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27.03.2020

Schäferstein: Mythos oder Mord-Denkmal?


Idyllisch gelegen: der Gittelder Weg zwischen Düderode-Oldenrode und Gittelde

Schäfersteine sind Zeitzeugen aus vergangenen Tagen / Zwischen Gittelde und Düderode-Oldenrode soll dieser an schreckliche Ereignisse erinnern

...von Herma Niemann

Zahlreiche Mythen ranken sich um den sogenannten Gittelder Weg, einem direkten Verbindungsweg zwischen Gittelde und Düderode-Oldenrode, und dem dort befindlichen Schäferstein, auch Schäferkreuz genannt.

Schäfersteine sind Sühnekreuze oder Mordkreuze und bezeichnen ein steinernes Flurkreuz, das zur Sühne für einen begangenen Mord oder Totschlag errichtet wurde. An diesem alten Gittelder Weg durch den Wald sollen in früheren Jahrhunderten einer oder sogar mehrere Morde begangen worden sein, wie der Vorsitzende des Heimatvereins Düderode-Oldenrode, Klaus-Jürgen Bialaschewitz, in einem Gespräch erzählt. Dem oder den Ermordeten wurde wohl dieser Schäferstein zum ewigen Gedächtnis errichtet. Er soll ein Sühnestein sein, der seinem Aussehen nach wohl im 17. Jahrhundert anzusiedeln sei. Der Stein ist ein Sandsteinblock, mit einem lateinischen Kreuz versehen. Sühnekreuze standen meist an Wegen und Wegkreuzungen. Auf einigen Steinkreuzen sind Waffen, wie Armbrust oder Axt, eingeritzt, möglicherweise die Tatwaffen. Flurkreuze sollten Vorübergehende zum Gebet für den Verstorbenen anleiten, da dieser unvermittelt zu Tode kam, ohne zuvor die Sterbesakramente empfangen zu können. Wurde jemand im Streit oder absichtslos getötet, musste der Schuldige mit der Familie des Opfers einig werden. Es wurden zwischen den beteiligten Parteien privatrechtliche Sühneverträge abgeschlossen. Ab 1300 soll es üblich gewesen sein, am Tatort oder dort, wo es die Angehörigen wünschten, ein steinernes Sühnekreuz aufzustellen.

Dokumentiert ist über die Geschehnisse am Gittelder Weg leider nicht viel, sagt auch der Heimatchronist aus Gittele, Bodo Biegling. Alles, was man heute wisse oder vermute, sei mündlich weiter getragen worden. So soll auf diesem Weg ein Schweinehändler überfallen, beraubt und getötet worden sein. Auch wird sich erzählt, dass hier einige der Eseltreiber vom Harze wegen eines Pfennigs, der damals noch einen ganz anderen Wert hatte als heute, in Streit geraten seien. Bei diesem Streit soll einer davon ums Leben gekommen sein. Auch wurde berichtet, dass der Name „Schäferkreuz“ an einen Schäfer erinnern soll, der angeblich hier erschlagen wurde, weil er sich gegen das Leibeigenrecht stellte und sich weigerte, seine Frau dem vorgesetzten Herrn oder Inspektor zu überlassen, so wie es damals üblich war. Als weitere Variante wurde gemutmaßt, ein Junge sei hier ums Leben gekommen. Diese Mythen und die unerklärliche Furcht vor dem dort stehenden Stein verstärken auch heute noch das Geheimnisvolle um diese Gegend. Idyllisch, aber da auch sehr abgelegen, geht man über den Gittelder Weg ziemlich einsam.

Viele der alten Kreuzsteine werden mit Schäfern in Verbindung gebracht, so auch der Kitzelkreuzstein bei Mechtshausen und der Schäferstein bei Osterode, wo angeblich ein Schäfer vom Blitz getroffen worden sein soll. Im 11. Jahrhundert setzte unter dem erstarkenden Einfluss der Kirche diese Sitte ein, die an Stelle der germanischen Blutrache und des Wehrgeldes für den Erschlagenen von dem Totschläger eine Sühne und die Errichtung eines Sühnekreuzes verlangte. Die steinernen Denkmale, sonst durch eine unaussprechliche Furcht unangetastet geblieben, verloren im Laufe der Zeit immer mehr ihren Sinn und gerieten in Verlust und Vergessenheit. So scheint es auch dem Schäferkreuz bei Düderode ergangen zu sein. Noch im Jahre 1935 soll Wilhelm Lampe, damals Lehrer in Harriehausen, von ihm berichtet haben.

Etwa 7000 Steinkreuze, von denen man vermutet, dass es sich um Sühnekreuze handelt, sind heute in ganz Europa bekannt; in Deutschland gibt es ungefähr 4000.


Das Schäferkreuz: Hier sollen ein oder sogar mehrere Morde begangen worden sein

 

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