit den Lehrkräften ihr Vorhaben so lange durchziehen, bis sie das Zeugnis in der Tasche haben „Dabei achten wir darauf, dass wir immer wieder an die Besonderheiten der Corona-Zeit erinnern. Denn, wir wollen nicht, dass was falsch läuft und wir zu machen müsse, so Stefanie Henkel. „Wir wollen die Schüler*innen auf einem Weg, der so gut wie möglich ist, zum bestmöglichen Abschuss zu führen.“

Die folgenden Bilder können Sie vergrößern, wenn Sie ein Eseltreiber-Abo haben:


Auf dem Schulhof hatte Stefanie Henkel diesen Willkommensgruß beschrieben

Stefanie Henkel zeigt Aileen Knackstedt und Stephan Wegner sowie Timo Henke und Kristin Klügel (vo.), die auf den Eckpunkten des Besprechungsräume stehen, wie sie den Schulhof gestaltet hat.

 

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