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22.04.2020

„Wie eine Aussätzige behandelt“


Trotz Mundschutz und Abstandhalten: Betreuerin einer Servicewohnanlage wurde in Hattorf angefeindet.

von Herma Niemann

Weltweit werden die Helfer, das Pflegepersonal und die Ärzte auf Balkonen für ihren unermüdlichen Einsatz in der Corona-Krise beklatscht. Zurecht. Sie engagieren sich für Patienten und Senioren und setzen sich trotz aller Schutzmaßnahmen auch immer selbst dem Infektionsrisiko aus. Aber hier und da sieht der Alltag, was den Respekt gegenüber den Pflegekräften angeht, doch leider anders aus.

„Es ist schlimm, wenn die Menschen, die anderen helfen wollen, sich diskriminiert fühlen müssen“. Das berichtet Hannelore Gropengießer über einen Vorfall vor einer Arztpraxis in Hattorf. Hannelore Gropengießer organisiert zusammen mit Karin Kwast und Helga Jäckle das Hilfsangebot „Jung-hilft-alt“ in Hattorf. Das Angebot richtet sich an ältere Menschen, die bereits gesundheitliche Vorerkrankungen haben, also zur Risikogruppe gehören. Ein Anruf bei den drei Frauen genügt, und schon werden Einkäufe, Medikamentenbesorgungen oder andere Hilfsangebote organisiert. Die Ausführenden sind fünf engagierte Schüler, die sich freiwillig dazu bereit erklärt haben.

Am Dienstag kümmerte sich Gropengießer um eine ältere Dame, die in einer der Servicewohnungen (und nicht direkt in der Seniorenresidenz) von Stiemerling wohnt. Die Dame braucht dringend ein Rezept für ein Medikament, das nur ein Facharzt ausstellen könne, so Gropengießer. Das gestaltet sich momentan auch schwierig, da die Ärzte keine regulären Sprechzeiten mehr haben. Unterstützung erhielt Hannelore Gropengießer von einer Betreuerin der Seniorenwohnanlagen. Alle drei standen draußen vor der Tür des Facharztes in Hattorf. „Die Betreuerin hatte einen Mundschutz auf, wir alle hielten den vorgeschriebenen Abstand zueinander ein und versuchten, der Arzthelferin die Angelegenheit zu erklären“.

Als dann eine weitere wartende Patientin darauf aufmerksam wurde, dass die ältere Dame in den Seniorenwohnanlagen von Stiemerling wohnt und die Betreuerin dort arbeitet, habe diese Patientin die drei regelrecht angefeindet und zu der Betreuerin gesagt, dass sie gar nicht hier stehen dürfe. „Die Betreuerin versucht einem älteren Menschen zu helfen und wird dann von einer Außenstehenden auf solche Weise angeprangert“, so Gropengießer sauer „bei einem eingehaltenen Abstand und mit Mundschutz kann überhaupt nichts passieren. Das ist schlimm, wenn die Helfer und Betreuer wie Aussätzige behandelt werden“.

 

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