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24.04.2020

Kiwi Reiserudel erfüllte sich einen Traum


aber auch Covid19 war in Neuseeland angekommen.

...Thomas  und Iris Tischer

Es war schon immer unser Traum, einmal in unserem Leben Neuseeland zu bereisen. Schnell waren auch Freunde von dieser Idee angetan. Aus Ihrer aktiven Reisebürozeit und 2 selbst erlebten Neuseeland Reisen, hatte Marion noch Kontakte zu einem Deutschen Tour Guide. Es sollte eine sehr individuelle Reise werden. (10 Weggefährten müsst Ihr sein).

Wünsche und Anliegen wurden geäußert. Reiseverlauf, Hotels, Individualprogramme usw. wurden ausgearbeitet und festgelegt. Ein Jahr vor geplantem Abflug wurden die Flüge gebucht. Die Checkliste war komplett und 2020 war es dann soweit, dass KIWI-Reiserudel war geboren.

Nur am Rande, was ist ein Rudel?
Rudel bezeichnet in der Verhaltensbiologie eine geschlossene und individualisierte Gruppe von Säugetieren. Ein Rudel ist eine geschlossene Gruppe, weil die Mitglieder eines Rudels nicht beliebig austauschbar sind. Ebenso ist es eine individualisierte Gruppe, weil die Mitglieder der Gruppe sich untereinander erkennen. Innerhalb eines Rudels herrscht oft eine Rangordnung und eine gewisse „Arbeitsteilung".

Ein von China nach Europa sich ausbreitendes Virus schien unsere Reise zu gefährden. Auch für uns stellte sich die Frage Abbruch oder nicht. Nach Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt, der Airline sowie einem Check unserer Reiseroute, entschieden wir uns jedoch dafür die Reise durchzuführen. Zuviel Arbeit und Energie hatten wir in den letzten 3 Jahren investiert und ein mögliches Risiko schien für uns kalkulierbar.

Am 06.03.2020 war es dann endlich soweit. Wir starteten unsere Route in Auckland auf der Nordinsel. Zwei Wochen lang von Erlebnis zu Erlebnis, welche mit Worten und Bildern kaum zu beschreiben sind. Nebenbei verfolgten wir die schrecklichen Meldungen einer sich immer stärker ausbreitenden Pandemie. Neuseeland ist zwar sehr weit weg von Europa aber nicht am anderen Ende der Welt.

Mittlerweile auf der Südinsel am Franz Josef Gletscher angekommen, war für den kommenden Tag bei guter Wetterlage ein Hubschrauberrundflug geplant. Zum einen machte uns leider das Wetter einen Strich durch die Rechnung aber auch die äußerst düstere Mine unseres Tour Guides zeigte uns, dass etwas nicht mehr so ist wie es war. Nun war es da, dieses COVID-19 Virus, Ansteckungen auch in Neuseeland, in diesem so schönen und faszinierenden Land, für uns unvorstellbar. Und zum ersten Mal mussten wir uns ernsthaft damit beschäftigen und entscheiden, wie wir weiter machen wollen oder können. Unser Tour Guide Roger empfahl uns sich in Richtung Christchurch zu begeben, denn es ist damit zu rechnen, dass die Neuseeländische Regierung relativ kurzfristig die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen (Alert Level) anordnen würde.

Nun wurde das Reiserudel auf eine erste Bewährungsprobe gestellt, unser Nervenkostüm wurde angespannt und wir waren zum ersten Mal nicht alle einer Meinung. Aber die Mehrheit entschied sich dann schweren Herzens dafür, die Reise abzubrechen und sich Richtung Christchurch zu bewegen. Unser Tour Guide Roger hatte dort für uns bereits ein Hotel bis zu unserem eigentlichen Abflugtag organisiert.

Dann entwickelten sich die Ereignisse mit einer für uns unvorstellbaren Dynamik. Unser Rückflug von Dubai nach Frankfurt wurde gecancelt. Dubai verweigerte die Einreise. Wie jetzt? Und was ist mit dem Flug Christchurch nach Dubai? Wie kommen wir von dort weiter. Fragen über Fragen. Dann der Super-Gau, Mittags saßen wir noch beim Essen und wollten Abends in das gleiche Restaurant als uns freundlich mitgeteilt wurde, dass wir doch bitte etwas schneller unser Essen beenden möchten und die Reservierung für Abends leider gecancelt werden muss, da wir uns nun in Alert Level 3 befanden. Was bedeutet, dass alle Bars und Restaurants schließen müssen. Außer Haus Verkauf war aber möglich. Wir entschieden uns dann abends für „Take Away“. Beim Abholen schweiften unsere Gedanken in alten Hollywood Filmen und diversen Weltuntergangsszenarios und ein Gefühl der Hilflosigkeit ergriff uns dabei, dass wir womöglich nicht wegen Bargeld, sondern wegen Nahrung überfallen werden könnten.

Dann, binnen 48 Stunden von Alert Level 3 auf Alert Level 4! Lockdown des gesamten Landes für die kommenden vier Wochen! Nur noch das allernotwendigste - Supermärkte, Apotheken usw. - geöffnet, das neue Schlagwort „Stay in your bubble“. Vier Wochen im Hotelzimmer?!

Wieder war es unser Tour Guide Roger, unser Hero, der uns in dieser misslichen Situation weiterhalf. Er hatte in seinem Wohnort Amberly (ca. 45 km nördlich von Christchurch) mit den Inhabern (Rianne & Wayne Bonnett) des Teviot View Motels eine Vereinbarung getroffen, dass wir bis auf weiteres dort wohnen können. Besser hätten wir es nun wirklich nicht treffen können. Zu den wesentlichen Betätigungen in der kommenden Zeit gehörten ausgiebige Spaziergänge (natürlich nur zu zweit), Einkaufen gehen, pflegen unserer Hauskatze Jock und schauen, wie wir wieder zurückkommen können.

Mittlerweile war auch unser Rückflug von Christchurch nach Dubai gecancelt. Aber da war noch etwas. Ich hatte für meine Leukämie die lebensnotwendigen Medikamente noch für vier Wochen vorrätig. Könnte knapp werden. Mit Hilfe von Roger, Arzt ausfindig gemacht, Verfügbarkeit geprüft und natürlich auch im Hinterkopf, wenn das hier länger als vier Wochen dauert, sind für das Medikament 5.600 € fällig! Eine ganz neue Erfahrung. Von nun an wurden ganz andere Energien frei gesetzt.

Wie geht es weiter, welche Möglichkeiten bestehen, wer kann weiter helfen. Natürlich das Internet, Aufbau von Netzwerken, regelmäßiges verfolgen von Nachrichten und Mitteilungen usw. schließlich müssen nach unseren Informationen ca. 12000 Touristen aus Neuseeland evakuiert werden.

Als erstes haben wir uns auf der „ELEFANT“ Seite des Auswärtigen Amtes registriert. Sollten übrigens alle Reisenden bei Aufenthalten im Ausland immer machen. Der Kontakt zur Deutschen Botschaft gestaltete sich anfangs äußerst schwierig, was sicherlich auch daran lag, dass die IT-Systeme und Server auf einen solchen Massenansturm von Registrierungen nicht ausgelegt waren.

Dann Standardrückantwort, man möge Geduld haben und der Hinweis, man arbeite auf allen Ebenen an einer Lösung. Dann scheinbar Erlösung, dass Rückholprogramm des Auswärtigen Amtes. Registrieren, natürlich Anfangs auch mit LogIn Schwierigkeiten. Dann banges Warten und scheinbare Erlösung, der erste Rückflug (allerdings von Auckland, Nordinsel) flog am 28.03.2020. Wir stellten Hochrechnungen an: welche Flugzeugtypen kommen in Frage Boing 747, Boing 777, Airbus A380) mit 350 bis 550 Sitzplätzen. Also mindestens 30 Flüge! Wann sind wir dabei. Dann der Schock. Nachdem der erste Rückflug durchgeführt wurde, hat die Neuseeländische Regierung alle möglichen Rückflüge gestoppt. Was war passiert? Genau dass, was hätte nicht passieren sollen, unkontrollierte Reisetätigkeit durchs Land, nicht Einhalten der geforderten Maßnahmen usw. Die Ankündigung, dass bis zum 31.03.2020 alle Rückflüge gestoppt sind ließ unser emotionales Nervenkostüm immer dünner werden.

Hilfe und weitere Aktionen erhofften wir uns, nachdem die Eltern eines Reiseteilnehmers Kontakt zum Büro von Herrn Thomas Oppermann in Göttingen aufgenommen hatten. Wir wurden kontaktiert und sogar angerufen. Man wollte unsere Situation beim Auswärtigen Amt vorbringen. Diese Idee hatten vermutlich viele andere Angehörige auch und Ihre Vertreter in den jeweiligen Wahlkreisen kontaktiert. Aber dennoch, waren wir in dieser Situation dankbar für jede noch so kleine Unterstützung. Also weiter warten.

In der Zwischenzeit mussten wir auch mit unseren Arbeitgebern Kontakt aufnehmen und die weiteren Maßnahmen und Folgen einer verspäteten Rückkehr klären. Teils verständnisvoll, teils bedenklich, waren auch hier die Rückmeldungen. Allerdings befinden sich auch viele Firmen bereits in schwierigen und finanziellen Schieflagen. Im Augenblick ist es halt für alle nicht so einfach.

Während all der Zeit wurden wir über regelmäßige Spots, Live-Schaltungen und Live-Chats der Premierministerin, Frau Jacinda Ardern, auf dem Laufenden gehalten. Es wurde dabei auch das wieso, weshalb und warum erklärt. Auch wenn an dieser Stelle für den einen oder anderen Maßnahmen nicht nachvollziehbar oder nicht in sich schlüssig waren, wurden die jeweiligen Anordnungen befolgt und durch Polizei und Militär kontrolliert.

Dann die alles entscheidende Nachricht. Die Luftbrücke zu Evakuierung wird wieder aufgenommen. 04.04.2020 ab Auckland und 06.04. ab Christchurch. Es gab noch einmal die Aufforderung der Deutschen Botschaft die Reisedaten auf dem Rückholprogramm zu aktualisieren.

Von nun an stieg die Nervosität, weil auch in den Netzwerken und Meldungen diverser Rückreisender viel „Müll“ verbreitet wurde, was für die Arbeit oder Sache der Evakuierung nicht sonderlich nützlich war. Als erstes durfte 1 Mitglied unserer Gruppe bereits am Montag 06.04. mit Air New Zealand via Vancouver zurückfliegen, weitere 5 am Dienstag 07.04. mit Lufthansa via Bangkok und die verbliebenen 4 -  weiter warten. Eine Logik wonach die Listen erstellt wurden, konnten wir bis dato für uns nicht erkennen. Nach der letzten Mitteilung der Deutschen Botschaft wurden die übrigen vier Mitreisenden auf Standby Listen gesetzt. Nach über 10 Stunden Wartezeit auf dem geschlossenen Flughafen von Christchurch, erfolgte die Rückreise am 11.04. mit Air New Zealand via Vancouver.

Nach fast 5 Wochen in unserer eigenen „bubble“, einem höheren Infektionsrisiko im Flieger, sind wir alle mit gemischten Gefühlen und echt schockiert nun wieder zurück in Deutschland. Keinerlei Kontrollen, kein Mindestabstand, Eltern oder Freunde die Rückreisende aus ganz Deutschland abgeholt haben, diverse Fernsehteams usw. einfach unglaublich. Und auch danach, keinerlei Untersuchungen, Maßnahmen oder Verhaltensregeln wurden nicht vorgegeben.

Wir können an dieser Stelle und auch nur für uns persönlich, 1000-mal Danke sagen an:
Roger und Janey Thomas unsere „Heros“
Rianne und Wayne Bonnett, Inhaber der Teviot View Motels
Der Premierministerin Jacinda Ardern, stellvertretend für die Neuseeländische Regierung
Allen Neuseeländern und Maories für ihre Gastfreundlichkeit
Allen Mitarbeitern /-innen im Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland
Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen Botschaft in Wellington, NZ
Den Crews der Deutschen Lufthansa







09.03.2020

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19.03.2020





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23.03.2020

24.03.2020 - Teviot View Motels

25.03.2020

 

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